Prince und virtuose Pianisten spielen beim Jazzfest 2023 eine große Rolle

Peter Materna präsentiert das Jazzfest 2023 FOTO: Dylan Akalin

Das Jazzfest Bonn 2023 wird kompakter und grooviger. Auf dem Programm stehen ungewöhnliche experimentelle Erlebnisse für Auge und Ohr wie Mariá Portugal, echte Stars der Jazzszene wie Brad Mehldau und Uraufführungen von exklusiven Projekten. Intendant Peter Materna stellte am Donnerstag im Haus der Deutschen Welle in Bonn gewohnt enthusiastisch sein Programm für 2023 vor.

Von Dylan Akalin

Wenn Peter Materna ins Schwärmen gerät, ist er kaum zu halten. Aber genau das ist vielleicht das Erfolgskonzept des Jazzfest Bonn. Es ist zwar klug konzipiert, wobei der Festivalmacher genau darauf achtet, neben bekannten Acts auch ungewöhnliche Künstler aus dem Jazz, die vielleicht gerademal kleinen Fach- und Fankreisen bekannt sind, zusammenzubringen. Aber über allem liegt die leidenschaftliche Verbundenheit von Peter Materna zu den einzelnen Programmpunkten.

Das Jazzfest Bonn bietet vom 1. bis 14. Mai 2023 und beim Jazzfest Bonn Extended am 26. und 27. August 2023 insgesamt 23 Konzerte an 13 Abenden und an acht Spielorten an. „Am Anfang steht die Feldforschung“, sagt Materna lachend. Und die besteht neben ganz vielen Konzertbesuchen auch in der Lektüre von Interviews und im persönlichen Austausch. „Ich schaue mir an, welche Ankündigungen es von internationalen Künstlern gibt, welche Kooperationen und Konzepte anstehen“, erklärt er. Im kommenden Jahr soll sich das Programm kompakt auf die 14 Tage im Mai konzentrieren. Das bringe nicht nur ein gewisses „Campusfeeling“, weil die Musikerinnen und Musiker dann auch Gelegenheit zum Austausch untereinander und Besuch der gegenseitigen Konzerte haben. Es ist auch eine Frage des Geldes: „Die Kosten für Dienstleistungen sind explodiert. Das ist teilweise ein erheblicher technischer Aufwand.“

Es sind im neuen Programm vor allem zwei rote Fäden zu erkennen: Einmal fokussiert sich das Jazzfest Bonn auf einzigartige Pianisten wie Florian Weber, der das Festival gemeinsam mit dem Dogma Chamber Orchestra am 1. Mai 2023 im Opernhaus mit der Uraufführung von „Bach Comprovised“ eröffnet – ein spannendes Projekt mit bearbeiteten Bach-Kompositionen. Die Gruppe der Pianisten führt sicherlich der Star unter den Jazzern Brad Mehldau an, der schon 2017 für Begeisterungsstürme in Bonn gesorgt hat.

Der in Polen geborene und klassisch ausgebildete Vladyslav Sendecki kam spät zum Jazz, und seit den 1980er Jahren hat er schon mit den Brecker-Brüdern, Joe Henderson, Charlie Mariano, Jaco Pastorius und Billy Cobham gespielt, zudem war er bis vor kurzem Pianist der NDR Big Band. Er ist ein brillanter, überschwänglicher Spieler, Materna bezeichnet ihn als „bemerkenswert“. Er ist ein Musiker, der etwas wagt, aber eine beeindruckende Souveränität bei seiner manchmal extravaganten Herangehensweise ausstrahlt.

Kit Downes kann in konvulsiven Free-Jazz verfallen, sein Klavier prasseln lassen und dann im nächsten Moment in eine verführerisch bluesige Meditation verfallen. Der Brite ist ein Meister des Drahtseilakts zwischen Spontaneität und Formschönheit.

Der schwedische Pianist Jacob Karlzon war bis vor zehn Jahren vielleicht eher als Klavierpartner der Sängerin Viktoria Tolstoi bekannt. Das aber liegt lange zurück. Sein stilistisches Territorium ist von Funk, Fusion und Electronica beeinflusst, seine Melodien sind ansteckend und lassen einen nicht so leicht los. Mit seiner ganz eigenen Fusion von Pop-Grooves, Jazz-Improvisation und klassischen Phrasierungen hat Karlzon eine eigene, sehr dichte Klangsprachen entwickelt. Er gehört längst zu den Stars der Jazz-Piano-Szene. Karlzons fesselnde Musikalität, die er live mit viel gutem Humor präsentiert, darf man sich nicht entgehen lassen.

