Bekenntnisse einer Überlebenden: Beth Hart

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Beth Hart hat mit BETTER THAN HOME ein sehr persönliches Album vorgelegt. Mit Cem Akalin spricht sie über Liebe und die Narben der Vergangenheit. Foto: Greg Watermann

 

Sie ist eine Kraftmaschine. Auf der Bühne jedenfalls, und ihre leicht rauchige, glühende Stimme überzeugte auch Leute wie Jeff Beck, Slash, Buffy Guy und Joe Bonamassa, um mit ihr Songs aufzunehmen. Bonamassa kündigte unlängst an, ein drittes Album mit der amerikanische Blues- und Rocksängerin Beth Hart aufzunehmen. Doch jetzt erscheint erstmal ihr neues Album „Better Than Home“ (10. April 2015), am 17. April ist sie live im Kölner E-Werk zu sehen. Die 43-Jährige hat nie einen Hehl aus ihren Abstürzen gemacht. Tablettenabhängigkeit, Alkoholismus schon im Teenageralter, Knastaufenthalt. Beth Hart ist eine Überlebende. Auch darum geht es in ihrem neuen Album. Mit ihr sprach Cem Akalin.

 

J&R: Beth, das ist ja ziemlich persönliches Album geworden – mit ungewöhnlich vielen Balladen. Wie kam’s dazu?

Beth Hart: Es waren eigentlich die Produzenten Michael Stevens und Rob Mathes, die das angeregt haben. Sie haben mich herausgefordert, diese extrem persönliche Platte zu machen. Am Ende hatte ich 40 Songs zusammen. Und der Kampf war nicht nur ein emotionaler, weil ich mich meinen Gefühlen wirklich stellen musste, sondern auch die Auswahl. Ich bin den beiden jedenfalls dankbar, dass sie so hartnäckig waren. Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis – aber auch froh, dass es vorbei ist.

J&R: Warum?

Hart: Weil mein Herz sich jetzt ein wenig ausruhen kann. Ich bin jetzt endlich wieder „on the road“ und kann Spaß haben.

J&R: Der Titel “Better Than Home“ sagt ja auch einiges aus…

Hart: Er symbolisiert die Angst in mir. Er steht dafür, nicht davon zu laufen, sondern sich seinen eigenen Ängsten zu stellen.

J&R: Du startest dein neues Album mit einer positiven Message. In den ersten beiden Songs geht es praktisch darum, dass das Leben immer weiter geht, egal, was passiert. Du sagst: Nach jeder Träne kommt auch ein Lächeln.

Hart: Ja, hinter jeder Angst steht ein Glaube, nach jeder Träne kommt Freude. Sie gehören zusammen.

J&R: Und dennoch klingen die Songs nicht deprimierend. Im Gegenteil. Da scheint viel Liebe durch.

Hart: Danke, das war auch das Ziel. Weißt du, als ich die Stücke geschrieben habe und ich in meinem Schmerz stand, konnte ich mich auch irgendwie verstecken. Deshalb ist der Titel ja auch so perfekt: Wenn du dich vor deinem Schmerz versteckst, kannst du nicht leben. Du musst dich ihm stellen, du musst aufstehen, hinausgehen und leben.

J&R: “Tell Her You Belong To Me” ist ein Song an deinen Vater. Da geht es drum, dass deine Stiefmutter dir den Vater weggenommen hat. Sie ließ keinen Kontakt zwischen euch zu. Das alles scheint Narben hinterlassen zu haben.

Hart: Auf jeden Fall! Aber mein Vater ist mittlerweile zurück in meinem Leben. Ich liebe ihn so, und es war unheimlich hart für mich, diesen Song zu schreiben. Zuerst hatte ich die Musik, die Melodie, und ich habe nicht verstanden, warum ich so unheimliche Schwierigkeiten damit hatte, den Text zu schreiben. Als der Song geschrieben war, da erkannte ich, dass es nicht darum ging, dass ich böse auf meinen Vater gewesen bin, sondern darum, dass ich nie aufgehört habe, die Beziehung zu ihm aufrechtzuerhalten, dass ich immer daran geglaubt habe, dass er eines Tages wieder zu mir kommen würde.

J&R: Du machst deinem Vater überhaupt keine Vorwürfe in dem Song.

Hart: Nein darum geht es auch nicht. Deshalb sind auch so viel Hoffnung und Stärke in dem Lied.

Beth Hart Better than Home
Balladen überwiegen in Beth Harts neuem Album.

J&R: Ein anderer Titel richtet sich an deine Mutter. Er hat etwas von einem Brief.

Hart: Der Song ist so wichtig für mein Leben, weil er mir bewusst macht, wie gut meine Mutter immer zu mir war. Es ist ja auch solch ein Segen, dass meine Mom noch lebt und ich ihr sagen kann, wie dankbar ich ihr für alles bin.

J&R: Bei „Trouble“ geht wieder die Post ab! Was für eine Kraft, die Sie da ausstrahlen! Es zeigt die beiden Seiten der Beth Hart: die Verletzliche, den Menschen mit seinen Fehlern und Schwächen auf der einen und die Powerfrau auf der anderen Seite. Geht es dir auch darum?

