Von Dylan Akalin
Mit einem Glockenschlag beginnt die Reise durch ein Sternenmeer im dunklen Universum, elektronische Sounds umgeben uns, als Gong die Bühne der Harmonie in Bonn betritt. Das psychedelische Erlebnis, auf das uns das Quartett mitnimmt, soll weit über den bloßen musikalischen Genuss hinausgehen. Mit einer meisterhaften Kombination aus musikalischer Tradition und innovativer Weiterentwicklung und mit spektakulären optischen Effekten präsentiert die aktuelle Besetzung von Gong eine Performance, die das Erbe von Gong nicht nur bewahrt, sondern auch in neue Dimensionen führt.
Der Opener „My Guitar Is A Spaceship“ erinnert mit einer einzigartigen Mischung aus hypnotischen Rhythmen und schwebenden Melodien an Beatles und Yes auf Acid. Kavus Torabi führt mit seiner unbändigen Energie durch den Abend, während Dave Sturt und Cheb Nettles die rhythmische Grundlage mit beeindruckender Präzision und Kreativität legen. Pulsierende Farben, gelbe Lichtkegel flirren über den Köpfen der Fans beim schrägen Sound von „Kapital“. Die gesellschaftskritische Texte werden mit einer düsteren, bisweilen kakophonischen, aber fesselnden Klanglandschaft unterlegt.
Gong als Konteptidee
Wer mit Erwartungen an die historischen oder gar urbesetzten Band gekommen ist, wird vielleicht enttäuscht oder mindestens irritiert sein. Gong wurde 1967 vom visionären Musiker und Poeten Daevid Allen gegründet, der mit seiner Verschmelzung von Jazz, Rock und spirituellen Elementen eine einzigartige Nische in der Musikwelt schuf. Die Band durchlief über die Jahrzehnte viele personelle und stilistische Wandlungen, blieb aber stets ihrer zentralen Philosophie treu: Musik als universelle Sprache, die Menschen verbindet und in höhere Sphären hebt, Musik als konzeptionelle Idee, die sich immer weite entwickelt. Vielleicht war Gong schon immer ein philosophisch-politisches Entwurf ohne Endabsicht, eine Konzeption, die darauf ausgelegt ist, immer in Bewegung zu bleiben. Nach Allens Tod 2015 übernahm die neue Besetzung, bestehend aus langjährigen Weggefährten und frischen Talenten, die Verantwortung, dieses Vermächtnis weiterzuführen. Sie entwickelten einen Stil, der die Essenz der ursprünglichen Gong bewahrt und gleichzeitig neue Horizonte erforscht. Und das tut sie, wie ich meine, sehr gut.
Die aktuelle Besetzung umfasst Sänger und Gitarrist Kavus Torabi, der als charismatischer Frontmann brilliert, Dave Sturt (Bass und Gesang), der seit den späten 2000er-Jahren die tiefen Klangteppiche der Band gestaltet, den virtuosen Gitarristen und Soundzauberer Fabio Golfetti, der der Musik eine kosmische Weite verleiht, Ian East (Saxophon und Holzblasinstrumente), dessen Soli die Jazz-Wurzeln von Gong wachrufen, sowie Cheb Nettles, einen vielseitigen Schlagzeuger, der auch mit seinem Gesang Akzente setzt. Gemeinsam repräsentieren sie das moderne Gong, das gleichermaßen in der Vergangenheit verwurzelt wie in der Gegenwart verankert ist.
„All Clocks Reset“
Mit „All Clocks Reset“ nimmt die Band das Publikum mit in die vertrauten psychedelischen Klangwelten, die Gong seit Jahrzehnten auszeichnen. Die Nummer liegt stilistisch bei King Crimsons Discipline-Ära. Dazu laufen auf der Leinwand Bilder von Aliens oder zukünftigen humanen Entwürfen, die die Zahnräder der Zeit zu kontrollieren wissen. Der meditative Charakter von „Rejoice!“ mäandert zwischen frühen Pink Floyd-Sounds, asiatischen Harmonien, jazzigen Momenten und Avantgarde. Wir werden versetzt in die kontemplative Ruhe eines fernöstlichen Ashrams, schließlich aufgerüttelt von einer klanglich abschüssigen Bridge in einen Aggregatzustand, in dem alle Teile des Songs wie in Zeitlupe in seine Einzelteile zerfallen – es ist wie eine Fahrt durchs Ungewisse, aus dem wir am Ende auf eine vom Regen gewaschene klare Landschaft schauen: Die sich wiederholenden Arpeggien liegen unmissverständlich über den gleichmäßigen Rhythmus von Basss und Drums.
Das vom 1970er-Jahre-Krautrock geprägte ruhige und doch emotional tiefgehende „Tiny Galaxies“ schafft Raum für Nachdenklichkeit. Hier zeigt Fabio Golfetti seine Meisterschaft an der Gitarre, deren sphärischer Klang die Zuhörer förmlich durch winzige Galaxien schweben lässt. Während hinter ihm kleine Wunderkerzen abbrennen, lässt er die Gitarre wie Geigen erklingen. Ein Song wie geschaffen für eine Messe eines Schamanen.
Hommage an Daevid Allen
Das monumentale „My Sawtooth Wake“ beeindruckt durch seine komplexen Strukturen und wechselnden Tempi. Besonders Ian East glänzte hier mit einem Saxophonsolo, das die energetischen Spitzen des Stücks meisterhaft akzentuiert. Mit „Through Restless Seas I Come“ und „Unar Invocation“ führt die Band die Zuhörer tiefer in ihren musikalischen Kosmos, bevor das Publikum mit „The Glorious Om Riff“ eine Hommage an Daevid Allen erlebt. Das Stück, eingeleitet durch ein Fragment von Allens „Hello Me“, demonstriert die tiefe Verbundenheit der Band mit ihrem Gründer.
Das Zugabenset aus „Insert Yr Own Prophecy“ und dem Klassiker „You Can’t Kill Me“ lässt am Ende noch einmal die Vergangenheit und die Gegenwart von Gong in einer fulminanten Performance verschmelzen.
Vermächtnis lebendig gehalten
Gong beweisen in diesen fast zwei Stunden, dass sie mehr sind als eine nostalgische Erinnerung an vergangene Zeiten. Sie sind eine Band, die das Erbe von Daevid Allen mit Respekt und Hingabe weiterträgt und gleichzeitig den Mut hat, Neues zu wagen. Die Harmonie in Bonn wurde für einen Abend zum Zentrum des Universums – ein Ort, an dem Musik, Licht und Emotionen zu einer Einheit verschmolzen.
Mit einer beeindruckenden Setlist, einer makellosen Darbietung und einer tiefen Verbindung zu ihrem Publikum hinterlassen Gong einen bleibenden Eindruck. Dieses Konzert ist nicht nur eine Hommage an die Vergangenheit, sondern auch ein Versprechen an die Zukunft.
Setlist Gong 9. Dezember 2024, Bonn
My Guitar Is A Spaceship
Kapital
All Clocks Reset
Rejoice!
Tiny Galaxies
My Sawtooth Wake
Through Restless Seas I Come
Unar Invocation
The Glorious Om Riff (With „Hello Me“ By Daevid Allen As An Introduction
Choose Your Goddess Insert Yr Own Prophecy
Encore
Insert Yr Own Prophecy
You Can’t Kill Me/