Joe Satriani setzt mit „The Elephants of Mars“ ein verblüffendes Ausrufezeichen

Joe Satriani 2016 in Bonn. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Ein reines Gitarren-Instrumentalalbum- ist das noch zeitgemäß? Offenbar ja. Nachdem Robben Ford im vergangenen Jahr mit „Pure“ sein ersten Instrumentalalbum seit fast 25 Jahren herausgab und immer mehr Musiker/Bands den Reiz des rein Instrumentalen entdecken (u.a. Animals as Leaders „Parrhesia“, Manuel Barbará „Moonrise“, Solum „Encountering Murk“, Liquid Tension Experiment 3, Coevality „Multiple Personalities“), setzt jetzt der Meister des Genres Joe Satriani mit „The Elephants of Mars“ ein verblüffendes Ausrufezeichen.

Von Dylan Cem Akalin

Joe Satriani präsentiert mit „The Elephants of Mars“ ein erstaunlich vielseitiges Album mit einem hinreißenden Klang, neuen Gitarrensounds und ausgeklügelten Arrangements. „The Elephants on Mars“ klingt ganz und gar nicht rückwärtsgewandt wie ich zumindest zunächst befürchtet habe. Also kein „Furfing with the Aliens Vol. 2“. Das 19. Album des Rock-Gitarren-Virtuosen klingt wie eine neue Entdeckungsreise des Musikers in sich selbst. Natürlich klingt das alles immer noch nach Satriani. Aber der 65-Jährige ist viel zu entdeckungslustig und risikofreudig, als dass er alten Wein in neuen Schläuchen servieren würde.

Wie so viele andere Aufnahmen, die zurzeit auf dem Markt auftauchen, war „The Elephants on Mars“ auch ein Pandemieprojekt für Satriani und seine Mitstreiter, die von Kalifornien und Australien aus arbeiteten und die erzwungene Auszeit zum Nachdenken und Ausprobieren nutzten. Die 14 Tracks – alle Instrumentalstücke mit Ausnahme von „Through a Mother’s Day Darkly“, das Spoken-Word-Passagen von Cowriter Ned Evett enthält – reizen klangliche Möglichkeiten und Grenzen von Struktur und Klangfarben aus. „Elephants“ ist ohne Zweifel eine der interessantesten Satriani-Platten seit langem, was ihm die Freiheit gab, sich selbst voranzutreiben.

Subtiler orientalischer Beiklang

Satriani entführt uns im Opener in die „Sahara“, ein Stück mit subtilem orientalischem Beiklang, der eine zurückhaltende, sparsame Melodie unterstützt. Sein Spiel ist lyrisch und aufrichtig in seiner Frische. Wir hören erstmals diesen leicht archaischen, an rätselhafte Gesänge von Rüsseltieren erinnernden Gitarrensound. Das Arrangement hat filmische Qualität – ein erquickender Start für eine Reise, die folgt.

Die tanzenden Gitarrenlinien und Stimmungswechsel im Titeltrack werden dynamisch angetrieben von Schlagzeuger Kenny Aronoff. Die Songstruktur ist symphonisch und reizt die Rockmöglichkeiten aus. Der Bass von Bryan Beller hebt Satrianis Spiel in kosmische Dimensionen.

„Faceless“ zeigt uns tatsächlich ein anderes Gesicht des Gitarristen. Satriani nimmt sich zurück, die Melodie ist der King im Ring, Assoziationen zu Carlos Santana, Steve Vai, Steve Howe und Steve Morse werden wach. Spätestens am Ende der A-Seite des Doppel-Vinylalbums wird klar, dass Satriani uns einprägsame Melodien, beharrliche Rock-Grooves präsentiert. Die Platte verknüpft die Leichtigkeit des melodiebetonten Rock mit Jazz-, Fusions- und Shred-Elementen.

„Blue Foot Groovy“

„Blue Foot Groovy“ ist ein Beispiel für Satrianis Gefühl für Spannungsbögen. Die Melodie erinnert an Foreigners „Feels Like The First Time“, schwingt ganz leicht im Country, um dann in einem sagenhaften musikalischen Ausbruch zu enden. „Tension and Release“ geht voll auf Fusion/Prog, erinnert bisweilen gar an King Crimson. „Sailing the Seas of Ganymede“ erzeugt hervorragende Melodiebögen, bei denen Satriani zeigen kann, welche Möglichkeiten in einer E-Gitarre stecken, die Soundvielfalt ist bestechend – ein Beispiel dafür, dass Musik eben nicht unbedingt Lyrics braucht, um Emotionen, Bilder und Gedankenfilme zu erstellen. Satriani lässt uns eintauchen in eine Klangwelt, die fasziniert ist und gleichzeitig mit einer Fülle wie das Leben in einem Korallenriff beeindruckt.

„Doors of Perception“ startet indisch anmutend, einer entrückten, dunklen Melodie, „E 104th St NYC 1973“ erinnert in seinem Grundthema an Weather Report, auf „Pumpin‘“ wiederum dominieren funky Fusion-Seiten der Band mit einem fiebrigen Bass und energiegeladene, ganz leicht bluesigen Soloparts. „Dance Of The Spores“ ist der längste Song auf dem Album, ein schwerer, dunkler, futuristischer Track voller fetter Synthie- und Basslinien und Gitarrenriffs, bis das Solo uns durch eine fantastische Fabelwelt inklusiver Kirmesmusik entführt.

„Night Scene“ enthält pumpende Synth-Rhythmen mit einer positiven Grundhaltung, ein Stück, das wie ein Rundflug über einer lichterglänzenden Stadt in der Nacht euphorisiert. Die Gitarre auf „Through a Mother’s Day Darkly“ mit den Spoken-Word-Parts geht ab wie ein magischer Ritt übers Meer. Man kann Satriani geradezu sehen, wie er mit seiner Gitarre einsam auf einem Berggipfel steht und auf die Gitarre einpeitscht. Die letzten beiden Tracks sind das gefühlvolle und ruhig dahinfließende „22 Memory Lane“ und das melancholische, orchestrale „Desolation“.