Die schönsten Konzerte sind doch die, bei denen man positiv überrascht wird. Von Frontm3n hatte ich mir tatsächlich nicht mehr als einen netten Abend erhofft. Es kam anders. Die Frontmänner von den Hollies (Peter Howarth), 10cc (Mick Wilson) und Sweet beziehungsweise Sailor (Pete Lincoln) haben am Montag ein wunderbares Konzert in der Harmonie Bonn gespielt und erhielten zu Recht tosenden Applaus.
Von Dylan Cem Akalin
Ich gebe zu, ein großer Freund von The Sweet war ich nie. Die Glamrocker konnten mich höchstens mal auf einer Fete auf die Tanzfläche bringen. Aber als ernstzunehmende Band habe ich sie tatsächlich nie gesehen. Dabei muss man der Glitzertruppe zugutehalten, dass sie ganz passable Songs geschrieben haben. Was man aus ihrem Repertoire herausholen kann, verblüffte dann beim fast rein akustischen Konzert der drei sympathischen Engländer dann doch. Einer der Glanzpunkte des Abends war unbedingt „Love is like oxygen“.
„Love is like oxygen“
Der Song kam als hingebungsvoll gesungene Ballade und dank der Zweitstimmen sagenhaft voluminös und präsent. Pete Lincoln hat eh eine beneidenswerte Stimme mit einem Hauch von Heiserkeit auf dem Schmelz. Gar nicht zu vergleichen mit der von Sweet-Gründer Brian Connolly. Die Gitarrenarbeit von Peter Howarth erinnerte an die von Paul Simon, was dem Stück eine filigrane Struktur verlieh. Am liebsten hätte ich die Version gleich ein zweites und drittes Mal gehört.
Das Oldie-Herz geht gleich auf, wenn „Bus Stop“ von Graham Coxon und später der Hollies-Song „I Can’t Let Go“ als Opener erklingen – besonders beim mehrstimmigen Gesangspart am Schluss. Das ist einfach schön. Spätestens beim „Ho-chi-ka-ka-ho Co-Co“ des nächsten Sweet-Songs stand das Publikum das erste Mal auf den Beinen. Gut, „Poppa Joe“ musste ich nicht haben. Dafür wurde man aber sofort entschädigt mit dem 10cc-Song „The Things We Do for Love“. 10cc standen in den 70er und 80er Jahren nicht nur für stilistische Vielfalt, sondern vor allem für einen unglaublich fetten, satten Sound. Die Produktionen waren sensationell, die Songs strömten nur so aus den Lautsprechern und nahmen jeden Winkel des Raums ein, hüllten dich in eine bonbonfarbene Wolke und ließen dich nicht mehr los. Dazu gehört schon ein tolles Gesangstrio, das es schafft, diesen Soundeindruck zu vermitteln.
„You’re not in Love“
Howarth, Lincoln & Wilson können das. Das beweisen sie mehrmals an diesem Abend – sehr viel später auch mit dem anderen Wahnsinnshit von 10cc „You’re not in Love“: eine Version zum Anbeten.
Eines muss noch betont werden: Howarth, Lincoln & Mick Wilson singen oder sangen zwar alle mal bei den Hollies, Sweet und 10cc beziehungsweise Sailor. Aber sie waren nie Originalmitglieder der Bands. Sie lernten sich vor etlichen Jahren als Sänger und Gitarristen der Band von Sir Cliff Richard kennen, arbeiteten dann bei Lionel Ritchie, Kylie Minogue, Gary Barlow, Cher, Ellie Goulding oder Tina Turner, verfolgten aber auch erfolgreiche Solokarrieren. Die drei sind Vollblutmusiker und haben eine bemerkenswerte Präsenz auf der Bühne.
Die Frontm3n haben aber nicht nur Stücke der drei Bands mitgebracht, für die sie si(a)ngen: „The air that I breathe“ von Albert Hammond ist dabei oder „You Got It“ von Roy Orbison. Auch wahnsinnig schön: die Version von „Carrie“ (Cliff Richard).
„All for One“
Howarth, Lincoln & Wilson begnügen sich auch nicht nur mit der Neuinterpretation altbekannter Hits. Sie haben auch einige eigene Stücke im Repertoire, etwa „Solid Ground“ vom Debütalbum „All for One“ oder vom am 15. Oktober erscheinenden neuen Album „Walking Down The Line“, ein Stück, das vom Stil zwischen Mike & The Mechanics und Crosby, Stills & Nash liegt. Überhaupt erinnert das Trio an diesem Abend häufig an CSN. Nach knapp zwei Stunden entlassen die Frontm3n uns mit dem Ohrwurm von „Dreadlock Holiday“ in die Nacht.