Die Post-Hardcore-Band I Prevail entfachen mit „Violent Nature“ einen ungeheuren Sturm aus Wut und Gefühl

I Prevail FOTO REILLY CLARK

Mit Violent Nature präsentieren I Prevail ihr bisher kompromisslosestes Album. Nach dem Ausstieg von Clean-Sänger Brian Burkheiser übernimmt Eric Vanlerberghe allein das Mikro – und überzeugt mit einer kraftvollen Mischung aus Härte, Emotion und Selbstbekenntnis. Zwischen brutalen Breakdowns, melancholischen Hymnen und einer Prise Linkin Park-Geist zeigen I Prevail, dass sie ihre eigene Stimme gefunden haben.

Von Dylan Akalin

Mit „Violent Nature“ schlagen I Prevail ein neues Kapitel in ihrer Bandgeschichte auf – und zwar eines, das von Wut, Selbstbefragung und einem radikaleren Sound geprägt ist. Nachdem Clean-Sänger Brian Burkheiser die Band verlassen hat, übernimmt Eric Vanlerberghe nun den gesamten Gesang – sowohl die Clean-Parts als auch die Screams. Und das richtig gut! Das Ergebnis ist ein Album, das kompromissloser, direkter und in seiner emotionalen Spannweite zugleich überraschend vielschichtig klingt.

Dunkel, ehrlich, fokussiert

Der Opener „Synthetic Soul“ geht sofort in die Vollen: ein schneidend hartes Riff, das inmitten elektronischer Texturen explodiert. Der Song handelt von Entfremdung, von einer Welt, in der Gefühle künstlich wirken – eine Art Manifest gegen die digitale Oberflächlichkeit. Das Zusammenspiel von Aggression und Melodie erinnert stark an den Geist früher „Linkin Park“-Alben, allerdings ohne deren Pop-Sensibilität. I Prevail ziehen den Hörer tiefer ins Dunkel. Der erste Song des Albums macht jedenfalls Lust auf mehr.

Mit „NWO“ entfesseln sie dann eine der wütendsten Nummern ihrer Karriere. Der Titel steht für eine „New World Order“, die sich wie ein dystopischer Albtraum anfühlt. Rhythmisch präzise, mit einer massiven Gitarrenwand und beinahe industrial-artigen Breakdowns, wirkt der Song wie ein Befreiungsschlag.

„Pray“ öffnet eine andere Seite der Band: eine emotionale Hymne, getragen von Akustik-Gitarren und einem großen, sehnsüchtigen Refrain. Auch hier werdeen Assoziationen zu Linkin Park wach, dennoch zieht I Prevail ein paar häörtere Register als es Linkin Park je getan haben, aber diese Wechsel von Knochenhart auf plötzliche ruhige, melodiöse Passagen, die sind echt gelungen. Der Song erzählt vom Versuch, Hoffnung im Chaos zu finden – ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durchs Album zieht.

Was für ein sanfter Einstieg: In „Annihilate Me“ singt Vanlerberghe über Selbstzweifel und das ständige Sich-Öffnen, nur um erneut verletzt zu werden. Musikalisch baut sich der Song von sanften Harmonien zu einem donnernden Finale auf – ein Muster, das I Prevail perfekt beherrschen.

Der Sturm im Inneren

Der Titelsong „Violent Nature“ ist das pulsierende Herz des Albums: roh, zerstörerisch, fast schon kathartisch. Der Refrain „I’m a sick motherfucker with a violent nature“ provoziert bewusst, doch dahinter steckt weniger Prahlerei als ein schonungsloses Bekenntnis zur eigenen Zerrissenheit. Hier verdichten sich Wut, Verzweiflung und Selbstanalyse zu einem Sound, der gleichzeitig erschüttert und mitreißt.

„Rain“ und „Into Hell“ bilden das emotionale Zentrum. „Rain“ steht für das Loslassen, für die Erkenntnis, dass man nicht alles kontrollieren kann. Der Song vereint schwere Gitarren mit weiten Klangräumen und einer melancholischen Melodie, die sich tief einprägt. „Into Hell“ dagegen wirkt wie ein Abstieg in die eigene Dunkelheit – getragen von einem hymnenhaften Refrain, der im besten Sinne an „Bring Me the Horizon“ erinnert.

Ein besonderer Moment ist „Crimson & Clover“, das mit akustischen Gitarren und ruhiger Atmosphäre überrascht. Nach all der Härte wirkt der Song wie ein Durchatmen – zart, verletzlich, beinahe fragil.

Dann kommt „God“: ein aggressives, fast industrial-artiges Stück über Macht, Selbstüberhöhung und Scheitern. Vanlerberghe schreit, als würde er gegen seine eigene Schöpfung ankämpfen – einer der intensivsten Songs des Albums. Den Abschluss bildet „Stay Away“, das viele Elemente des Albums bündelt: Melodie, Härte, Melancholie. Es ist ein Abgesang auf toxische Beziehungen, ein letzter Stoßgebet vor dem Schweigen.

Härte trifft Gefühl

Im Vergleich zu ihren früheren Werken zeigt sich I Prevail hier weniger verspielt, dafür gereifter und fokussierter. Die elektronischen Effekte sind reduziert, der Sound klarer, dichter, ehrlicher. Das Album balanciert geschickt zwischen eruptiver Aggression und introspektiven Momenten. Gerade diese Dualität macht „Violent Nature“ spannend: Die Band lässt die Wut nicht einfach explodieren – sie kanalisiert sie, formt sie zu Songs, die trotz Brutalität emotional offen bleiben.

Musikalisch bewegt sich die Band zwischen Modern Metalcore und Alternative-Rock, irgendwo im Spannungsfeld zwischen „Linkin Park“ (zu „Meteora“-Zeiten) und „Architects“, gelegentlich auch „Killswitch Engage“. Doch I Prevail klingen dabei zunehmend eigenständig.

„Violent Nature“ ist ein Statement. Ein wütendes, verletzliches, kompromissloses. Es zeigt eine Band im Wandel, die ihre Identität neu formt und dabei kaum Rücksicht auf Erwartungen nimmt. Manche Songs wirken noch zu vertraut, einige Passagen wiederholen sich. Doch die Intensität und emotionale Aufrichtigkeit des Albums sind unbestreitbar.

8,5 von 10 Punkten

Ein Album, das gleichzeitig kracht und berührt – die Balance aus Härte und Gefühl gelingt erstaunlich gut. Wenn ich dem Album Punkte geben sollte, würde es von mit 8,5 von 10 Punkten erhalten.

Ein kraftvolles, düsteres Werk über Selbstverlust, Wut und Wiederauferstehung – und ein Beweis, dass I Prevail auch ohne doppeltes Gesangs-Gesicht ihre Stimme gefunden haben.