30 Jahre Harmonie: Bonns einziger echter Musikclub feiert Geburtstag

Betreiber-Trio: Wolfgang Koll, Bert Jakwerth und Josef Schnorbus (von links) FOTO: Cem Akalin

So gehen nur alte Ehepartner miteinander um. Oder alte Freunde, die sich vor 20 Jahren gemeinsam einen Traum erfüllten. Wer mit Bert Jakwerth (52), Wolfgang „Kolli“ Koll (56) und Josef „Juppi“ Schnorbus (57) spricht, der merkt schnell, wie eingespielt das Trio ist. Sie haben was zu erzählen und werfen sich dabei die Bälle zu – nicht ohne sich hin und wieder geradezu zärtlich zu foppen. Kein Wunder. Koll, Jakwerth und Schnorbus betreiben seit 20 Jahren die Harmonie im Bonner Stadtteil Endenich. Und das Konzept des einstigen Traditionslokals ist ihr Erfolgsrezept: eine Mischung aus bürgerlichem Wirtshaus mit preiswerter Küche von Pizza über Steak, Hamburger und saisonalen Muscheln bis zu frischen Salaten, hinzu kommen der Biergarten und das Herzstück der Harmonie, der Musikclub für bis zu 500 Zuschauer.

Die Drei sind alles andere als Glücksspieler, und der Erfolg der Kulturstätte sicherlich nicht das zufällige Ergebnis eines Experiments. Der Industriekaufmann Schnorbus hat noch bis 2007 als kaufmännischer Leiter des ehemaligen Coca-Cola-Abfüllers Bürfent gearbeitet, Jakwerth hat einst eine Bankkaufmannsausbildung absolviert, Koll hat das Handwerk eines Industriekaufmanns bei Haribo erlernt. Was sie eint, ist die unbedingte Liebe zur Musik. Jakwerth und Koll haben zudem schon vor der Harmonie, und zum Teil parallel zum Endenicher Haus, andere Clubs und Kneipen betrieben: das Jott We De, die Südstadt, das Odeon und das Zebulon neben dem Universitätshauptgebäude.

„Aber mein Traum war es immer, einen Musikclub zu haben“, sagt Koll, der schon mit 15 Jahren seine ersten Konzerte organisierte. Und dann fiel ihm eines Tages eine Kleinanzeige im General-Anzeiger auf: „Traditionslokal mit Biergarten in Endenich abzugeben.“ Jakwerth und er meldeten sich umgehend bei der Familie Faßbender, die das Lokal 70 Jahre lang betrieben hatte. „Wir dachten sofort: Das ist es“, erinnert sich Jakwerth. „Das Lokal vereint alles, was sich ein Gastronom wünscht. Es war ein Traum.“

Happy Birthday, Harmonie: Die Royal Southern Brotherhood spielt zum Jubiläum. FOTO: PROMO
Happy Birthday, Harmonie:
Die Royal Southern Brotherhood spielt zum Jubiläum. FOTO: PROMO

Auch der Standort passte. In Endenich entwickelte sich gerade eine prosperierende Kulturmeile mit Springmaus, Rex-Kino, Fiddler’s und Ballsaal. Mit den vielen Studenten avancierte der Ortsteil zum jüngsten in der Stadt. „Doch uns war bewusst, dass das Projekt für zwei zu groß war“, erzählt Koll. Die Entscheidung fiel schnell auf Schnorbus, den Koll noch aus seiner Ausbildungszeit kannte. Auch für ihn war es Liebe auf den ersten Blick. „Und wir drei passten auch einigermaßen zusammen, zumal die Godesberger ja noch dickköpfiger sind als wir Sauerländer“, sagt Schnorbus.

Nach dem ersten Rundgang stand fest, dass auf jeden Fall viel Geld in die Sanierung fließen musste. „Da war 30 Jahre lang nichts mehr reingesteckt worden“, so Koll. Im Tanzsaal stand ein alter Kohleofen, die Decke war abgehängt. Dort wurden Hochzeiten gefeiert, der Schützenverein traf sich in der Harmonie, der Männergesangverein „Sangesfreunde 1844“ richtete bis 2001 seinen legendären „Bohnenball“ im Saal aus.

Neues Mobiliar musste her, sanitäre Einrichtungen und Küche mussten komplett erneuert werden. Da kam schnell eine siebenstellige D-Mark-Summe zusammen. Im September 1994 wurde eröffnet, am 27. Oktober gab der amerikanische Jazz-Saxofonist Karl Denson das erste Konzert in der Harmonie.

