Meister der Eskalation: Kvelertak in der Essigfabrik in Köln

Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Kvelertak ist ein Kunststückchen gelungen, nämlich mit ihrem Mix aus Hardcore Punk, Rock ’n’ Roll und Black Metal international erfolgreich zu werden – obwohl ihre Stücke überwiegend norwegische Texte haben. Das allein zeigt schon, wie gut diese Band sein muss. Und jetzt sind sie auf Tour, mit neuem Album und neuem Frontmann. Vidar Landa (Gitarre), Bjarte Lund Rolland (Gitarre), Marvin Nygaard (Bass), Håvard Takle Ohr (Schlagzeug) und Maciek Ofsad (Gitarre, Gesang) haben nach dem Weggang von Erlend Hjelvik vor zwei Jahren mit Ivar Nikolaisen einen alten Freund gewonnen, der schon am ersten Album beteiligt war. Der Auftritt in der Essigfabrik in Köln am Samstag: furios.

Von Georg Reichard

Kvelertak starten furios mit „Rogaland“, einem Lied über ihre norwegische Heimat und Opener auf dem neuen Album „Splid“. Das Gitarrenintro steigert sich unaufhaltsam, bis die Spannung explodiert und das Powerstück wie in Druckwellen durch die volle Essigfabrik rollt. Am Ende übernehmen wieder die drei Gitarristen die Regie, die für den Stil von Kvelertak so prägend sind. Folgerichtig stehen sie in einer Reihe mit dem neuen Sänger Ivar Nikolaisen vorne am Bühnenrand – so nah am Publikum wie möglich. Der enge Kontakt zur Öffentlichkeit ist sofort da, spätestens als sich Ivar in die Menge fallen lässt, die ihn durch die Halle und zurück zur Bühne trägt. Musikalisch spielen alle sechs Bandmitglieder eine gleichwichtige Rolle. Es gibt nicht „den“ Star, sondern eine gut funktionierende, eingespielte Einheit – auch live!

Weiter geht’s mit „Crack of Doom“, das auf dem neuen Album von Mastodons Troy Sanders unterstützt wird. Auch wenn der heute nicht dabei ist: ein vom Publikum heftigst gefeierter rauer Metalsong. Kvelertak sind Meister der Eskalation.

Deutliche Punkeinflüsse

„Bruane Brenn“ ist ein Ausflug in das Album „Meir“. Die Melodieführung wird mal vom Gesang und mal von den Gitarren übernommen. Beim Refrain vereinen sich beide Parts unisono (kommt bei Kvelertak öfter vor). Sogar die Zuschauer stimmen mit ein, was bei norwegischen Texten nicht so einfach ist.

Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Zurück zum aktuellen Album mit „Necrosoft“ und einem ebenfalls wunderschönen Refrain. Das nächste Stück „Discord“ lässt deutliche Punkeinflüsse erkennen lässt und wird vom Publikum mit „Hey, hey, hey“ Rufen eingeleitet. Obwohl der Track ganz neu ist, gibt es sogar hier Mitsinger.

Dass Kvelertak immer wieder andere Musikstile assimilieren, zeigt auch das von Ferne an Death Metal Bands erinnernde „Nekroskop“. Ivar nimmt ein zweites Bad auf der Menge, die tobt und mit ihm feiert.

Inspiriert von Van Halen

„1985“ orientiert sich eher an klassischen Rocksongs. Laut einem Interview stammt die Ursprungsidee von Van Halens Album „1984“. Davon merkt man aber heute nicht allzu viel. Jetzt startet auch der erster Crowd-Surfer. Zahlreiche werden folgen.

Ein Dating-Treff mit Satan? Darum geht‘s in „Stevnemøte med Satan“. Der Refrain kommt mir auch irgendwie bekannt vor. Vielleicht weil er so schnell ins Ohr geht. „Evig Vandrar“ glänzt mit einer weiteren wunderschönen Rockmelodie. Das Publikum braucht keine Einladung zum Mitklatschen und „Heyen“.

Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Danach hauen Kvelertak zwei harte Nummern von ihrem ersten Album um unsere Ohren. „Ulvetid“ ist der Aufreißer des Albums. Das brutale „Blodtørst“ warnt ausdrücklich vor übermäßigem Met Genuss und Streitsuche in einer Wikinger Bar, was tödliche Folgen haben kann. Getragen von breiten Gitarrenriffs schreit sich Ivar in „Berserkr“ die Seele aus dem Leib. Er schont sich wirklich nicht. „Mjød“ ist ein weiteres Hammerstück vom ersten Album. Die Ode an Odins Met wird angetrieben von der stampfenden Klangmaschine der drei Gitarren. Der Refrain (Odin ga oss…) lässt sich auch prima mitgrölen.

Zwei Zugaben

„Bråtebrann“ gehört zu den absoluten Meisterstücken von Kvelertak. Eine Hymne mit einem pathetischen Finale: ein großartiges Gitarren Solo, Duo, Trio, das sich immer mehr steigert und zum Schluss von einem Chorgesang untermalt wird. Der helle Wahnsinn. Unter dem Jubel des Publikums verlassen Kvelertak die Bühne, um nach einer angemessenen Zeit für zwei Zugaben zurückzukommen.

Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Ein weiterer Höhepunkt des Abends: „Fanden ta dette hull!“. Der Song aus dem aktuellen Album enthält alles, was Kvelertak so können. Er beginnt mit einem exzellent komponierten Hauptriff. Dann kommt das erste Brake und es wird im zweiten Teil stürmisch bis brachial. Danach geht’s wieder ruhiger und erzählender zu, bis alle Elemente in einem alles überragenden Schluss zusammenfinden. Auch das Publikum gibt noch mal alles!

Traditionell enden die Shows immer mit dem Stück „Kvelertak“ und der riesigen Fahne mit dem „K“. Ein Stück zum Ausrasten, Springen, Mitsingen, Kvelertak Feiern. Ein würdiger Abschluss eines großartigen Abends.

Rockalbum des Jahres

Vor drei Jahren sind Kvelertak in Köln noch mit dem ersten Sänger und Gründungsmitglied Erlend Hjelvik aufgetreten, der die Band 2018 überraschend verlassen hat. Auch damals war die Performance schon umwerfend. Aber die aktuelle Show ist noch vielseitiger und mitreißender. Dafür ist sicher auch das neue Material verantwortlich. Für mich ist „Splid“ jetzt schon das Rockalbum des Jahres.

Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Kvelertak in der Essigfabrik Köln. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski