Drei Seelen, ein Blues: Bonnie Raitt, Warren Haynes und Henrik Freischlader verzaubern den KunstRasen Bonn

Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Ein lauer Sommerabend voller Magie: Bonnie Raitt, Warren Haynes – mit Jazzsaxophonist Greg Osby – und Henrik Freischlader lieferten beim Open Air auf dem KunstRasen Bonn ein berührendes, musikalisch herausragendes Konzert. Zwischen Southern Rock, Blues und Soul, zwischen Virtuosität und tiefem Gefühl zeigte sich die ganze Bandbreite des Genres. Nur einige rücksichtslose Raucher trübten die Atmosphäre – und erinnerten daran, dass Rücksicht auch Teil echter Fankultur ist.

Von Dylan C. Akalin

Mann, was für ein Musikabend auf dem KunstRasen Bonn! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendjemanden unter den leider nur 1600 Fans gegeben hat, die nicht zufrieden und mit glücklichem Lächeln im Gesicht den Heimweg angetreten sind. Was Bonnie Raitt und Warren Haynes, aber auch Henrik Freischlader, mit ihren Bands an diesem Abend präsentiert haben, war erstklassig, ein Abend voller musikalischer Höhepunkte, magischer und berührender Momente. Und für mich die Perle auf der Krone: Warren Haynes hatte den fantastischen Saxophonisten Greg Osby in der Band, der uns erst vor wenigen Wochen beim Jazzfest Bonn in der Kreuzkirche so begeistert hat.

Respektlose Fans

Dennoch: Eins muss ich noch loswerden: Dass sich Raucher nicht an die Bitte der Künstlerin halten, wenigstens vor der Bühne nicht zu rauchen, was sie mehrmals äußert, kann ich nicht verstehen. Respekt und Rücksichtnahme sind von einigen Rauchern offenbar nicht zu erwarten. Da nützt auch kein Käppi oder T-Shirt von Bonnie Raitt. Echte Fans kommen einer Bitte nach. Aber bei solchen Open-Air-Ereignissen merkt man doch als gezwungener Passivraucher, dass die Nichtrauchergesetze doch enger gefasst werden müssten. Ich persönlich finde es bisweilen auch eine Zumutung, von allen Seiten zugequalmt zu werden.

Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Back to the music: Wir erleben an diesem Abend drei Künstler*innen, drei Temperamente, drei Ansätze, aber ein gemeinsames Fundament: der Blues steht hier als innere Haltung, vielleicht sogar als Statement im Mittelpunkt.

Henrik Freischlader auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Den Auftakt bestreitet der Wuppertaler Henrik Freischlader mit seinem Trio. In nur dreißig Minuten gelingt es dem Gitarristen, die Zuhörer mit lässiger Souveränität und einem ziemlich coolen, gelegentlich gar aggressivem Gitarrenansatz in seinen Kosmos zu ziehen – dynamisch, handwerklich brillant, nie auf Effekt bedacht. Am 19. April 2026 ist der Gitarrist mit seiner Band in der Harmonie Bonn zu Gast, Tickets sind ab sofort erhältlich.

Warren Haynes: Der große Atem des Southern Rock

Für mich gehört Warren Haynes zu den großartigsten Gitarristen/Musikern der Gegenwart und ist darüber hinaus ein überaus sympathischer Mensch, der keinerlei Starallüren hat. Die Energie der Band war vom ersten Takt an da, eine Energie, die nichts Drängendes hat, aber alles durchdringt. Weggeblasen hat uns schon beim Opener „Man In Motion“ ja wohl Kevin Scott. Der bärtige Mann in der Latzhose sieht aus, als käme er grad aus der Scheune seiner Farm in Georgia und freue sich auf sein Feierabendbierchen auf der Veranda. So entspannt er auch die ganze Zeit wirkt, der Kerl spielt einen Bass mit einem Sound, als würde eine Lawine ins Tal stürzen – mit einer erschreckend eleganten alles niederwalzenden Wucht. Kein Wunder also, dass seine Mitspieler sich alle ziemlich ins Zeug legen.

Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Allen voran natürlich Warren Haynes, der jahrzehntelang an der Seite der Allman Brothers und mit Gov’t Mule Maßstäbe setzte. Er spielt keinen Ton zu viel. Aber wenn er spielt, brennt jede Note. Sein bestes Solo an diesem Abend bei „Dreams“. Zuvor hatte Greg Osby sein an diesem Abend längstes Solo gespielt, erst herantastend, dann immer weiter die Grenzen der Freiheit austestend – und bekam zu Recht tosenden Beifall vom Publikum.

