Beachtlicher Auftritt: Simon Phillips mit „Protocol“ in der Harmonie

Simon Phillips in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Simon Phillips hat schon ein paar graue Strähnen in der Lockenpracht, aber der jugendliche Schalk strahlt immer noch aus den wachen Augen heraus. Der Drummer, der 22 Jahre lang den Sound von Toto mitprägte, zeigte am Dienstag in der Bonner Harmonie, dass die Lust und die Neugierde an guter Musik, in seinem Fall am Fusion, noch längst nicht erloschen ist.

Von Cem Akalin

Simpon Phillips in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Simpon Phillips in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Was der 59-jährige gebürtige Londoner da mit seiner Projektband „Protocol“ bot, kommt aus einer eigenen Liga – das betrifft den unglaublich gut austarierten Sound, die Kompositionen der Stücke, aber auch die Virtuosität jedes einzelnen Musikers.

Klar, ist Phillips der Star auf der Bühne, deren linke Hälfte er mit einer Batterie an Trommeln, Toms und Becken besetzt hat. Doch er ist nicht der Drummer-Bandleader, der sich jede Minute in den Vordergrund spielen muss. Im Gegenteil, er lässt den anderen Musikern viel, viel Freiraum, um sich zu präsentieren.

Zum Beispiel Andy Timmons, der schon aufgrund der Ibanez-Gitarren auch mal klingt wie Steve Vai, jedenfalls vom Sound her, im Spielstil hört man seine Vorbilder Steve Lukather und Larry Carlton, bei klaren Sounds und Akkordwechseln auch Robben Ford  heraus. Aber im Zusammenspiel haben es Timmons und Phillips sehr gut raus, musikalische Effekte auszuloten: Da lässt es Phillips schon mal ordentlich über ein simples Gitarrenthema wirbeln, oder Timmons lässt die flinken Finger über den Gitarrenhals flitzen, während der Chef brav den Beat hält.

Andy Timmons. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Andy Timmons. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Und was hat Ernest Tibbs für einen satten warmen Basssound! Dass er beim Saitenzupfen immer wieder an den Fingern leckt und manchmal wie ein Leguan in Trance den Kopf bewegt, spielt bei diesen traumhaften Läufen des Mannes aus Los Angeles ja keine Rolle. Vorbilder dürften ganz sicher Jaco Pastorius, Stanley Clarke und Alphonso Johnson sein. Den virtuosen Mann an den vier Saiten hatte schon Natalie Cole für sich entdeckt.

Steve Weingart fällt ja erstmal wegen seines langen Ziegenbartes auf, aber der ebenfalls aus LA stammende Musiker ist ein begehrter Keyboarder in der Szene. Bei Protocol spielt er einen Stil zwischen Joe Zawinul und Chick Corea in seiner Return To Forever-Phase.

Ernest Tibbs. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Ernest Tibbs. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Die Stücke, die das Quartett an diesem Abend spielt, sind so wechselhaft, dass es einem nie langweilig wird. „Soothsayer“ ist eines von den ruhigeren Kompositionen, die eben auch von einem Robben Ford sein könnten, mit einem rollenden Rhythmus und einer sehr melodischen Gitarre, „Catalyst“ startet mit entspannten Bubbles vom Keyboard, einem Cobham-artigen Schlagzeug, gefolgt von Explosionen, Brüchen und verzögerten Phrasen, gegenläufigen Formeln von Gitarre und Keyboard — wie man es von Return To Forever kannte.

Ja, vieles von dem, was es an diesem Abend zu hören gab, lässt einen schon an die Fusion-Szene der 1970er Jahre erinnern. Ende der 1970er Jahre tauchte plötzlich ein junger Schlagzeuger auf: Simon Phillips. Ein junger Kerl mit einem sehr eigenständigen Sound, hart präzise, sehr präsent, ein Timing wie ein Uhrwerk und dabei unglaublich dynamisch, nicht verspielt. Auch an diesem Abend zeigt er, mit welcher Präzision und Intensität er sein Schlagwerk spielen kann, dabei aber niemals zum emotions- und gefühllosen Technokraten wird.

Steve Weingart. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Steve Weingart. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Dieser Schlagzeuger musste ja auch damals einfach auffallen. Zuerst kam Phillips mit einer Band auf die große öffentliche Bühne, die sich „801“ nannte. Eine Band, die vor allem aus Mitgliedern von Roxy Music bestand, etwa Phil Manzenera und Brian Eno. Das Ganze war ein Experimental-Rock der Extraklasse, eben mit einem unglaublichen Schlagzeuger. Und dann engagierte ihn eine weitere Legende: Jack Bruce. Er brachte ein Album raus, das nannte sich „How’s Tricks“. Danach ging es für das junge Genie nur noch aufwärts. Er erweckte Aufmerksamkeit bei vielen Musikern, die ihn engagierten. Letztendlich übernahm er das Schlagwerk bei Toto. 22 Jahre lang prägte er den Sound dieser Supergroup. Er gilt als das, was man einen Modern Drummer nennt. Er ist kein Schlagzeuger, der einfach nur den Beat hält, sondern einer, der mit ungemein vielen Farbtönen den Sound einer Band mitbestimmt.

Ein wunderbarer, ja beeindruckender Abend mit Protocol, die ihr drittes Album vorstellte und bewies, dass sie letztes Jahr nicht umsonst bei den Independent Music Awards den Preis in der Kategorie „Jazz Instrumental Album“ erhielt.