Fettes Brot bringen am Freitag, 4. September, ihr achtes Album „Teenager vom Mars“ auf den Markt. Darauf ist unter anderem „Alle hörn jetzt Schlager“ zu hören, ein Lied, das sich kritisch mit dem Phänomen Helene Fischer und Co auseinandersetzt. Mit Björn Beton sprach Cem Akalin.
Was habt Ihr eigentlich gegen Schlager?
Björn Beton: Also erstmal haben wir gar nichts gegen Schlager! Schlager ist ja ein weiter Begriff. Es gibt auch Lieder, die sich unter dem Begriff Schlager tummeln, die wir sehr gut finden. Es geht uns um das, was die Leute heute so hören. Das finden wir verstörend seltsam. Dass insbesondere junge Leute so ein rückwärtsgewandtes Weltbild toll finden, ist für uns befremdlich.
Wieso?
Björn Beton: Es ist doch unverständlich, dass in Zeiten, wo ganze Staaten pleitegehen, wo es Kriege gibt, aus ihrer Heimat geflüchtete Menschen bedroht werden und sich hier fürchten müssen, dass in solchen Zeiten die Leute sich von Schlagern eine heile Welt vorgaukeln lassen. Das finde ich schon fast ignorant.
Wen meinst du genau?
Björn Beton: Na, die jungen Leute, die Künstlerinnen und Künstler aus dem Schlagerbereich gut finden. Du kannst dir doch an einer Hand ablesen, wen ich da genau meine!
Nämlich?
Björn Beton: Natürlich meine ich auch Helene Fischer damit, wenn du diesen Namen hören möchtest. Ich finde es verwirrend, wenn Leute wie Andreas Gabalier solche Frauenbilder und Heimatbilder von sich geben. Das begreife ich einfach nicht.
Eine Kooperation mit „Abrissbirne Helene“ oder eine Teilnahme an „Spiel meinen Song“ von Xavier Naidoo, der ja auch unterschiedliche Leute zusammenbringt, käme für dich nicht in Frage?
Björn Beton: Never say never! Aber, ganz ehrlich, ich wüsste nicht, was mich dazu bringen sollte!
Auf „Boyfriend“ sind ja Bezüge zu Madonna und Oasis. Was ist denn daran so viel besser als das, was Helene Fischer und Andrea Berg machen? Wenn man Madonnas Texte anschaut, so tiefgründig sind die oft auch nicht!
Björn Beton: Ich sehe das anders. Davon abgesehen, ist der Song „Boyfriend“ ja einer, der in der Zukunft spielt und von der Vergangenheit handelt, wie es 2017 war. Da träumt einer, der in der Zukunft lebt, von der Vergangenheit, als es noch Madonna und eine Reunion von Oasis gegeben hat. Das hat also nichts damit zu tun, was der Schlager heute bedeutet. Im Übrigen machen Madonna und Oasis intelligente Popmusik, die eine gewisse Haltung transportieren. Das hat gar nichts mit Schlager zu tun.
Auf „Meine Stimme“ zitiert Ihr aber immerhin Marianne Rosenberg!
Björn Beton: Ich weiß jetzt nicht, ob das jetzt als „Zitat“ gelten kann.
War der Satz von dem „Namen an der Tür“ nicht bewusst gewählt?
Björn Beton: Doch, kann sein.
Ist es nicht mit Anfang 40 langsam Zeit, etwas altersmilder mit dem Schlager umzugehen?
Björn Beton: Mir geht es doch gar nicht darum, dass es keinen Schlager geben darf! Es gibt ja auch guten und interessanten Schlager!
Nämlich?
Björn Beton: „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens zum Beispiel. Der Song hatte damals, als der rauskam, eine Aussagekraft, die man heute wahrscheinlich gar nicht mehr so weiß. Es geht mir auch nicht um eine pauschale Aburteilung. Es geht nicht um die Musik, die jeder mögen kann oder nicht. Sondern es geht um die geistige Haltung, die mit manchem Schlager eben verbunden ist. Nochmal: Dass sich junge Leute ein 50er-Jahre Weltbild vorgaukeln lassen, finde ich ignorant. Ein Lied über die „wunderschöne Heimat“ zu singen, finde ich schon fast zynisch, wenn hier geplante Asylantenheime brennen.
Politisch ist Fettes Brot also? Zumindest greift Ihr auf Eure Art Themen. Da heißt es in einem Song einmal über die Deutschen: „Im All wissen es alle, ihr könnt Fremde hier nicht leiden.“ In „Ganz schön low“ werden Asylsuchende aus Rumänien und die AfD, die „Braune Sauce“ und „versteckte Ausländerfeinde“ thematisiert…
Björn Beton: Ja, sind wir. Wir waren aber schon immer politisch und bringen politische Themen unterhaltsam rüber. Und wenn man sich die Mühe macht und unseren Texten mal zuhört, dann merkt man schnell, dass wir nicht irgendwelche Parolen-Heinis sind.