So ist der Gitarrenstil von Warren Haynes

Haynes‘ Solo dauert auf diesem Stück von den Allman Brothers gut sechs Minuten, und keine Sekunde war vergeudet. So ruhig und fast unbeweglich, wie er da immer steht, sieht er ja aus, als kümmere ihn nichts, was um ihn geschieht. Haynes‘ Gitarrenspiel ist vergleichbar mit guten Reden von Politikern, die echt was zu sagen haben, deren Argumentation man voller Spannung und Freude folgt.

Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Das Solo beginnt sachte pendelnd zwischen den Harmonien, die die Band ihm ausbreitet. Haynes spielt konzentriert, findet musikalische Figuren, die er behutsam entwickelt, gestaltet, umformt, sie wieder auflöst und sich, wie in einem mysteriösen Haus voller geheimnisvoller Räume, einen neuen Tür zuwendet. Manchmal hat man den Eindruck, dass er selbst überrascht ist, was er da vorfindet, nimmt das Tempo raus, er geht ein paar Schritte auf den Bassisten zu, dreht sich zum Organisten um, man erwartet schon, dass das Solo beendet ist, da zieht er nochmal kräftig das Tempo an, der Bass grollt, die Orgel schmatzt, die Drums knallen. Haynes lässt die Gitarre heulen, quietschen, die Finger fliegen übers Griffbrett, nochmal ein kleines Zwischenspiel, eine kleine Pause und dann endet der Song mit einem gemeinsamen gewaltigen Schlusspunkt. Die Menge tobt.

„Go Down Swinging“ ist so ein Stück, das dies Band als Gesamtwerk gut präsentiert. Der Klang ist dicht, der Rhythmus locker. Die melodiebetonte Gitarre passt zu Haynes‘ sehnsüchtigem Gesang bei „Banks of the Deep End“, einer schönen Nummer von Gov’t Mule. Gregs Solo bei „Power And The Glory“ hat einen Wahnsinnssound, das Keyboardsolo von John Medeski bei „Invisible“ einfach hinreißend. Überhaupt kommt das Stück mit vielen Jazzelementen toll rüber. Mit „Soulshine“ von der Allman Brothers Band beschließt er den Auftritt – ein Song, der in dieser livehaftigen, entschlackten Version nicht nur nostalgisch wirkt, sondern wie ein Trostversprechen.

Bonnie Raitt: Eleganz ohne Eitelkeit

Bonnie Raitt betritt um 20.15 Uhr die Bühne – ohne Spektakel, in blauer Bluse mit einer Art Fischschuppenmuster und schwarzer Hose. Hinter ihr eine romantische wilde Seelandschaft, die blau und rot im Abendlicht ruht. Das erste, das auffällt: Die 75-jährige Künstlerin hat immer noch eine total jugendliche Stimme. Ihre ganze Haltung auf der Bühne strahlt Erfahrung, aber auch Wärme und Professionalität aus. Ihre Fender Gitarre mit Naturholzoptik hat Schrammen und klingt schlank, präzise, niemals aufgesetzt. Ihre Fähigkeiten als hervorragende Slidegitarristin demonstriert sie mehrmals heute Abend. Ihre charakteristische Stimme ist leicht angeraut, tragfähig, voll innerer Klarheit.

Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Diese Frau war und ist ein Vorbild für so viele Künstlerinnen, egal ob sie Susan Tedeschi heißen oder Meghan Parnell. Und es wird schnell klar, warum. Sie macht ihr eigenes Ding, sie hat ihren eigenen Stil, egal ob sie das soulige „Right Down the Line“ von Gary Rafferty singt oder die Chicago-Blues-Nummer „Women Be Wise“ von Sippie Wallace, zu dem übrigens ihr Überraschungsgast Jon Cleary ein Klaviersolo spielt, das direkt aus der Prohibitionszeit aus einer Spelunke in Chicago zu kommen scheint. Umwerfend! Zuvor hatte Jon Cleary, der britisch-amerikanische Pianist mit New-Orleans-Wurzeln, schon beim „Unnecessarily Mercenary“ einen Hauch von French Quarter nach Bonn gebracht.

