Live im Kölner Yardclub: Howe Gelb’s Giant Sand ist Kult

Giant Sand im Kölner Yardclub. FOTO: Akalin

Köln. Es herrscht eine Stimmung wie in einer Wüstencantina aus einem Film von Quentin Tarantino. Die Bühne ist so schwach beleuchtet, dass man die Musiker nur schwach im fahlen roten Scheinwerferlicht ausmacht. Die Zuschauer stehen im engen Kölner Yardclub wie in einer Wartehalle einer Transitbusstrecke im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet. Auf der Bühne steht Howe Gelb mit seiner Band Giant Sand und singt von der verlorenen Liebe („Lost Love“), ein maroder Lounge Country-Swing.

Und wenn er die Leute im Paradies willkommen heißt, dann klingt das ganz und gar nicht nach einem Ort des Friedens und der Zufriedenheit. Gelb reicht es schon, wenn man weit genug von den Ufern der Lügen weg ist, wenn es weniger weh tut, zur Gesellschaft zu gehören. Howe Gelb ist eben der geborene Einzelgänger, der einsame Held, der in einem Jim Jarmusch-Film oder einem Roman von Cormac McCarthy entsprungen sein könnte. Die Figuren, die er besingt, sind so verloren wie er, die Landschaften weit und dörr. Howe ist der Begründer des Wüstenrock, in dem das Schlagzeug noch so scheppert wie in der Wirklichkeit, die Gitarren hallen wie in einem leeren Tanzsaal und sein beiläufiger Baritongesang schonungslose Geschichten erzählt.

Da kann ein Stück schon mal so fröhlich wie ein hawaiianisches Willkommenslied beginnen und sich in einem schleppend-schläfrigen Countrysong entwickeln wie „Every Now And Then“. Liebeslieder wie „The Eye Opening“ sind nicht romantisch, sie sind von einer eigenartigen schroffen Verzücktheit, wie sie nur ein Mann mit einer zerknitterten Vergangenheit singen kann. Die Krise ist der Nährboden seiner atmosphärischen Songs voller Wortspiele. Da geht es um Leute, die ihr Haus verlieren, von Menschen, die sich selbst verletzen, um sich zu spüren, sich blutige Füße vom Sprung auf die harten Felsen holen oder einfach nur, indem sie lieben. In den düsteren Pianosongs und schrägen Indie-Rocknummern, in denen Gitarren jaulen und die Töne auch mal wie welke Blätter vom Wind weggefegt werden, geht es ums Alter, die Liebe, um Tod und die Zeit. Und Liebeserklärungen gibt es auch, etwa an die kanadische Sängerin Leslie Feist: „Texting Feist“ könnte sowas wie ein Stones-Stück sein, wenn sich die Stones in eine Hütte in Arizona verschanzt hätten. Vielleicht wäre ihnen auch mal so eine irre Zeile wie diese von der feder gegangen: „Love turns deadly/ And the days become a Leonard Cohen medley“. Übrigens ein Stück aus dem großartigen aktuellen Album „Heartbreak Pass“, das den eindeutigen Schwerpunkt des Programms bildete.

Mit Brian Lopez hatte Howe nicht nur einen an den jungen Dylan erinnernden Gitarristen/Pianisten dabei, sondern einen, der sich mit seinem Sound toll in diese Giant Sand-eigene Stimmung einfügte. Gabriel Sullivan sorgte für schräge Slideguitar-Sounds, aber auch für den einen oder anderen Emotionsausbruch. Stoisch am Bass: Thoger T. Lund, Peter Dombernowsky am Schlagzeug.

Keine Frage, diese Band ist Kult. Howe Gelb ist es jedenfalls. Immerhin sind unter seinem Einfluss Desert Rock Bands entstanden, darunter Naked Prey oder Green On Red mit Chris Cacavas oder später Calexico – Gitarrenrock, der sowas wie den Soundtrack zu Arizonas Wüstenlandschaft bietet. Am Sonntag bewies Gelb, der die Band schon seit gut 30 Jahren immer wieder mit wechselnden Besetzungen führt, dass mit ihm immer noch zu rechnen ist.