Seitdem hat sich der Club mit rund 3000 Konzerten zu einer Institution für Live-Musik entwickelt. Bis zu 150 Veranstaltungen pro Jahr werden im Schnitt von rund 40.000 Gästen besucht. Regelmäßige Gäste auf der Bühne waren unter anderen der Blues-Gitarrist Bernhard Allison, Jasper van’t Hofs World-Jazz-Projekt Pili Pili, die englische Rockband Dr. Feelgood („See You Later, Alligator“), die Foggy Mountain Rockers, der deutsche Liedermacher Götz Widmann oder die Hamburg Blues Band.

Der holländische Bluesrock-Gitarrist Julian Sas, die Bonner Doktor Jazz Ambulanz, die Rocklegende Mitch Ryder und der New Yorker Gitarrist Popa Chubby können schon fast als Hauskapellen durchgehen. Besonders beliebt sind auch etliche Coverbands, die einen festen Platz im Veranstaltungskalender der Harmonie haben, etwa die Led-Zeppelin-Tribute-Band aus Münster Custard Pies, Dire Strats, die Pink-Floyd-Verneigung Echoes, Still Collins, die Iron-Maiden-Coverband Killerz oder die der AC/DC-Musik verpflichteten Dirty Deeds 79, die jedes Jahr vor Weihnachten mehrmals im ausverkauften Haus spielen. Dazu kommen etliche Festivalreihen: das Bonner Irish Folk Festival, das vom WDR-Rockpalast produzierte Festival Crossroads, die Reihe Blues Caravan oder das Blue-grass Jamboree Festival.

Längst werden nicht alle Konzerte vom Harmonieteam selbst veranstaltet. Den Saal, der vor etwa zehn Jahren aufwendig saniert und umgebaut wurde, nutzen etliche Konzertveranstalter. Zum Beispiel Manuel Banha (2getherconcert), der vor allem Weltmusik, lateinamerikanische Künstler und Jazz auf die Bühne bringt. Oder Ernst-Ludwig Hartz (Kunst!Rasen), Jürgen Both (Rock Times Production), die Couchrocker, das Musiknetzwerk (toys2masters) sowie das Beethovenfest und das Schumannfest.

„Wir wollen lediglich, dass die Qualität stimmt“, sagt Koll, der für das Programm zuständig ist. Jakwerth ist für Personal und Tagesgeschäft verantwortlich, Schnorbus für Technik und Buchhaltung. Etliche Besucher verlassen sich oft geradezu blind auf das Musikangebot der Harmonie: „Mein Mann und ich entscheiden uns manchmal ganz spontan, ein Konzert zu besuchen“, sagt die 42-jährige Ricarda. „Die Namen der Bands sagen uns häufig nichts, aber wir sind nie enttäuscht worden.“

Nie enttäuscht haben auch Royal Southern Brotherhood, die Supergruppe mit Sänger Cyril Neville, den Gitarristen Devon Allman und Mike Zito, Drummer Yonrico Scott und Bassist Charlie Wooton. Die Combo aus New Orleans gilt derzeit als das heißeste, was das Genre zu bieten hat. Zweimal schon hat die Band die Gäste der Harmonie zum Schwitzen gebracht. Es ist diese brillante Mischung aus Traditionellem und Progressivem, in der sie Rock, Blues und Funk völlig frei fließen lassen, diese Lust am vollen Risiko auf der Bühne, das den Zuhörer gleich in Flammen stehen lässt. Und diese Band haben sich Kolli, Bert und Juppi als Geburtstagsgeschenk gegönnt. Die Truppe ist am 23. September zu hören.

20 Jahre Harmonie, was war der schlimmste Tag? „Die Überflutung 2004, als der Endenicher Bach über die Ufer trat und das Wasser meterhoch im Keller stand“, meint Schnorbus. „Als die Saaltheke abbrannte“, sagt Jakwerth. „Oder als Carl Carlton nach 18 Minuten auf der Bühne mitten in der Aufzeichnung des WDR einen Kollaps kriegte“, sagt Koll. Und der schönste? Für Jakwerth war es die Neueröffnung des renovierten Saals, für Koll das WDR-Krautrock-Festival, und Schnorbus will sich überhaupt nicht festlegen.

Denkwürdige Ereignisse habe es auch zahlreiche gegeben, etwa das Schalke 04-Fantreffen mit Rudi Assauer und „Charly“ Neumann, das Clubkonzert mit Sportfreunde Stiller. „Die Wiedervereinigung von Nektar 2004“, wirft Koll ein. Oder die Party der Grünen, zählt Schnorbus weiter auf, auf der Jürgen Trittin „sehr gut drauf“ gewesen sein soll.

Und welchen Künstler wünschen sich die Veranstalter in Zukunft noch?“Christy Moore wäre ein Kandidat“, sagt Koll – und die beiden anderen nicken. Ans Aufhören denkt das Trio noch lange nicht. (Cem Akalin)