Beth Hart: Kraftpotenzial mit Charakter

Beth Hart spricht mit Cem Akalin über ihr Leben. Foto: Greg Watermann
Beth Hart spricht mit Cem Akalin über ihr Leben. Foto: Greg Watermann
Beth Hart spricht mit Cem Akalin über ihr Leben. Foto: Greg Watermann

Selbst wenn sie nicht singt, hat sie eine beeindruckende Stimme – rauchig, feurig, kraftvoll. Die amerikanische Blues- und Rocksängerin Beth Hart spielt in ihrer Heimat längst vor ausverkauften Hallen. Ihre Konzerte sind schweißtreibend, vor allem für die agile Kalifornierin, die alle Facetten ihres Inneren zeigt – vom leise schnurrenden Raubkätzchen bis zur Rockröhre. Wenn sie Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ interpretiert, dann steht sie dem Kraftpotenzial eines Robert Plant nicht nach.

Mit ihrem Album „Screaming for My Supper“ erreichte sie 1999 erstmals ein größeres Publikum, und dennoch folgte ein tiefer Fall, der Absturz einer Tablettenabhängigen und Alkoholikerin – inklusive Gefängnisaufenthalt. Ihr Manager und späterer Ehemann Scott Guetzkow half ihr heraus aus dem Strudel. Seitdem geht es stetig bergauf. Im vergangenen Dezember spielte sie mit Jeff Beck vor Präsident Obama und seiner Frau, das gerade erschienene Album „Seesaw“ voller Blues-Klassiker mit dem Gitarrenvirtuosen Joe Bonamassa erreichte Platz Eins der amerikanischen Bluescharts, und auch ihre CD „Bang Bang Boom Boom“ mit eigenen Songs läuft hervorragend. Am Dienstag eröffnet sie die Konzertreihe im Kunst!Palast in der Gronau. Wir erreichen sie im französischen Deauville, wo sie gestern Abend auftrat. Mit der 41-Jährigen sprach Cem Akalin.

J&R: Es läuft gut für Sie. Sie sind gefragt wie nie! Und unglaublich produktiv.

Beth Hart: Stimmt. Ich habe gerade wirklich eine großartige Zeit.

J&R: Neben Ihren eigenen Alben hatten Sie eine ganze Reihe von interessanten Gemeinschaftsprojekten, etwa mit Jeff Beck, Joe Bonamassa, Slash und Buddy Guy. Woher nehmen Sie die Kraft?

Hart: Wissen Sie, ich hatte schon immer unheimlich viel Energie, genau wie mein Mann und Manager Scott, mit dem ich jetzt 13 Jahre verheiratet bin.

J&R: Es ging Ihnen nicht immer so gut: Tablettenmissbrauch, tiefer Sturz, und dann haben Sie sich wieder herausgezogen. Was bedeutet diese Erfahrung für Sie und Ihre Musik?

Hart: Sucht ist zunächst einmal eine Krankheit. So einfach ist das. Und wenn du sie hast, musst du ständig daran arbeiten, ihr nicht wieder zu verfallen. Ich bin seit 13 Jahren davon weg, und wenn es mal nicht so perfekt läuft, gehe ich zu den Treffen. Das hat eigentlich nichts mit der Musik zu tun.

J&R: In Ihrer Stimme spiegelt sich das irgendwie wider – diese unglaubliche Power mit Maserungen kleiner Brüche … Haben Sie früher anders gesungen?

Hart: Was meinen Sie mit früher?

J&R: Als Sie jünger waren.

Hart: Ich war schon eine Alkoholikerin, als ich jung war, schon als Teenager. Der Missbrauch von Alkohol und so weiter fing ganz früh bei mir an. Von daher … ich habe schon immer so gesungen.

J&R: Scott Guetzkow hat Sie erst aus diesem Kreislauf herausgeholt.

Hart: Oh, Scott ist unglaublich. Sehr einfühlsam, liebevoll, absolut loyal. Er hat alles mit mir durchgemacht, die ganze Krankenhausarie, war immer an meiner Seite. Er liebt mich. Er ist mein bester Freund, ein wunderbarer Mann.

Hart Bonamassa

J&R: Wenn Sie Tina Turners „Nutbush City Limits“ singen, denke ich, gleich brechen die Wände ein. Was für eine Kraft! Sie haben auf dem Album „Seesaw“ eine Menge Klassiker aufgenommen. Sie lassen sich von den großen Vorbildern nicht einschüchtern, oder?

Hart: (lacht) Oh, doch. Und wie! Ich bin froh, dass ich nicht geahnt habe, dass „Nutbush City Limits“ auf der Aufnahmeliste stand. Kevin hat mich praktisch am letzten Aufnahmetag damit überrascht.

J&R: Kevin Shirley, der Produzent.

Hart: Genau! Er sagte: Hier, lern das Stück, in einer halben Stunde nehmen wir auf. Ich habe gesagt: Mein Gott, das kann ich nicht in einer halben Stunde einüben. Und er: Tu’s jetzt! Ich bin froh, dass wir den Song aufgenommen haben.

J&R: Auf dem Album ist auch eine fantastische Interpretation von Melody Gardots „If I tell you I love you“ drauf. Warum dieser Song?

Hart: Ich liebe Melody Gardot! Ich bin ein echter Fan. Ihre Stimme, ihr Timing – sie ist so cool. Sie ist nicht nur eine fantastische Sängerin, sondern auch tolle Songwriterin.

J&R: Sie können auch Jazz! Schon mal daran gedacht, ein Jazz-Album aufzunehmen?

Hart: Habe ich tatsächlich. Ich bin im Gespräch mit dem Produzenten und Arrangeur Rob Mathes. Ich bin gespannt, ob’s klappt.

J&R: Sie werden immer wieder mit Janis Joplin verglichen. Aber ich denke da mehr an Roger Chapman, vor allem wenn Sie Ihr Vibrato einsetzen, Etta James, Koko Taylor und Juliette Gréco. Was meinen Sie?

Hart: Sie haben recht. Ich liebe Janis zwar auch, aber sie war in so vielen Dingen anders.

 

Zur Person

Beth Hart (41) stammt aus Los Angeles. Ihre Musik ist beeinflusst von Rock, Blues, Gospel, aber auch dem Jazz. In diesem Jahr brachte sie zwei Alben heraus: „Bang Bang Boom Boom“ und „Seesaw“ mit Joe Bonamassa. Sie tritt am Dienstag, 23. Juli, ab 19 Uhr im Kunst!Palast auf.