
Mit einer kraftvollen Mischung aus Blues, Soul und tiefgründigen Geschichten entführen JJ Grey & Mofro ihr Publikum in der Kantine Köln auf eine emotionale Reise. Besonders der Song „This River“ berührt mit seiner bewegenden Botschaft von Schmerz, Hoffnung und Erlösung – ein Höhepunkt eines unvergesslichen Konzertabends.
Von Dylan C. Akalin
John Grey Higginbotham atmet tief aus. Er steht auf der fast dunklen Bühne der Kantine Köln und sieht aus, als stünde er kurz vor seinem ersten Fallschirmsprung. Zuvor hat der Mann aus Jacksonville, Florida, den alle nur als JJ Grey kennen, von einem Schlüsselerlebnis erzählt. Von einer Nacht mit viel Alkohol, starken Selbstzweifeln und großer Bitterkeit, als er am Ufer des Saint Johns River landete und auf den langsam dahinfließenden Strom schaute. Damals entstand der Song „This River“, eine traurige Ballade, von der er sagt: „Das ist das fröhlichste Lied, das ich je geschrieben habe.“

Die Fans, die an diesem Karnevalssonntag zum gut zweistündigen Konzert von JJ Grey & Mofro gekommen sind, erleben eine tiefgründige, emotionale und sehr authentische Reflexion über innere Kämpfe, Einsamkeit und den Wunsch nach Erlösung. Die Metapher des Flusses steht für einen Ausweg, für Reinigung, für Befreiung von seelischem Schmerz.
Und wie er zum klaren Klang seiner blauen Gitarre die wiederkehrende Zeile „Only This River Can Bear Me Away“ sind, glaubt man ihm jedes Wort, dass nur der Fluss die Kraft hatte, ihn vor der endgültigen Sehnsucht nach Befreiung von Last, Trauer, Enttäuschung und wohl auch vor dem Tod zu retten. Die eindringlichen Zeilen, die beschreiben, wie er versucht, seine inneren Dämonen oder belastenden Gedanken mit Alkohol zu verdrängen, wie präsent die Einsamkeit in ihm ist, wie sehr er sich von sich selbst entfremdet fühlt und nach seinem inneren Kern sucht, wie stark die Erfahrung ist, durch den Fluss eine Form von Heilung zu erfahren, sind live so beeindruckend, dass man selbst in ganz leisen Momenten des Songs keinen Laut aus dem Publikum hört.
Kollektive Narben in einem Song aufgegriffen
Der Song steht irgendwo mitten auf der Setlist, aber er ist bezeichnend für einen sehr intensiven und wunderbaren Abend der US-Band, die sich gut neun Jahre rar gemacht haben in Deutschland. Diese eigenartige, drängende Mischung aus Soul, Blues, Americana, Jazz, Rock und Gospel der zehnköpfigen Band aus dem Süden der USA schafft so viele emotionale Momente, dass man sich bisweilen in einer spirituellen Feier wähnt. JJ Grey & Mofro gehören sicherlich zu den authentischsten Blues-Soul-Acts der Gegenwart – mit einem Sound, der ebenso tief im amerikanischen Süden verwurzelt ist wie in den Herzen der Fans, die fast jeden Song mitsingen, dass JJ Grey manchmal ziemlich verwundert in die Menge schaut.
Schon der Start geht einem nur unter die Haut, als JJ Grey alleine mit der Mundharmonika spielt und dazu rhythmisch auf die Bühne stampft. Man ahnt sich schnell in den Sümpfen Floridas. Bedrohlich baut sich so minutenlang eine klangliche Kulisse auf, bis die Band einsteigt mit dem atmosphärischen „Olustee“, ein Song, mit dem JJ Grey zwei kollektive Narben verarbeitet: die verheerenden Brände von 1998 und die Grausamkeiten bei der Schlacht bei Olustee während des Sezessionskrieges 1864.
Der Mann ist als Geschichtenerzähler bekannt, als Meister der Performance, der uns auf eine Reise durch die Geschichte und Emotionen mitnimmt. Es geht übergangslos in „Somebody Else“, und „Tame A Wild One“ startet mit einem wilden Bläsersatz. Die Songs haben einen so entspannten, aber vorwärtstreibenden Groove, der in die Beine geht und die Seele lächelnd wiegen lässt.
Was für eine Band!
„Top Of The World“ erinnert im Intro an „You Sexy Thing“ von Hot Chocolate, die Backgroundvocals indes lassen die Gänsehaut immer höher wachsen, wenn sie den Chorus von JJ Grey verlängern. Hier muss ich unbedingt die Soli von Kenny Hamilton (Saxophon) und Marcus Parsley (Trompete) erwähnen.