Ebenso wenig wie Julia Hülsmanns neues Projekt, dessen Name zwar an ein wunderbares Album von Miles Davis denken lässt, aber so gar nichts damit zu tun hat. Heaven Steps To Seven bezeichnet einfach nur die himmlische Kollaboration der Hülsmann mit sechs weiteren ungewöhnlichen MusikerInnen. Dazu gehören die fantastische Sängerin Lisa Bassange und der abgefahrene Cellist Stephan Braun. Das als eines der Highlights des Festivals zu bezeichnen fällt angesichts der Vielfalt schwer. Aber auf diesen Programmpunkt freue ich mich jedenfalls ganz besonders.

Apropos abgefahren: Simon Nabatov gehört auch in diese Kategorie. Der Pianist spielt ein ungewöhnliches Doppelprogramm im Beethovenhaus, einmal im Duo mit Saxofonist Matthias Schubert, einmal im Duo mit Trompeter Ralph Alessi. Peter Materna sagt, das sei ein „Herzenswunsch“ von ihm gewesen. „Simon Nabatov ist ein Genie“, sagt er. Als er selbst noch Student an der Folkwang Hochschule gewesen sei, habe er seinen Ensemble-Kurs besucht. Die Schüler mussten jede Woche eigenes Material mitbringen. „Was er dann damit gemacht hat, wie er es  sofort in jedem Tempo und in jeder Tonart umsetzte, das war einfach phänomenal.“

Der zweite rote Faden ist Prince. Der Ausnahmekünstler spielt im Programm 2023 eine wichtige Rolle. Mit Ida Nielsen, Philip Lassiter und Judith Hill stellen Weggefährt*innen der 2016 verstorbenen Musiklegende ihre aktuellen Projekte vor. Ihren Höhepunkt erreicht die Prince-Hommage beim Jazzfest Bonn Extended am 26. und 27. August, wenn ehemalige Bandmitglieder der Ikone und die WDR Big Band unter der Leitung von Vince Mendoza die Songs des Weltstars unter dem Titel The Prince Experience wieder aufleben lassen.

Sehr groovy dürfte es auch bei Bobby Sparks, Delvon Lamarr und Thomas D & The KBCS zugehen, die ein postmodernes Spiel mit dem afroamerikanischen Musikerbe von Jazz bis Hip-Hop betreiben. Der europäische Jazz ist u.a. mit Formationen wie Jakob Manz & Johanna Summer und Petter Eldhs Post Koma, Thärichens Tentett und dem 20-köpfigen Fuchsthone Orchestra vertreten.

Ganz verrückt für hörende und sehende Sinne dürfte der Auftritt von Mariá Portugal werden, die schon mehrmals beim Jazzfest Moers mit ihren expressiven Auftritten aufgefallen ist. Die Sängerin/Schlagzeugerin, die 2020 aus São Paulo nach Köln kam, tritt diesmal mit dem Synthesizer-Performer Udo Moll sowie dem Medienkünstler Luis Negrón van Grieken auf.

Überblick Programm Jazzfest Bonn 2023

Montag, 1.5., Opernhaus
Florian Weber & Dogma Chamber Orchestra | Thomas D & The KBCS

Mittwoch, 3.5., LVR-LandesMuseum
Sendecki & Spiegel | ENEMY – Downes/Eldh/Maddren

Donnerstag, 4.5., LVR-LandesMuseum
Thärichens Tentett | Ida Nielsen & The Funkbots

Freitag, 5.5., Pantheon
Jacob Karlzon Trio | Judith Hill

Samstag, 6.5., Haus der Geschichte
Portugal/Moll/Negrón van Grieken | Delvon Lamarr Organ Trio

Sonntag, 7.5., Telekom Forum
Brad Mehldau Trio

Mittwoch, 10.5., Volksbank-Haus
Jakob Manz & Johanna Summer | Atom String Quartet

Donnerstag, 11.5., Post Tower
Julia Hülsmanns Heaven Steps To Seven | The Baylor Project

Freitag, 12.5., Beethoven-Haus
Simon Nabatov & Matthias Schubert | Simon Nabatov & Ralph Alessi

Samstag, 13. Mai 2023, Pantheon
Fuchsthone Orchestra | Bobby Sparks PARANOIA

Sonntag, 14.5., Pantheon
Post Koma | Philip Lassiter

Jazzfest Bonn Extended:

Samstag, 26. August 2023 (Nachholtermin aus 2022) / Sonntag, 27. August 2023 (Zusatztermin), Pantheon
THE PRINCE EXPERIENCE, Vince Mendoza & WDR Big Band