Der zurzeit wohl angesagteste und erfolgreichste Blues-Rock-Gitarrist Joe Bonamassa spielte am Sonntagabend in der ausverkauften Beethovenhalle in Bonn. Zu seinem heutigen zweiten Konzert gibt es noch Karten an der Abendkasse.
Von Cem Akalin
Am Ende seines mehr als zweistündigen Konzertes ist der rostrote Anzug durchgeschwitzt. Auch wenn er sich am Sonntag kurz vor 20 Uhr bei dunkler Bühne mit Johnny Cashs „Ring of Fire“ aus dem Off ankündigen lässt, mit Country hatte das Konzert natürlich gar nichts zu tun. Auch nicht mit Retrorock. Das kurze Intro von Jethro Tulls „Locomotive Breath“, das er unter dem weißen Lichtkegel auf einer himmelblauen Fender Strat anschlägt, dient nur als Übergang zu „This Train“, einem Stück aus seinem Album „Blues of Desperation“, das am 25. März erscheinen wird. Doch eins machte Joe Bonamassa gleich von Anfang an klar: Der Mann hat ein Date – mit seinen Gitarren. Und er ist ein Liebhaber für gewisse Stunden. Immer wieder wechselt er seine Gitarren, um doch immer wieder zu seiner Nummer eins zurückzukehren, um mit ihr ein gewagtes Tänzchen auf den Brettern zu wagen: eine 1959er Gibson Les Paul.
Den ersten Teil des Konzertes bestreitet der 38-Jährige, der einst als Wunderkind mit gerade mal zwölf Jahren mit B.B. King auf der Bühne stand, mit Titeln aus dem noch unveröffentlichten Album. Vier Stücke gibt es daraus zu hören, unter anderem der Titeltrack, eine Art indisch durchsetzter Blues, in die Sitar-Stimmungen ebenso eingeflochten werden wie rockige Powerriffs, die sicher einem Peter Frampton gefallen hätten.
Sind es die brandneuen Songs oder der zunächst nicht gerade glänzende Sound in der Beethovenhalle? Bonamassa wirkt etwas gehetzt, die Soli sind sicher virtuos, aber für einen seiner Klasse nicht gerade aufregend. Das ändert sich dann aber schlagartig, so dass auch die Scheinwerferkonstruktionen über der Bühne wie sechs staunende blaue Augenpaare auf den Saitenvirtuosen hinabblicken. „No Good Place For The Lonely“ ist eine gute Überleitung zum Hauptprogramm des Abends – eine Verbeugung vor den großen Helden des Blues: Freddie King, B.B. King, Albert King und Muddy Waters werden ausgiebig gefeiert, und auch Jimi Hendrix („Hey Baby“) durfte nicht fehlen.
Bei Freddie Kings “See See Baby” kommt erstmals die Spielfreude auf, die man von Bonamassa kennt. Der Funke spring auch auf seine erstklassige Band rüber: Keyboarder Reese Wynans war schon ein versierter Begleiter von Stevie Ray Vaughan, Buddy Guy und Kenny Wayne Shepard. Wynans gibt den sensiblen Pianisten bei „Nobody Loves Me But My Mother”, den aufmerksamen Duett-Partner am E-Piano bei “Sloe Gin”, und auch als furiosen Solisten auf der Hammondorgel kann man ihn erleben, so wie bei der Zugabe, dem Muddy Waters-Stück „All Aboard“. Immer hundertprozent präsent ist auch der ideenreiche Bassist Michael Rhodes. Drummer Anton Fig bringt sich nicht nur als effektvoller Begleiter ins Spiel. Sein donnerndes Drumgewitter auf „Angel of Mercy“ unterstreicht Bonamassas Interpretation des Albert King-Klassikers als Metal-Cover. Beeindruckend auch sein überwiegend auf den harten, knallenden Toms gespieltes Solo auf „The Ballad of John Henry“, übrigens eines der Highlights des Abends – eine 17-Minuten-Version, die keine Wünsche offen lässt. Und dann sind da noch Lee Thorburg (Trompete) und Paulie Cerra (Saxophon), die als Bläsersatz für beeindruckendes Klangvolumen und nachhaltige Soli sorgen.
Aber der König in der Arena ist natürlich Joe Bonamassa, der ja auch noch über einen leidenschaftlich guten Gesang verfügt. „Sloe Gin“ bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Ohr. Diese Fingerfertigkeit und Fantasievielfalt sind imponierend: Ob sauberes Fingerpicking, reine Gitarrenläufe, fließende Slidegitarrenströme, schwere, effektvolle Rockakkorde auf der runtergestimmten Gitarre oder Stroboskopartige Soundblitze – das Geheimnis dieses Mannes ist wohl, dass er die Klaviatur der Dramatik beherrscht, wie derzeit nur wenige. Er weiß genau, wie er die Sounds einsetzt, er weiß genau, wie lange ein Solo sein darf ohne in Beliebigkeit abzufallen. Der Mann lässt die Töne aus seiner Gitarre wie Geigen wiegen, mangelt den Ton genüsslich aus den Saiten, lässt sein Instrument seufzen, klagen, trällern oder sinnenfreudig stöhnen. Joseph Lee Bonamassa, geboren am 8. Mai 1977 in New Hartford, New York, steht am Ende mit der wunderschönen Joe Bonamassa ES-335 mit der feinen Sunburst-Lackierung, und sieht aus, als würde er noch viele Tänze mit seinen Schätzchen drehen.
Die 1700 Fans, die ihm am Sonntagabend in der ausverkauften Beethovenhalle am Ende stehend zujubeln, erwarten’s jedenfalls. Und wie man den Workaholic kennt, wird noch einiges kommen
Am Montagaabend gab er in Bonn ein zweites Konzert mit demselben Programm.