Gleißendes Licht, Nebel, ein Saxofon dringt durch fette Sounds. Kreischalarm, als Matthew Healy, charismatischer Sänger und Gitarrist der Alternative-Rock-Band The 1975, die Bühne betritt und mit „The City“ den Abend eröffnet. Enge schwarze Jeans, Riss im Knie, aus dem tief aufgeknüpften weißen Hemd schaut das Herr-Tattoo mit den ineinandergreifenden Händen („True Love“) heraus. Die vier Jungs aus Manchester wissen, wie man Dramatik inszeniert, und das mit äußerst sparsamen Mitteln. Die Bühne bleibt so dunkel wie in den 1980er Jahren bei Peter Gabriel oder Siouxsie and the Banshees, nur beim Schlusslied „Sex“ kommen mal die roten Scheinwerfer zum Einsatz. Die Sounds lassen Blitze an Erinnerungen wach werden an U2, The Cure, Brian Eno, Talking Heads, Police, Prince oder My Bloody Valentine – und dennoch ist es ein völlig eigener Stil, der Gegensätze, ja, Widersprüche verknüpft, wo über destruktive Beziehungen, miese Drogenerfahrungen oder unerfüllte Liebe gesungen wird, aber der Rhythmus durchaus tanzbar bleibt.
Keine Frage, The 1975 macht Musik für die Generation Tumblr. Sie hat keine Probleme damit, in ihren digitalen Tagebüchern Collagen zusammenzustellen, wo Filmausschnitte von Hitchcock, Truffaut und Stephen Chbosky neben Zitaten von Mildred Bailey, Curt Cobain und Mahatma Gandhi stehen, dazwischen Ausschnitte aus Werbestreifen von Nike, Selfies, Bilder von Graffiti und was sonst noch zu finden ist, um ihr Gefühl auszudrücken. Und Matthew Healy hat ein Gespür für Lyric, die mysteriös genug bleibt, um Raum für eigene Interpretationen zu lassen, und doch so blumenreich ist – etwa wenn er das Spritzbesteck einer Drogenabhängigen als „guns hidden under our petticoats“ beschreibt.
Schon faszinierend, wie eine Band praktisch nur über die sozialen Netzwerke bekannt wird und so lange von Plattenfirmen ignoriert wird, obwohl sie längst unter jungen Leuten Kultstatus besitzt. Gerade erst ist ihr erster Longplayer erschienen – das Konzert in der seit Wochen ausverkauften Live Music Hall in Köln am Mittwochabend hatte dennoch etwas von einem Best-of-Auftritt. Die etwa 1200 Fans singen mit, bei „So far (It’s Allright)“ ebenso wie bei „An Encounter“, „Way Out“, „Pressure“, „Robbers“ oder „Choclate“. Leider war das Konzert mit 73 Minuten viel zu kurz – aber dennoch verwirrend schön.
(Dylan Cem Akalin)