Ozzy Osbourne kann es immer noch. Trotz Parkinson. Trotz sieben „verdammt langweiliger“ Jahre, die er in völliger Nüchternheit verbracht hat. Seine Stimme klingt mit 71 immer noch großartig, und gelegentlich gewinnt er gar die alte rohe Kraft zurück. Der Heavy-Metal-Meister hat ein neues Solo-Album veröffentlicht, sein erstes seit zehn Jahren. Auf Ordinary Man erlebt man den Prinzen der Dunkelheit, wie er zwischen herzlicher Ballade, heftigem Riffing, beseeltem Humor und ernsthaften Überlegungen über die Sterblichkeit tänzelt. Einfach klasse.
Von Dylan Cem Akalin
Der Mann ist besessen von Tod, Entsetzen, von Schädeln, Skeletten, Blut und Gemetzel, aber Ozzy Osbourne war doch immer einer, der das Leben zu sehr liebte, als dass er diese Ansichten in depressiven Gewändern präsentierte. Wie er jetzt als 71-Jähriger immer noch mit diesen Themen umgeht, hat auch etwas Rührendes. Ozzys Liebe zu all diesen gruseligen Dingen hatte auch immer etwas mit einer gewissen Abkehr vor der Wirklichkeit zu tun gehabt. Die wunderschönen dunklen Melodien, die er zu den Texten über die Absurditäten des Lebens schrieb, wankten auch immer ein wenig zwischen Bösartigkeit und Humor. Englisch halt. Und irgendwie kommt einem sein neues Album Ordinary Man vor, als würde er dem Sensenmann die lange Nase zeigen.
Der Tod bestimmt die Titel: „Today Is The End“, „Under The Graveyard“ und „Goodbye“. Wahrscheinlich wundert sich keiner mehr darüber als er selbst, dass er nach all den Eskapaden und dem schnellen und drogenreichen Rock’n’Roll-Leben überhaupt noch atmet.
Frank Sinatra des Darkrock
Das jaulende Solo auf „Under the Graveyard“ ist fantastisch, und „Eat Me“, eine nicht ganz ernst gemeinte Hommage an den Kannibalismus, erinnert doch fatal an seine alten Zeiten mit Black Sabbath, während das Elton John-Duett „Ordinary Man“ tatsächlich Ozzys großer Auftritt ist. Da kommt er als Frank Sinatra des Darkrock und versetzt uns in eine Stimmung, wo wir für den einsamen Künstler auf der leeren Bühne weinen wollen. „Gewöhnlicher Mann“? Ozzy ist eindeutig alles andere als das.
Dagegen ist „Goodbye“ alles andere als ein rührseliges Besinnen über sein bevorstehendes Schicksal, ein Hardrock-Banger im besten Black Sabbath-Stil mit einer furchteinflößenden Gitarre, die auch von Kim Thayil (Soundgarden) sein könnte, aber von Andrew Watt ist. Passt aber, denn schließlich geht es um seine eigene Beerdigung. Vor dem Fegefeuer hat er weniger Angst, als vor der schrecklichsten Vision einen echten englischen Gentleman, nämlich, dass es in Hölle womöglich keine Tea-Time gibt. Und dann lässt er noch ein brüllendes Gitarrensolo aus der Grube aufsteigen…
Ozzy auf der Speisekarte
Schon der Opener „Straight To Hell“ lässt das Sabbath-Herz höherschlagen, wenn er zu Power-Akkorden singt „Ich werde dich zum Schreien bringen / ich werde dich zum Stuhlgang bringen!“ – gefolgt von einem Lachen im Dracula-Stil.
„All My Life“ öffnet sich wie eine breite Brise und wird getragen von einer Melodie, die sich einbohrt, während „Eat Me“ mit einer Explosion einer Mundharmonika eingeläutet wird, aber statt in einen gemächlichen Blues oder Countryrock überzugehen, entwickelt sich der Song zu einem schweren Hardrock: „Ich bin auf der Speisekarte!“ / Sie werden keine Verdauungsstörungen bekommen! / Ich komme sogar mit Dessert!”
Schüsselweise Koks
Der Song ‚It’s A Raid‘, den er mit Post Malone präsentiert, erzählt von der Zeit, als Black Sabbath noch schüsselweise Kokain auf dem Tisch stehen hatte. An einem heißen Sommerabend in Los Angeles habe er die Klimaanlage anmachen wollen, drückte einen von den Knöpfen, was allerdings wohl die Alarmanlage war und die Polizei mit mehreren Einsatzwagen vor der gemieteten Villa standen. Als Ozzy die Streifenwagen sah, rief er laut „It’s a raid!“ und sein Kumpel und er verschanzten sich mit den Drogen im Klo. Weil er aber das Koks nicht einfach die Toilette runterspülen wollte, zog er sich so viel wie möglich davon durch die Nase …
Wegen seiner Parkinson-Erkrankung hat Ozzy erstmal alle Konzerte abgesagt, aber, so hat er versprochen, er wolle noch dieses Jahr ein neues Album rausbringen. Wir freuen uns jetzt schon!