Der Mann hat Lust zu spielen. Das zeigt er vom ersten Moment an. Das Konzert in der Harmonie Bonn beginnt Julian Sas am Samstag mit einem Bam! Der niederländische Bluesrock-Gitarrist lässt sein Trio mit Bassist Edwin van Huik und Drummer Lars-Erik Van Elzakker erstmal ordentlich einen Donnerhagel über das Publikum jagen. Die Gitarrenverstärker beben, der Bass kracht, die Becken und Trommeln scheppern und lärmen, bevor Sas die ersten Riffs raushaut. Und das Publikum im ausverkauften Club ist vom ersten Ton an auf Betriebstemperatur und muss nicht lange aufs erste Solo warten, das noch fast untergeht in der Euphorie des Konzertbeginns. Das zweite lässt gleich eine gewisse Hendrix’sche Aggressivität wahrnehmen.
Eigentlich ein Mysterium, warum Sas, den Bernie „Mr. Music“ Gelhausen nun schon zum 19. Mal in Bonn auftreten lässt, nie ein Live-Album in der Harmonie aufgenommen hat. Seine Konzerte in dem Club in Endenich haben längst Kultcharakter, seine Hardcore-Fans kommen in Gruppen aus Holland, Dortmund oder Ostfriesland angereist, um Sas mit seiner Band hier zu erleben. Und das Hochgefühl des Publikums strahlt auf Sas aus. Er lässt die Akkorde rollen, baut kurze Wah-Wah-verzerrte funky Rhythmen ein und lässt die Finger übers Griffbrett fliegen.
Bassist Edwin van Huik und Drummer Lars-Erik Van Elzakker sind eine ideale Besetzung für Sas, vielleicht sogar die beste, die er hatte. Die beiden geben dem Sound einen starken Rückenwird, sie bilden ein unerschütterliches Fundament für den rasanten Bluesrock des Gitarristen, der sich stets auf die Beiden verlassen kann. Was sie da spielen ist schnörkellos, fast etwas trocken, aber genau das verleiht dem Gesamteindruck erst Dynamik und Kraft und gibt dem Gitarristen genug beweglichen Freiraum für seine Stilwechsel, aber auch den Songs eine gewisse Spannkraft. Sas kann sich voll auf seine Stimme und seine Gitarre konzentrieren. Und das ist nicht ohne, nicht selten wechselt Sas die Stimmungsbilder, die Sounds und Ansätze, spielt mit Harmonien und Stilmitteln, vielleicht nicht ganz so konsequent und raffiniert wie es sein Vorbild Rory Gallagher gemacht hat, aber sehr effektiv.
Die ersten Stücke spielt Sas praktisch mit durchgetretenem Gaspedal, Finesse kommt bei „Fallin‘ From The Edge Of The World“ auf. Der Song, den er dem im vergangenen Jahr verstorbenen Bassisten und Freund Fotis Anagnostou gewidmet hat, beginnt mit einem Gitarrenintro, Akkorde mit viel Hall und Flanger, bevor Sas seiner Gitarre einen Ton entreißt, als wollte er ihn wie einen Strahl zu den höchsten Gipfeln hinaussenden, durchdringend, doch voller Wärme. Der Song beklagt den schweren Verlust des guten Freundes. Sein Leben lang sei er auf der Suche nach solch einem Freund gewesen, nun habe er Angst vor der Einsamkeit. Es ist ein Song, der mehr über die Wunden der Hinterbliebenen klagt, und so ist das zweite Solo eher wie ein Spaziergang über eine verregnete, einsame Straße. Ohne Pathos, ohne heilende Wirkung. Die Dramaturgie des Songs ist gut, der Spannungsbogen ausgereizt, als das dritte Solo den erwarteten Ausbruch bringt.
Bei „Stand Your Ground“ lässt der 52-jährige Holländer den Gitarrensound ziehen wie karamellisierten Zucker, doch der Song dreht sich in einen straighten Blues und da lässt sich gar am Ende noch Freddy Kings „Goin‘ Down“ einbauen. Hendrix steht auch beim Hauptsolo bei „Mercy“ Pate. Überhaupt scheint Sas der Gitarrenlegende, die an diesem Sonntag ihren 80. Geburtstag gefeiert hätte, an diesem Abend besonders zugetan. Auch „Hey Joe“ kommt in einer tollen Version zum Einsatz. Beim Intro von „Blues of the Lost and Found“ meint man kurz Prince zu hören.
Gut zweieinhalb Stunden unterhält das Trio das Publikum auf beeindruckend durchgängig hohem Energielevel. Dann ist erstmal wieder Schluss. Bis in einem Jahr. Fast 100 Tickets für November 2023 sind schon verkauft. Vielleicht wird ja wenigsten der Jubiläumsauftritt aufgezeichnet.