Beteiligt Ihr Euch auch aktiv bei politischen Diskussionen, als wie jetzt zur Flüchtlingspolitik?
Björn Beton: Im persönlichen Rahmen schon. Es ist ja jeder einzelne gefragt, wie er helfen oder wo er sich engagieren kann. Aber auch als Band schauen wir immer wieder gerne, wo wir Zeichen setzen können, wobei ich mir keine Illusionen machen. Ich denke nicht, dass wir irgendeinen stumpfen Nazi schlauer machen, weil er ein Lied von uns hört. Was eher funktionieren kann, ist, wenn man Leute vereinen kann, etwa die, die Flüchtlinge willkommen heißen, wenn man also solchen positiven Strömungen eine laute Stimme gibt und allen zeigt: Wir sind nicht alleine.
Wie tut Ihr das? Mit Statements auf Facebook, so wie andere Künstler wie Culcha Candela etwa auch?
Björn Beton: Nein, ich fände es besser, wenn wir zum Beispiel für eine gute Sache auftreten würden, als irgendwelche Belehrungen im Internet abzusetzen. Ich bin eher dafür, Gemeinsamkeiten zu verstärken, als Leute zu erziehen.
Ihr verknüpft ernste Themen mit Spaß. Ist eine neue Form des künstlerischen Ausdrucks, die den guten alten Protestsong ablöst?
Björn Beton: Nein, den Protestsong wird es immer geben. Wir haben schon immer Stücke wie „Schwule Mädchen“ gemacht, die einerseits Entertainment sind und als Partysong wahrgenommen werden dürfen, aber durchaus auch eine inhaltliche Komponente haben. Wenn beides in einem Song ist, dann ist das doch das größte, was Popmusik schaffen kann.
Ist das neue Album „Teenager Vom Mars“ eigentlich ein Konzeptalbum?
Björn Beton: Jein. Bei der Entstehung des Albums ist uns jedenfalls so eine gewisse Perspektive aufgefallen: „Teenager Vom Mars“ war ja sowas wie eine Standortbestimmung. Wir haben uns gefragt, wie empfinden wir uns als Band in Deutschland und vor allem: Wie fühlt sich Deutschland eigentlich grade zu an, das Land, in dem wir leben? Und da hat es uns gereizt, die Perspektive einfach mal zu verschieben. Wir fühlen uns eben manchmal wie außerirdische, notgeile Jugendliche, und das gepaart mit einer gewissen Verwunderung über das, was Menschen so als erstrebenswert erachten, kann man vielleicht als so etwas wie unser Motto verstehen.
Das Album startet ja wie der Soundtrack zu einem alten amerikanischen B-Movie-Sciencefiction und eine Reverenz zu den B-52s und die Beatmusik der 1960er Jahre…
Björn Beton: Ganz so war es eigentlich nicht gemeint. Wir fanden es einfach nur toll, ein Half Time-, Double Time-Rockstück mit Punk und einem Drumcomputer zu verbinden.
Immerhin: Kann es sein, dass Ihr immer mehr Eure Liebe zum Soul und Disco-Funk entdeckt? Man hört eine Menge 70er Jahre Funk, teilweise mit Bezügen an Stevie Wonder …
Björn Beton: Definitiv! Das kann ich alles unterschreiben. Klar, das sind unsere musikalischen Bezugspunkte, neben dem Rap natürlich!
Letzte Frage: Wie reagieren Teenager vom Mars wenn sie hier landen und eine Masse von Teenagern erleben, die „Atemlos“ singen?
Björn Beton: Nochmal: Es geht mir nicht um die Musikrichtung Schlager, sondern die geistige Haltung. Angenommen also, dass die Teenager vom Mars den Inhalt des Songs verstehen, dann wären sie wohl ziemlich verwundert darüber, wie langweilig und ungefährlich die Teenager auf der Erde sind.
Fettes Brot on Tour:
20.10.15 Zürich, Komplex 457
21.10.15 Ulm, Roxy
22.10.15 A-Linz, Posthof
23.10.15 A-Graz, Orpheum
24.10.15 A-Wien, Gasometer
06.11.15 Erlangen, Stadthalle
07.11.15 Dresden, Alter Schlachthof
08.11.15 Göttingen, Stadthalle
09.11.15 Siegen, Siegerlandhalle
11.11.15 L-Esch/Alzette, Rockhal
12.11.15 Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
13.11.15 Lingen, Emslandarena
14.11.15 Kiel, Sparkassen-Arena
16.11.15 Mannheim, Maimarktclub
17.11.15 München, Zenith
18.11.15 Saarbrücken, E-Werk
20.11.15 Leipzig, Haus Auensee
21.11.15 Wiesbaden, Schlachthof
22.11.15 Bremen, Pier 2
24.11.15 Berlin, Tempodrom
25.11.15 Münster, MCC Halle Münsterland
26.11.15 Stuttgart, Porsche Arena
27.11.15 Braunschweig, Stadthalle