Und wo wir grad bei der Band sind: Katie Dutton und Linzy Lauren haben fantastische Stimmen, und JJ gibt ihnen immer wieder Raum, um sich zu präsentieren. Gut so. Eric Brigmond ist sowohl an den Keyboards als auch an der Posaune ein Brett für Harmonien und solistische Einlagen, seine Arrangements sind hinreißend. Pete Winders versteht es sowohl atmosphärische Sounds mit der Slidegitarre zu schaffen, als auch solistisch rockige Glanzpunkte zu setzen. Beim epischen „On Fire“ zeigt die Band, die ohnehin schon für ihre unglaubliche Musikalität bekannt ist, welche solistischen Fähigkeiten in den anderen Mitgliedern steckt: tolle Soli von Bassist Todd Smallie, der wieder den ganzen Gig über breit lächelte, Craig Barnette an den Drums und Perkussionisten Eric Mason.
„Seminole Wind“
Zwischen all der Energie und den kraftvollen Momenten gab es auch die ruhigeren, emotionaleren Augenblicke. „Seminole Wind“ von John Anderson, eine Coverversion, die in Greys Stimme neue Bedeutung erhält, nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch den amerikanischen Süden, in eine Zeit, die von Verlust und Hoffnung geprägt war – vor allem für die Native Americans, um die es hier geht. Ein toller Moment, als Marcus Parsley im blauen Lichtkegel steht und seine Trompete, mit viel Hall und einem leichten Echo versehen, spielt. Am Ende tanzt Grey wie ein Derwisch ums Lagerfeuer.
„Lazy Fo Acre“ ist ein Song, der mit einem trägen, fast hypnotischen Rhythmus ein Gefühl von Nostalgie und Sehnsucht erzeugt – eine Einladung, das Leben in all seiner Einfachheit und Schönheit zu genießen. Dazu singt Grey zunächst mit erstaunlich hoher Stimmlage.
Zwei Zugaben
Zur Zugabe gibt es erst ein Piano Instrumental, „Ol‘ Glory“, das noch auf der Setlist steht, spielen sie nicht, dafür eine ziemlich lange Version von „Brighter Days“, was das Publikum mit einem Gefühl der Hoffnung zurücklässt. Und dann kommt noch „Sweetest Thing“. Diese Lieder, die von Greys eigener Reise und dem unerschütterlichen Glauben an bessere Tage handeln, hatten eine erfrischende Wirkung.
JJ Grey & Mofro haben in der Kantine Köln nicht nur ein Konzert gespielt – sie haben eine emotionale Achterbahnfahrt geboten, die den Spirit des Südens auf die Bühne brachte. Mit einer Mischung aus tiefgründigen Texten, meisterhaften Solos und einer Band, die ihren Blues und Soul mit absoluter Hingabe lebt, war es ein Abend, der die Seele berührte und den Rhythmus des Lebens auf wunderbare Weise feierte.
„This River“ bleibt ein besonderes Highlight. Mit seinen Bildern von Vergänglichkeit und dem stetigen Fluss des Lebens berührt Grey hier eine universelle Wahrheit. „This river will keep flowing, no matter what you do,“ heißt es da, und der Fluss der Zeit erfüllt nicht nur den Raum. Er bleibt noch lange auf der Autofahrt in meiner Brust.

JJ Grey & Mofro Setlist in der Kantine Köln 2025
Olustee
Somebody Else
Tame A Wild One
Top Of The World
How Junior Got His Head Put Out
Lochloosa
Orange Blossoms
Seminole Wind
This River
Rooster
Lazy Fo Acre
On Fire
The Sun Is Shining Down
Encore:
Instrumental
Brighter Days
Sweetest Thing














