Vorsicht, Limp Bizkit ist in der Stadt! Die Nu-Metal-Band aus Jacksonville, Florida, machen keine Musik für Weicheier. Auch wenn sich Frontmann Fred Durst am Vorabend auf dem Kunst!Rasen noch als Supertramp-Fan outet. Aber, so gibt er zu, er sei gerade in einer sentimentalen Stimmung. Vielleicht wegen seines 48. Geburtstages, den er in Bonn gefeiert hat? Wie auch immer. Wenn das, was er am Dienstagabend auf der Bühne abzieht, in einer sentimentalen Stimmung geschieht, dann möchte ich ihn mal erleben, wenn er RICHTIG wütend ist. Wie heißt es im Schlusslied? „’Cause hate is all the world has ever seen lately!“
Von Dylan Cem Akalin
Der Staub klebt auf der nassen Haut, Tattoo reibt sich auf Tattoo, Schweiß mischt sich mit Schweiß. Arme strecken sich, Körper fliegen gegen Körper. Du lässt dich treiben, wirst gedrückt, geschoben, geschlagen, weichst aus, wirst gequetscht. Du wirst nur noch von anderen Körpern gestützt, wir singen mit einer Stimme. Singen? Grölen. „Holdin‘ the gold it’s so gold it’s so golden y’all/Golden cobra…“ Wer die Musik von Limp Bizkit fühlen will, muss sich mitten rein begeben in den Moshpit. Wir lachen, wir singen und versuchen irgendwie aufrecht stehen zu bleiben.
Als die Band bei „Purple Rain“ vom Band auf die Bühne tritt, grölen 4200 Kehlen gleich mit. Fred Durst hat sein Gesicht hinter einem Bart versteckt. Der Schlapphut auf dem Kopf. Er trägt weite Goahosen, natürlich rote Handschuhe und ein T-Shirt von Derek Carr. Der Quarterback der Oakland Raiders trägt die 4 in Würdigung der Leistungen seines Vorbilds, Brett Favre. Vier. Das Symbol für die Elemente. Fred Durst trägt nichts ohne Bedeutung.
Wes Boland, der schweigsame Exzentriker
Wes Borland sägt an seiner Gitarre. Die Gesichtszüge sind nicht zu erkennen. Die obere Hälfte des Kopfes ist komplett weiß, alles andere schwarz. Er trägt schwarze Kontaktlinsen und sieht wieder aus, als wäre er von einem anderen Planeten. Oder ein Roboter. Was auch immer durch seinen Kopf gegangen ist, als sich der schweigsame Exzentriker für diese Maskerade entschied – er ist jedenfalls immer für eine Überraschung gut.
Wes Borland sorgt auf der Bühne für die nötigen Brachialriffs, für rätselhafte Sounds, für abgründige Melodien. Doch unter all der Schminke und den Verkleidungen, muss auch sowas wie Humor stecken. Zu „Hot Dog“ spielt er das bekannte Stadion-Thema der White Stripes an.
Überhaupt: Die Band zitiert „Jump Around“ von House Of Pain, Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“, Slayers „South Of Heaven“, Rammstein oder „Sweet Child Of Mine“ von den Guns’n’ Roses. Und sogar George Michaels „Faith“ erklingt in der schwülen Nacht. Da passt „Killing in the Name“ von Rage Against the Machine vielleicht schon eher.
Die Frage nach dem Leben
Mit „Rollin’“ feuert die Band die Menge weiter an, um dann für eine Limp Bizkit’sche Verschnaufpause zu sorgen. Er fühle sich irgendwie geil, feixt Durst. Er fände es gut, wenn das Publikum auch ein wenig sexuelle Begierde spüren würde. DJ Lethal habe für dieses Gefühl jedenfalls das passende Kondom, und schon spielt der Mann an den Turntables die schleppenden Rhythmen zu „Nookie“ an. Das Lied über das Mädchen, das mit den Geld des Kerls abhaut.
Und dann geht es weiter im „Limp Bizkit style“. Fette Gitarren, dröhnende Bässe, kratzende Sounds, dieser dunkle Mix aus Rap-Reimen und Gesang, irgendwie böse, zornig, aber auf starke Art verzweifelt, mit träumerischem Blick auf Abgründe und Ungläubigkeit. Mit stoischer Anklage auf Unwissenheit, Abgestumpftheit und Gleichgültigkeit, auf Unveränderlichkeiten. „You give a fuck about me and my generation.“ Doch die zentrale Frage dieser Band ist die nach dem Geheimnis des Lebens, nach dem Gefühl von Leben: „Does anybody really know the secret?/Or the combination for this life and where they keep it?“ Und das macht diesen Wahnsinn aus, der da zum Ausdruck kommt. Mit jeder Wucht aus den Lautsprechern.
„My Way“ kommt mit der unvarmherzigen Kraft eines Düsentriebs auf der Autobahn, der Who-Song „Behind Blue Eyes“ wird begleitet von Rollen Klopapier, die ins Publikum fliegen, wir hören einen neuen Song aus dem in kürze erscheinenden Album (das erste seit 2011!) und werden mit dem Soundtrack zu „Mission Impossible“ „Take A Look Around“ in die Nacht entlassen – und dem Rausschmeißer „Forget about Me“ von den Simple Minds. „This is one Planet“, ruf Durst noch. Dann ist er weg. Nach nicht mal anderthalb Stunden. Viel zu kurz! Aber wohl das Wuchtigste, was der Rasen je erlebt hat!