Die Beine machen nicht mehr ganz so mit. Leo Lyons humpelt ein wenig auf dem Weg zu seinem Bass. Doch Schwamm drüber: Dafür sind die Finger der Ten-Years-After-Ikone so agil und beweglich wie bei einem 15-Jährigen und fliegen nur so über die Seiten. Ist Woodstock wirklich schon fast 50 Jahre her? Der 74-Jährige hat seinen früheren Bandkollegen Joe Gooch und Damon Sawyer mit im Boot, touren gemeinsam als Hundred Seventy Split (HSS) – gegründet 2010. Beim Konzert am Sonntagabend in der Bonner Harmonie in Endenich zeigt das Trio zwei Stunden lang, wie klassischer Bluesrock geht. Druckvoll, immer auf den Punkt und vor allem auch tanzbar.
Von Julian Falke
Die 150 Fans tauen von Song zu Song weiter auf. Was mit Füßewippen und Luftgitarrenspielen beginnt, mündet mit der letzten Zugabe „Working on the Road“ bei einigen in fast ekstatischen Bewegungen. Vor der Bühne ist genug Platz dafür. Was eigentlich ein bisschen schade ist, denn die Jungs hätten mehr Zuschauer verdient gehabt.
Leo Lyons zeigt sich persönlich
Vor allem Leo Lyons zeigt sich von einer sehr persönlichen Seite. „Ich hab‘ die Liste“, sagt er beim Betreten der Bühne, kramt hinter seinem Verstärker das Programm des Abends hervor. Dann kracht es mit „Big Black 45“ auch schon. Der gebürtige Mansfielder stellt sich in den Ventilator, dass die weißen Jahre bei jeder Pose nur so wallen. Das hilft nicht nur gegen’s Schwitzen, sondern macht auch optisch was her. So wie ihm die ganze Zeit unter seinem ausladenden Schnäuzer das Lachen im Gesicht steht und sich das dauerhaft als Lachfältchen um die Augen festgesetzt hat, muss die Musik einfach sein Lebenselexier sein.
Joe Gooch an der Gitarre
Doch wenn auch Joe Gooch (41) an der Stelle weitaus kühler und abgeklärter zu sein scheint, liegt das wohl daran, dass er alle Emotionen ganz in seine Gitarre steckt (ja, später lächelt er sogar auch ein paar Mal). Mit seiner Fender spielt er in einem Moment die tragenden Akkorde, um dann die Melodieführung zu übernehmen, die Saiten bei „I’d Love to Change the World“ regelrecht singen zu lassen oder ganz in einem Solopart zu versinken. Lyons schaut da nicht tatenlos zu, hämmert stakkatoartige Bassläufe dazu oder schlägt wie bei der Gitarre ganze Akkorde an, um am Schluss sein Plektrum einer jungen Frau in der ersten Reihe zuzuwerfen. Es landet nicht ganz da, wo es soll. Doch schließlich findet sie es, worauf ihr Lyons erleichtert zuzwinkert.
Bei nur drei Instrumenten muss alles sitzen, was es auch tut. Damon Sawyer gibt den Takt vor und setzt dabei immer wieder mit seinen Breaks Akzente. Wenn er auf die Tom-Toms haut, knallt es richtig. Bei „Gonna Dance on Your Tombstone“ ist dabei förmlich der ganze Zorn über eine verflossene Liebschaft zu spüren. Als Elvis-Hommage spielen HSS „Blues Suede Shoes“ und „Hound Dog“ im Medley.
Straßenkreuzung in Nashville, Tennessee
Der Bandname kommt übrigens von eine Straßenkreuzung in Nashville, wie Lyons erklärt. In der Nähe frühstückte er immer mit Gooch, „bevor wir ins Studio gingen“. Dem Stadtplan nach zu urteilen, muss es sich wohl um diese Ecke handeln:
“Ich fange gleich morgen früh um 8 wieder an und stöpsel die Gitarre ein”, meint ein Fan anerkennend. Am Schluss setzt sich Lyons erschöpft, aber glücklich mit einem Glas Wein an den Ausgang und unterschreibt Platten und Shirts. Diese 24. HSS in der Harmonie war das letzte der Tour. „Wir gehen jetzt zurück nach Wales“, so der 74-Jährige. Anfang nächsten Jahres geht es dann erst einmal zu Konzerten nach Skandinavien, danach auch wieder nach Deutschland. Wer mehr HSS live will, sollte zu Hause das Album „The Road“ einlegen – das beste Souvenir für den ausgezeichneten Rockabend.