Von Dylan Akalin
Tag drei bei Rock am Ring 2023 am Nürburgring: In den USA füllt sie längst jede Halle, in Schweden, UK und den Niederlanden ist sie ungemein populär. In Deutschland ist sie vor allem beim jüngeren Publikum bekannt. Das dürfte sich bald ändern. Dabei hatte die 24-jährige Maggie Lindemann aus Dallas, Texas, schon vor acht Jahren mit „Pretty Girl“ ihren ersten Hit. Die Musik der Singer/Songwriterin geht in die Genres Pop Punk und Alternative Rock. Man sollte die zierliche Person auf der Mandori-Bühne bei Rock am Ring nicht unterschätzen. Sie dominiert die Bühne mit einer energischen Präsenz und einem starken Auftritt. Die Fans sind glücklich, auch wenn es erst Mittagszeit ist, singen, headbangen und tanzen ausgelassen zur Musik. Bei Songs wie „Gaslight“ hauen die tiefen Bässe und fetten Riffs ziemlich ins Zwerchfell. „Do whatever you want no one gives a fuck“ steht auf ihrem Kleid mit großen Lettern. Der Großteil der Titel sind von ihrem neuesten Album „Suckerpunch“, auch der Opener „Take Me Nowhere“.
Three Days Grace
Der Mann sieht aus wie ein Prediger der Dunkelheit. Matt Walst von der kanadischen Post-Grunge-Band Three Days Grace steht mit seinen schwarzen Haaren und der schwarzen langen Jacke auf der Mandoristage und schaut über die Menge, die immer wieder den Namen der Band skandiert. Da hat die Band gerade mit „So Called Life“ und „Animal I Have Become“ eindrucksvoll bewiesen, warum sie solch einen Kultcharakter hat. Nu-Metal-Elemente mischen sich in einen schweren melodischen Rock, was die Musik auf die Spur von Linkin Park, 3 Doors Down, Seether, Nickelback und Papa Roach bringt. Von der Urbesetzung ist nur noch Neil Sanderson da, der mit seinem Schlagwerk immer wieder mächtige Akzente setzt.
„No matter how hard I try/You’re never satisfied/This is not a home, I think I’m better off alone“, singt Walst sehr passend zu seiner Ausstrahlung bei „Home“. Der Ausdruck des ehemaligen My Darkest Days-Sängers liegt zwischen Chester Bennington und Maynard James Keenan mit etwas mehr Rauheit auf den Stimmbändern. Tolle Stimmung unter dem stahlblauen Himmel, wozu auch die tollen Fans beitragen, die singen, feiern, so manchen Circle Pit bilden und zwischen jedem Stück „Three Days Grace“ rufen. „Every day I’m just survivin’/Keep climbin‘ the mountain“ – der Chorus bleibt im Ohr hängen. Wie Walst da zwischen sanften Gesang und Growlen am Ende wechselt, ist sagenhaft. Mit „Painkiller“ bringt die Band einen weiteren Singalong-Kandidaten auf die Bühne. Überraschend kommt dann noch Dany Villarreal von The Warning, die schon mittags auf der Orbit-Stage aufgetreten sind, auf die Bühne. Stark!
NOFX
Nein, es ist nicht die Rocky Horror Show: „It’s astounding/Time is fleeting/Madness takes its toll/But listen closely…“ Fat Mike (Burkett) von NOFX kommt mit viel zu kleinem Schutzhelm und blauer Weste auf die Bühne, tanzt und fragt: „Weiß irgendwer, wo wir sind?“ Witz und Humor stehen bei ihrem Auftritt im Vordergrund. „Wir sind die beste Band der Welt, aber die unpopulärste“, sagt er. Und dann geht’s los. Oh je, schon beim Opener „Dinosaurs Will Die“ ist die Stimme völlig weg, heiser, schwach, schief. Immerhin gibt es am Ende ein cooles Gitarrensolo von Eric Melvin. „Das war schon der beste Song des Abends“, sagt Fat Mike lachend. Neben weißer Sonnernbrille trägt er noch eine Kette mit Schloss um den Hals, faselt etwas von „Schadenfreuda“ und beginnt mit „Murder the Government“ von 1997 – in einer ziemlich kurzen Version. „Ich möchte die Verfassung brennen sehen/Ich möchte zusehen, wie das Weiße Haus stürzt.“ Dann geht es auch schon weiter mit „Bob“.
„Ich bin krank, hört ihr das? Aber ich finde, meine Stimme klingt besser denn je.“ Dann wünscht er sich auch so ein „Shhhh“ wie bei Sum 41, die zuvor gewohnt atemlos abgeliefert haben. „Und schon schießt vor der Bühne eine Dampffontäne mit einem lauten Zischen heraus. Das kostet uns 150 Euro“, meint El Hefe (Aaron Abeyta) lapidar. Eric Melvin übernimmt den Gesang bei „Kids of the K-Hole“. Ist auch nicht viel besser. „Steht jemand auf schlechte Musik?“, fragt el Hefe. Fat Mikes Antwort: „Dafür sind sie da.“ Punk halt.
Turnstile und Steel Panther
Einen richtig starken Auftritt erleben wir auf der Hauptbühne mit der Hardcore-Band Turnstile aus Baltimore, Maryland. Sehr vielschichtig. „Real Thing“ etwa beginnt mit einem anspruchsvollen Gitarrenintro, schiebt sich dann mächtig in Richtung Nu-Metal, arbeitet Rap-Rhythmen ein und fließt in ein athletisches Drumsolo von Daniel Fang, um dann ziemlich punkrockig zum Ende zu kommen. In „Underwater Boi“ und „Alien Love Call“ mag man auch etwas Electronic erkennen, ansonsten liebt es die Band um Brendan Yates gerne stürmisch. Der Londoner Guardian verglich die Band kürzlich „mit der Wildheit freigelassener Wildtiere“. Das kommt dem schon sehr nah. Und doch beherrschen sie auch die Klaviatur der sanften Emotionen – wie „Alien Love Call“ beweist. Dafür geht es aber gleich danach mit „Holiday“ umso heftiger weiter. Auffallend gut neben Frontmann Yates: Gitarrist Pat McCrory.
Ein Rocksänger par excellence ist Michael Starr. Steel Panther gewinnen die Herzen der Zuschauer schon mit dem rasanten „Eyes of a Panther“. Es geht mit ihrem Sleaze Rock a la Mötley Crüe, Guns N’ Roses, Bon Jovi und L.A. Guns zwar ziemlich old school zu. Aber, hey, das tut bei den vielen Rap-Rocker doch ungemein gut. Heiß, melodisch, immer auf die Zwölf und eine erstklassische Show mit jeder Menge virtuosen Gitarreneinlagen. Extra!