Der erste Abend des Crossroads-Festivals des WDR-Rockpalasts in der Harmonie Bonn hat mich nicht vollends erreicht. Mit dem dänischen Schwestern-Projekt Velvet Volume und Colour Haze aus München waren zwei Bands am Start, die die Genregrenzen auflösen. Das Ergebnis überzeugt mal mehr, mal weniger.
Von Lina Macke
Als Velvet Volume vor zwei Jahren auf dem Reeperbahnfestival auftraten, überflügelten sich die Kritiker mit Lobeshymnen. Endlich mal wieder eine junge Band, die frischen, frechen unkonventionellen Rock macht. Und so ist es auch. Naomi (Bass, Gesang), Noa (Gitarre, Gesang) und Nataja Lachmi (Drums) sind Schwestern, die seit ihrem Krabbelalter miteinander musizieren. Ihre Musik klingt, als hätten sie Hendrix, Patti Smith, Nirvana, Siouxsie and the Banshees und Blondie durch den Fleischwolf gezogen. Trotz ihres jungen Alters von Anfang 20 sind die drei jungen Frauen routiniert bei der Sache, und da bringt sie auch eine gerissene Gitarrensaite nicht aus der Ruhe.
Die Bühne ist voller Blüten, Noa hat sich rote Herzchen auf die Wangen gemalt – das alles signalisiert: Wir sind verspielt, aber, so bedeuten ihre wilden Blicke, harmlos sind wir nicht. Die Musik hat Anleihen aus dem Garagenrock, angetrieben von drängenden Riffs, hämmernden Beats und granulösem Gesang, der auch mal in quietschende, schreiende Dissonanzen verfällt. Gelegentlich leuchten Farben auf, die wie alte Dias aus der Post-Punk-Ära etwa von Elastica oder dem Punk-Pop von Blondie erscheinen. So manches indes klingt nicht ganz kohärent, was den Spaß an der einen oder anderen Stelle ein wenig trübt.
Einen ganz schön mutigen Start legt Colour Haze hin. „She Said“ beginnt mit einem verhaltenen Summen im Dunkeln, zu dem Manfred Merwald sein Schlagzeug mit den bloßen Händen bearbeitet. Dem folgt dann aber das wirbelnde „Lavatera“.
Colour Haze gilt als Stoner- und Heavy-Psychedelic-Rockband, hat aber auch starke Bezüge zum 70er Progrock, vor allem zum King Crimson’schen Progressionsstil in Richtung Rock und Jazz. Die Musik liegt zwischen isolierter, kompositorischer Einheit und lyrischer Freiheit, ist aber durchzogen von kompromissloser Entschlossenheit. Die Strukturen voller minimalistischer, ätherischer Ambientfeelings drängen konsequent einem Höhepunkt zu.
Stefan Koglek (Gesang, Gitarre) ist das einzig verbliebene Gründungsmitglied der vor 25 Jahren entstandenen Band. Philipp Rasthofer setzt effektive Bassnoten. Jan Faszbender ist sowohl ein hervorragender Solist an seinen Keyboards, als auch Meister für digitale Effekte und psychedelische Atmosphären. Einen raumfüllenden Sound schafft die Band durch unisono gespielte Linien von Gitarre und Keyboard.
Die Band hat ein brillantes Gefühl für die Dynamik des Sounds, wobei Bass und Schlagzeug einen allgegenwärtigen Rhythmus zu den psychedelischen Eskapaden bilden. Die Musik strotzt vor einer Vielfalt, die aber von einer Ganzheit wie ein Garten geprägt ist – so übrigens auch der passende Titel ihres letzten Albums: „In Her Garden“. Dennoch überzeugt die Band mich nicht ganz. Dazu verharrt sie zu häufig in altbekannten Phrasen und dreht sich hier und da zu lange um sich selbst.