Von Tania Rusca
Mit seinem unverzichtbaren Hut und einem auffälligen gelben Jackett tritt Zucchero Sugar Fornaciari auf die Bühne des KunstRasens in Bonn. Die grüne Kulisse der Rheinaue und die hellen Sonnenstrahlen der Abenddämmerung schmücken das Konzert mit zusätzlichem Fleur.
Es fängt zart an, mit den Songs der vergangenen Jahre „Spirito nel Buio”, „Soul Mama”, „Ci si arrende” und „La canzone che se ne va“. Dann aber wechseln schnell das Tempo und die Stimmung bei „Patigiano Reggiano“, eine Rock-and-Blues Anspielung auf die Herkunft des italienischen Sängers. 4500 Fans jubeln und tanzen. Und der Tanz geht weiter mit „L´urlo“ uns Baila, um dann wieder ruhig zu schwelgen bei „Dune mosse.“
Zucchero Sugar Fornaciari, der als Adelmo Fornaciari 1955 in einem kleinen Ort der Region Reggio Emilia geborene wurde, ist mittlerweile zu einem Weltstar geworden und kann auf eine vielköpfige internationale Band zählen. Die „Overdose d´amore Tour“, der mit drei Termine an der Royal Albert Hall in London gestartet ist, ist jetzt in Bonn auf dem KunstRasen angekommen – mit einem wunderbaren Jack Savoretti als Support.
„Overdose of Love World Tour“
Die „Overdose of Love World Tour“ sei nicht nur die Feier des 35-jährigen Jubiläums dieses Liedes, hatte der 68-Jährige kürzlich einer italienischen Zeitung erklärt: „Nachdem ich der Tour den Titel ‚Overdose of Love‘ gegeben habe, wecke ich Lust auf den Sommer, auf Tanzen, Lärm machen und positive Energie freizusetzen. Und dann ist es wichtig in der Welt, in der wir leben – das klingt vielleicht etwas ausdrucksvoll, aber so ist es: Wir brauchen mehr Liebe für alle.“
Der Mann ist einfach Emotion pur. Und so bedankt sich Zucchero beim Bonner Publikum: „Wonderful People, Wonderful Place“, sagt er beim Blick dieses wunderschönen Konzertplatzes am Rhein, der gesäumt von Bäumen ist. Und vielleicht erhascht er gar einen Blick aufs Siebengebirge. Über die Lärmschutzwand hinweg. Er führt dann in das nächste Lied ein, ein Lied für den Frieden, wie er auf Deutsch erklärt. Frieden, wiederholt er nochmals vor dem bewegenden „Un soffio caldo“.
Ein Mann voller Geschichten
Der Mann steckt voller Geschichten, und ich muss an das Interview denken, das er in Mailand der dortigen Zeitung gegeben hatte. Zunächst erzählt er, wie er als Kind mit seiner Familie an Weihnachten Roncocesi verließen, die kleine Stadt in der Provinz Reggio Emilia, in der er geboren wurde, und fuhren mit dem Zug nach Mailand, um eine Tante zu besuchen. Er erzählt von den schneebedeckten Feldern entlang der Strecke, der Unermesslichkeit des Hauptbahnhofs. Für Italiener sind Erinnerungen mit Geschmack und allen Sinnen verbunden. Er erzählt, wie sich die Familie eine „Rosetta col prosciutto“, ein besonderes Brot mit Schinken kaufte. „Wenn ich in einem Hotel in Mailand bin, frage ich immer nach diesem Brot, aber es ist verschwunden, es wird nicht mehr gebacken“, erzählt er.
Eine Anekdote
Und es folgt eine weitere Anekdote. Er muss 16, 17 Jahre alt gewesen sein. In einem Musikmagazin hatte er einen Absatz gefunden: „Renommierte Plattenfirma sucht neue Talente… Sie haben die Möglichkeit, bei uns eine 45 U/min aufzunehmen.“ Er brachte eine Band zusammen, und sie wurden die Monattis genannt. „Da war ich, ein langhaariger Mann, der in den Marmorsteinbrüchen arbeitete, ein Zimmermann und ein Maler … Wir waren nicht vorzeigbar, und ich sammelte etwas Geld, um alle zum Friseur zu bringen. Wir fuhren mit dem Van los und kamen vor dem Hauptquartier von Stella Edim an. Wir haben es geschafft, zwei unwürdige Stücke aufzunehmen. Doch ein paar Tage später traf die Rechnung bei uns ein. Eine unglaubliche Summe inklusive der Kleidung, weißen Anzügen von Pierre Cardin, die sie für ein Fotoshooting für uns geholt hatten. Ich habe das Kleid für meine Hochzeit recycelt.“
„Cosí Celeste“, ein Song über Liebe
Am Donnerstagabend folgt „Cosí Celeste“, ein Song über Liebe – nicht unbedingt zwischen Mann und Frau, sondern die ganze Liebe, wie hier von einem Vater für ihre Tochter. Bei dem folgenden „Miserere“ zeigt sich der unvergessliche Pavarotti auf den Bildschirmen und Gänsehaut macht sich auf meinem Körper breit – offenbar auch beim Publikum, die spontan Beifall klatschen, als Zucchero sagt, der Song sei „Luciano gewidmet“.
Zucchero überlässt dann der Band die Bühne, und diese rockt das Publikum weiter mit den Blues-Klassikern „Notbush City Limits“ und „Honky Tonky Train Blues.“
Mittlerweile umgezogen kommt der Sänger zurück für seine eigenen Klassiker: Nach dem seiner Oma gewidmeten, berührenden „Diamante“ eröffnet er wieder die Tanzfläche mit „Per colpa di chi“ und „Un diavolo in me“.
„Senza una donna/Without a Woman“
Als Zugabe bietet die Band noch das unvergessliche Stück „Senza una donna/Without a Woman“ und schließt mit dem rockigen „Chocabeck“.
Fast alle Songs singt er auf Italienisch, wie Zucchero selbst erklärt: „90 Prozent des Repertoires ist tatsächlich auf Italienisch… aber nicht wegen Spießigkeit, nein, sie sind einfach so besser, weil sie so echt sind!“
Die einzigartige Blues-Rock-Stimme Italiens hat den Bonnern einen wunderschönen, emotionsreichen Musikabend geschenkt. Für Zucchero geht es weiter – bis Ende Juli in Europa und dann nach Südamerika. Für die Bonner Zuschauer endet hier ein bluesiger Sommer Abend, der lange nicht vergessen wird.