Hart: Nein, nicht unbedingt. Ich habe ja unter 40 Songs diese zehn ausgewählt. Und dabei ging es darum, welche gut zusammen passen. In „Trouble“ geht es ja eher humorvoll drum, Spaß zu haben. Ein Song für „böse Mädchen“, aber mit einem gewissen Augenzwinkern. Er handelt von einer Frau, die eigentlich keine Schwierigkeiten machen will, aber dennoch einen Heidenspaß daran hat – es gibt Parallelen zu mir. Ich will mich da aber nicht zu ernst nehmen. Der Song setzt auch einen frischen Akzent auf einem sonst sehr ernsthaften Album. Ich dachte, es wäre schön, mit „Trouble“ auch etwas Leichtes und Spaßiges auf dem Album zu haben.

J&R: In „Mechanical Heart“ geht es ja auch irgendwie darum, dass du deine Fehler hast, aber alles für deinen Liebsten tust. Eine schöne Liebeserklärung.

Hart: Der Song ist an meinen Mann gerichtet.

J&R: Deinen Manager Scott Guetzkow.

Hart: Er ist immer für mich da und steht wirklich bedingungslos hinter mir. Er ist ein Mann, auf den man sich absolut verlassen kann. Und ich bin in vielem so das Gegenteil von ihm. Ich habe so viele Schwächen – im Gegensatz zu ihm, was mich manchmal echt frustriert. Ich möchte ihm dieselbe Liebe geben, wie er sie mir entgegenbringt. Aber das Schöne an der Aussage dieses Songs ist, dass egal wie sehr ich mich auch anstrenge, ihm diese Liebe zu zeigen, es gibt keinen Zweifel daran, dass es mir misslingen wird, auch nur annähernd sein Level zu erreichen. Aber die Liebe wird immer größer, mit jedem Moment, mit jedem Jahr. Das ist das worum ich Gott bitte: Er möge mir helfen, eine bessere Ehefrau, ein besserer Freund zu sein. Darum geht es in diesem Lied.

J&R: Wow, das klingt wirklich nach großer Liebe!

Hart: Er ist das Beste, was mir je passiert ist! Er ist einmalig!

J&R: Der Titeltrack ist ja schon fast sowas, wie eine Erklärung des gesamten Albums. Du singst: „I am not chasing the ghost of the past“ (Ich jage nicht den Gespenstern der Vergangenheit hinterher). Ich denke, dass man solch ein Album wohl nur machen kann, wenn man mit seiner Vergangenheit im Reinen ist. Bist du es?

Hart: Oh, ich glaube nicht, dass ich jemals mit allem durch bin, was ich erlebt habe. Ich habe ja immer noch meine Narben und meine Ängste. Du kannst ja nur mit allem durch sein, wenn man deine Erinnerungen löschen würde. Nein, der Unterschied ist, dass all diese Erlebnisse so viel ausgemacht haben. Was ich heute bin, ist das Ergebnis all der Narben und Ängste. Ich kann sie heute aber als Geschenk akzeptieren, weil sie mich auch stark gemacht haben. Sie haben mich zu meinem Glauben gebracht. Sie haben mir die uneingeschränkte Liebe gebracht. Das Komische ist: Das war der allerletzte Song, den ich geschrieben habe. Der Titel passt perfekt auf das Album, weil er zeigt, dass du in ein helleres Licht treten kannst, wenn du dich dem Dunklen stellst.

J&R: „St. Teresa“ hat etwas von einem Gebet. Übrigens eines meiner Lieblingsstücke auf dem Album. Worum geht es da?

Hart: Es geht um einen Mann, der in der Todeszelle sitzt und eine Frau, die sich um ihn kümmert und sich in ihn verliebt. Es ist eine Annäherung an die Heilige Teresa, ein Sinnbild für Gnade. Wenn du jemandem Liebe entgegenbringst, jemandem, von dem jeder glaubt, dass er sie nicht verdient, dann kannst du jedem Liebe schenken. Es hat natürlich auch mit meinen eigenen Gedanken zu tun, mit dem, was ich von mir selbst gehalten habe. Es gab eine Zeit, wo ich mich geschämt habe, wo ich überzeugt war, dass ich ein Mensch war, der es nicht verdiente, geliebt zu werden, oder Musik zu machen, oder überhaupt glücklich zu sein. Natürlich ist das absolut falsch, sowas zu denken.

J&R: Du bist sehr gläubig, oder?

Hart: Ja, sehr. Ich bin früher nie in die Kirche gegangen, heute tue ich das schon. Ich genieße es sehr, weil es mir Frieden bringt. Ich bete immer zu Gott, was sicherlich damit zu tun hat, dass ich so viele Ängste in meinem Leben hatte. Nach all den Abhängigkeiten von Drogen und Alkohol bin ich überzeugt, dass mich der Glaube am Leben gehalten hat.

J&R: „We’re Still Living In the City” – wunderschöne Bilder. Du erzählst von einem Ehepaar, und es klingt wie ein wehmütiger Brief. Wen hattest du da in deinen Gedanken? Oder ist es eine Sehnsucht nach dem einfachen Leben?

Hart: Wow, das ist interessant. Für mich war das eher eine Auseinandersetzung mit den vielen Geschichten, die mein Mann und ich durchlebt haben. Ich bin wirklich verrückt nach ihm, und meine Liebe für ihn wird immer größer. Und mit dem Song wollte ich ausdrücken, dass sich daran nichts ändern wird, egal was passiert.

 

Beth Harts neues Album Better Than Home erscheint am 10. April 2015,
am 17. April ist sie live im Kölner E-Werk zu sehen.

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