„Something To Talk About“

Bonnie hat ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte geschrieben, und doch kommen ihre älteren Songs nicht retrospektiv rüber, sondern in vollem Bewusstsein der Gegenwart. „Thing Called Love“ bringt den späten Karriereschub der 80er zurück, aber ohne Nostalgie. Der Song hat Kraft, weil er sich selbst nicht wichtig nimmt. „Something To Talk About“ indes kommt etwas spröder als früher rüber, die ironische Leichtigkeit bleibt hier etwas auf der Strecke.

Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Einen politischen Seitenhieb kann sich die stets politisch aktive Musikerin auch nicht verkneifen: Mit lakonischem Witz ruft sie dem Publikum zu: „Thank you for taking us away from America“, sagt sie, und der Kontext ist klar. Raitt kritisiert nicht, sie kontextualisiert.

Die Kunst des Teilens

Aber auch die ernsten Töne haben ihren Platz. „Just Like That“ erzählt die Geschichte einer Organspende – ruhig, fast stockend, ohne jede emotionale Überhöhung. „It feels allright doin‘ it tonight“, hatte sie den Song angekündigt. Es ist die Geschichte einer Mutter, die das Herz ihres bei einem Unfall gestorbenen Sohnes für eine Transplantation freigibt und den Mann gegebnet, der es erhält. Darauf folgt der Gospelsong „Hear Me Lord“ von Oliver Mtukudzi, einer der bekanntesten Musiker aus Simbabwe.

Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Später folgt das zärtliche „Angel From Montgomery“, das sie ihrem Freund und Weggefährten John Prine widmet und zu dem sie auf der akustischen Gitarre spielt. Es ist ein stiller, großer, wunderschöner Moment. Dass sie bei „Nick of Time“ am Keyboard Platz nimmt, ist eine kleine Überraschung. Der Song – einst über die Angst vor dem Älterwerden geschrieben – bekommt in ihrem jetzigen Alter eine ungeahnte Resonanz. „Ich bin froh, noch da zu sein“, sagt sie. Das Publikum weiß, was sie meint.

Spektakuläres Finale

Im Zugabenteil glänzt Raitt ein letztes Mal mit Reduktion: „I Can’t Make You Love Me“ – zart, fast flüchtig, wie ein Hauch. Danach ein rockiges „Love Letter“ mit Jon Cleary als Unterstützung und zum Abschluss: „Never Make Your Move Too Soon“ mit B.B.-King-Schlagseite. Als Warren Haynes noch einmal auf die Bühne kommt und Jon Cleary auch, löst sich alles in einem Schlussbild auf, das diesen Abend perfekt rahmt: Da stehen am Ende mit ihrem langjährigen Bandmitglied George Marinelli  vier Gitarristen auf der Bühne und liefern sich ein fulminantes Spiel. Spektakulärer kann ein Konzertabschluss nicht sein.

Bonnie Raitt und Warren Haynes Backstage im KunstRasen FOTO: ELH
Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bonnie Raitt 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Setlist Bonnie Raitt, Bonn, KunstRasen, 3.7.2025:

I Sho Do (The Bluerunners cover)
Right Down the Line (Gerry Rafferty cover)
Thing Called Love (John Hiatt cover)
Blame It On Me
Unnecessarily Mercenary (Jon Cleary cover)
Women Be Wise (Sippie Wallace cover)
Just Like That
Hear Me Lord (Oliver Mtukudzi cover)
Something To Talk About
Nick of Time
Angel From Montgomery
Livin‘ for the Ones
Little Bird (Annie Lennox cover)

Encore:

I Can’t Make You Love Me (Mike Reid cover)
Love Letter (Bonnie Hayes cover)
Never Make Your Move Too Soon (B.B. King cover)

Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Setlist Warren Haynes Band, Bonn KunstRasen 3.7.2025:

Man in Motion
Go Down Swinging
Banks of the Deep End (Gov’t Mule)
These Changes
Power and the Glory
This Life as We Know It
Tear Me Down (Gov’t Mule)
Real, Real Love
Dreams
Just Another Rider (Gregg Allman)
Invisible
Soulshine (The Allman Brothers Band)

Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Greg Osby mit der Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Warren Haynes Band 2025 auf dem KunstRasen in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Ernst Ludwig Hartz mit Warren Haynes im Backstagebereich FOTO: ELH
Warren Haynes, Bonnie Raitt und Jon Cleary auf der Bühne FOTO: Dylan Akalin