Auf seinem neuen Soloalbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, das am 30. April 2021 erscheinen wird, schwingt sich Danger Dan zum Randy Newman des Rap auf, obwohl es gar kein Rap-Album ist. Elf ergreifende Klavierballaden, die Comedian-Harmonists-Chöre mit Hannes Wader, Antifaschismus mit Liebesliedern und kluge Zeitgeist-Diagnostik mit gen Himmel schwebenden Streichern vereinen. Die erste Single „Lauf Davon“ erscheint heute samt Musikvideo.
Der neue Danger Dan-Song „Lauf Davon“ ist eine Klavierballade, wie das kommende Soloalbum des in Aachen aufgewachsenen Berliner Musikers „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ überhaupt auch ein Klavier-Album ist, man denkt ein bisschen an „Sail Away“ von Randy Newman oder „Your Song“ von Elton John. Jedenfalls erscheint dem Protagonisten in „Lauf davon“ Lou Reed, er gibt ihm einen Tipp: „Lauf davon, so schnell du kannst, und fang irgendwo noch mal von vorne an.“
Danger Dan nutzt auf „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ immer wieder tatsächliche Erlebnisse als Basis für universell gültige Exkursionen, kluge Zeitgeist-Diagnostik und kitschfreie Liebeslieder. Mit großer Erzählkunst verzahnt er auf diese Weise seine Biografie mit dem Drama und der Lächerlichkeit der menschlichen Existenz. So führten etwa die tatsächlichen Ereignisse rund um ein Lou Reed-Konzert in Bordeaux indirekt zu einem wichtigen Umzug sowie zu einer der vielseitigsten und interessantesten Rap-und-einiges-mehr-Karrieren der vergangenen zehn Jahre, nämlich jener mit der Antilopen Gang, als deren Mitglied wir Danger Dan natürlich vor allem kennen.
Frühere Klavierstücke Danger Dans waren aber noch von einer humoristischen Note geprägt, die man in Deutschland meist unter dem Begriff Kleinkunst subsummiert. Danger Dans Perspektive war ironisch – und damit über den Dingen stehend, nicht angreifbar. »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« hingegen kündet von der Liebe dieses Mannes für die Musik, die er hier macht und für sein Instrument: das Klavier. Danger Dan legt sein Herz auf den Tisch, das macht das Album so gut.
Ein kurzer Exkurs: Die deutsche Entsprechung des angloamerikanischen Singer-Songwriters und des französischen Chansonniers ist der sogenannte Liedermacher. Politisch konnotierte, folkbasierte Musik also, meist auf der Akustikgitarre oder am Klavier vorgetragen, im Vordergrund stehen die Texte. Insbesondere in den Sechziger- und Siebzigerjahren bildeten populäre Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey oder Hannes Wader ein eigenes Genre, das in völliger Abgrenzung zu Rock und Pop funktionierte.
„Ich kenne diese ganzen alten Platten von meinen Eltern“, sagt Danger Dan. „Wader, Degenhardt, Konstantin Wecker, aber auch jemanden wie Bernie Conrads habe ich als Kind eher zwangsläufig gehört. Mein Vater hat mich auch später noch mit Sachen wie Georg Kreisler versorgt, weil er dachte, ich könnte das cool finden. Das war aber dann überhaupt nicht mein Sound. Seit ich mir meine Musik selbst ausgesucht habe, hatte ich damit eigentlich abgeschlossen. Trotzdem kenne ich diese Musik und ihre Sprache natürlich und weiß, wie das geht.“ Die Auseinandersetzung mit dem Sound seiner Kindheit verläuft für Danger Dan damals noch ironisch-distanziert: Zunächst wirtschaftet er einen zeitweise von ihm moderierten Liedermacherabend in seiner Heimatstadt Aachen in Grund und Boden, später bewirbt er sich mit einem komplett erfundenen Liedermacherprogramm für Auftritte auf Weihnachtsmärkten. Vom Bochumer Weihnachtsmarkt kommt sogar eine Zusage, der solchermaßen zustande gekommene, programmlose Abend endet im Fiasko.
„Dieser Auftritt in Bochum war unter Buh-Rufen geendet“, sagt er, „aber die dahinterstehende Idee hat mich über Jahre nicht losgelassen. So ein Album wie jetzt ‚Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt‘ zu machen, hatte ich also schon sehr lange vor, vielleicht schon immer. Ich wollte immer schon so einfache, schöne Lieder schreiben. Schnulzen gewissermaßen, keine Comedy. Insofern ist das jetzt auch keine Corona-Idee.“
Wie es schließlich doch noch dazu kam: Bis zum ersten Lockdown war die Antilopen Gang auf Tour gewesen und aus einer spontanen Eingebung heraus nahm Danger Dan danach das Klavier mit. Eigentlich war das Instrument zwischen den Tourneen eingelagert worden, zuhause hatte Dan schon seit Jahren kein Klavier mehr. Jetzt aber begann er wieder zu spielen, und während draußen die Welt anhielt, wurde sein Spiel flüssiger und besser. „Ich hatte nie geübt und mich mit den Einlagen bei den Konzerten immer so durchgemogelt“, sagt er.
Der erste Song, der schließlich auf diese Weise entsteht, ist tatsächlich „Nudeln und Klopapier“, jenes Coronalied, mit dem Danger Dan in den vergleichsweise sorgenfreien Tagen des ersten Lockdowns die Konsumgewohnheiten seiner apokalyptisch veranlagten Mitmenschen verballhornt. Im Grunde eine kleine Spielerei, ein kreativer Schnellschuss mit einem improvisierten Wackel-Video – das sich bis zum heutigen Tag über fünfhundertneunundsechzigtausend Mal geklickt hat. Danger Dan hatte einen Nerv getroffen.
Solchermaßen ermutigt, machte er weiter, er hatte jetzt richtig Spaß. Danger Dan saß alleine zuhause am Stage Piano, entwickelte Klavierbegleitungen und schrieb Texte, ging dann in den Proberaum der befreundeten Musikerin Charlotte Brandi, wo er die Songs weiter ausformulierte. Brandi ergänzte einige Spuren auf dem Akkordeon, die Songschreiberin und Sängerin Mine komponierte und arrangierte die sehr kitschfreien, sehr geschmackvollen Streicher, zu denen die Chöre beinahe so klingen wie einst jene der Comedian Harmonists. „Mine hat ein intuitives Gespür für die Sprache von Leuten wie mir, die von Musiktheorie nicht so viel Ahnung haben.“
Danger Dan hat mit Hilfe seiner Mitstreiterinnen genau den richtigen Ton getroffen: Mit den Mitteln der Liedermachermusik beschreibt er die Welt, wie sie jetzt und heute ist. Und so erfüllt sich mit „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ ein musikalischer Traum, der Danger Dan sein Leben lang begleitet hat. (Quelle: Check Yout Head)