„Blessings And Miracles“ hat ohne Zweifel wunderbare Momente von Carlos Santana, aber…

Foto: Marylene_Eytier

Carlos Santana „Blessings and Miracles“: Der Mann scheint nicht von dieser Welt. Carlos Santana ist voller positiver Energie und von einer geradezu göttlichen Dankbarkeit beseelt. Ich habe einmal ein Interview mit ihm geführt und gleich gespürt, dass er voller Sanftmut und Liebenswürdigkeit ist, die bewundernswert ist.

Und diese Spiritualität wird bei der Ouvertüre „Ghost of Future Pull/New Light“ deutlich. Man erinnert sich da zwangsläufig an seine Zusammenarbeit mit John McLaughlin auf „Love Devotion Surrender“ – und ist voller Hoffnung. Und „Santana Celebration“ atmet auch noch den Sound von Woodstock und „Moonflower“… und dann beginnt „Rumbalero“. Mit seinem Sohn Salvador und Asdru Sierra startet Carlos die Tanzparty.

Leider möchte man sagen. Das 56 Minuten lange neue Album von Carlos Santana will an den Erfolg von „Supernatural“ (1999) anknüpfen, als der US-amerikanische Gitarrenzauberer mit vielen angesagten jüngeren Musikern zusammenarbeitete und einen sagenhaften Erfolg damit hatte.

Fulminanter Start

„Blessings And Miracles“ hat ohne Zweifel wunderbare Santana-Momente, aber nach dem fulminanten Start gibt es doch jede Menge dahinrieselnde, etwas belanglose Momente, die vielleicht gut für die Mainstream-Radios sind. Aber der echte Santana-Fan wird enttäuscht sein. Der Reggae „Joy“ mit Country-Star Chris Stapleton gluckert daher, auch wenn der Santana-Gitarrensound recht schön ist.

„Move“ mit Rob Thomas von Matchbox Twenty hat überhaupt keinen Esprit und nimmt überhaupt keine aktuellen Pop-Ströme auf.

Procol Harums immer noch starker Song „A Whiter Shade Of Pale“ ist überraschend gut, vor allem aufgrund der einzigartigen und starken Blues-Stimme von Steve Winwood, auch wenn das Stück wie eine Hip-Hop-Bearbeitung beginnt. Der Sound ist richtig geil, man kann sich den schön laut im Club gut vorstellen.

„Break“ und „She`s Fire“

Der Track „Break“ ist in der Tat ein Gebet. Ally Brooke singt gefühlvoll, Santana spielt eines der stärkeren Solos. „She’s Fire“ mit Diane Warren und dem Rapper G-Eazy ist ein Hip-Hop-Song mit fetten Bässen, dem Santana seine lateinamerikanische Würze hinzufügt und ihn in eine ruhige Ballade verwandelt.

Als Hardrock-Session mit schönen Wah-wah-verzerrten Gitarren gilt sicher „Peace Power“, gesungen von Corey Glover, dem Talent von Living Colour. Mit dem Song solidarisiert er sich mit der „Black Lives Matter“-Bewegung. Noch eine Spur aggressiver kommt „America for Sale“ eine Anklagehymne, die mit den Heavy Metal-Papst Kirk Hammett (Metallica) an der Gitarre und Mark Osegueda (Death Angels) am Gesang richtig Gas geben. Inhaltlich eine Klage gegen die wirtschaftliche Macht von multinationalen Großkonzernen wie Amazon.

 „Mother Yes“ kann dagegen als Classic Rock eingeordnet werden. Ganz zart wird die Stimmung auf „Breathing Underwater“, in dem Santanas Tochter Stella Santana als Sängerin und Songwriterin auftaucht. Ein weiterer Gast in diesem Song ist der vielseitige Avi Snow, der den Gesang ergänzt.

„Song For Cindy“

Mit einer romantischen Note, „Song for Cindy“, atmet Santana all seine Emotionen durch sein Gitarrenspiel aus – wie man’s von ihm kennt – und präsentiert damit seiner Ehefrau, die Jazz-Schlagzeugerin und Perkussionistin Cindy Blackman, eine Liebeserklärung. Jazz ist ein Genre, das auch auf dem Album durch das Lied „Angel Choir/All Together“ vertreten ist. Dieses Lied bringt als besondere Gäste das ehemalige Mahavishnu Orchestra-Mitglied Gayle Moran Corea sowie die kürzlich verstorbene Piano-Jazz-Legende Chick Corea mit.

Santanas Karriere ist so umfangreich und produktiv, dass es kaum Sinn macht, seine Arbeit auf einzelne Stücke zu reduzieren. Santana verschiebt die Grenzen der Musik, mischt Genres und vermittelt Botschaften, die ihm wichtig sind. Das ist sicher legitim. Als Konzept für ein Album erklingt es aber fast wie eine Songliste auf Spotify – schön, unterhaltsam und abwechslungsreich, aber ohne großes Konzept.