Von Dylan C. Akalin
Was für eine grandiose Show! Was für ein fantastisch aufgelegter Entertainer! Rund 2000 Fans erleben am Montagabend ein knatsch buntes, außerordentlich unterhaltsames Konzert auf dem KunstRasen Bonn. Der britische Sänger und Songwriter Mika ist ja für seine lebendige, bunte Popmusik bekannt, aber wie unbeschwert und überaus sympathisch er seine Mischung aus Pop, Glam Rock und teilweise opernhaften Elementen präsentiert, ist einfach hin- und mitreißend. Und allein seine Fans mitzuerleben, war das Konzert schon Wert. Wie sie mitgehen, wie sie feiern, wie sie seine Songs vollenden – das dürfte auch so manchen Swiftie begeistern.
Die Welt des Mika ist äußerst farbenfroh. Knallige Kolorite, witzige Figuren, schreiende Effekte sind sein Ding. Die ganze Show ist ein Kaleidoskop aus audiovisuellen Erlebnissen. Neongrün leuchtet der Schriftzug im Hintergrund, und rote von weißen Blitzen umrandete Buchstaben formen den Namen von „Club Apocalypso“, in den uns Mika einlädt. Er selbst trägt einen hellblau schirmenden Anzug mit weißen Glückskleeblättern, als er die Bühne betritt und fast eine Prince-mäßige Version von „Ice Cream“ singt. Urlaubsfeeling war sofort da, nervige Gedanken sofort weg.
„Origin of Love“
Die riesige Leinwand im Hintergrund bildet sowas wie eine Comic-Kulisse für einen 40-jährigen Mann, der immer noch Spielkind ist, der sich immer noch die arglose Fantasie eines Heranwachsenden erhalten hat. Vielleicht ist es genau diese positiv-verrückte Energie, die er ausstrahlt, die seine Fans so lieben. Selbst eine Supernova lässt weder gigantische Trümmer noch ein schwarzes Loch zurück, sondern erschafft ein neues Universum – in Herzform. Mika schafft es, sowohl musikalisch als auch textlich eine einzigartige Mischung aus Spaß, Tiefe und künstlerischer Integrität zu bieten. Seine Musik und seine Shows sind eine Feier des Lebens und der Vielfalt.
Unbekümmert sitzt er bei „Origin of Love“ am Bühnenrand, während im Hintergrund riesige Rosenblüten auseinanderdriften und grüne Ufos landen. Kosmische Nebel und Sternhaufen versprühen die Schönheit der Unendlichkeit, während Mika vorne die Liebe zelebriert. Lila Figuren mit riesigen roten Kussmündern hüpfen im Hintergrund wie in einer Ferienkinderdisco zu „Lollipop“ , hypnotische Kreise als Augen bei „Stuck in the Middle“.
„Big Girl (You Are Beautiful)“
Bei „Big Girl (You Are Beautiful)“, einem Song, der sich für Körperpositivität und Selbstliebe stark macht, hat er mittlerweile einen Anzug aus feurigen Rot, Gelb und Pink an und läuft mitten durchs Publikum.
Graue Wolken schieben sich weg und wir tauchen ein in eine Unterwelt voller Marmorsäulen und schöner Skulpturen. „Underwater“ ist eine gefühlvolle Ballade, die sich durch ihre ruhige und ergreifende Atmosphäre auszeichnet. Der Song beginnt mit einem sanften Klavier, das von einer leisen Orchestrierung begleitet wird. Mikas Gesang ist hier besonders hervorzuheben. Er singt mit viel Emotion und Ausdruckskraft, was dem Song eine intime und berührende Note verleiht. Überhaupt ist es faszinierend, welchen Stimmumfang der Mann hat, mit welcher Leichtigkeit er von hohen Lagen in der Kopfstimme in tiefe Register umschaltet.
„Underwater“
„Underwater“ ist ein Lied, das metaphorisch die Tiefe von Gefühlen und Emotionen erforscht. Der Song handelt von einer tiefen, alles umfassenden Liebe, die den Sänger „unter Wasser“ zieht. Diese Metapher steht für die überwältigende Natur von starken Emotionen. Das Gefühl, unter Wasser zu sein, kann auch als Symbol für das Eintauchen in die Tiefen der eigenen Emotionen und die Hingabe an jemanden anderen gesehen werden: „You’re just a ghost of blissful feelings, a cloud of smoke that I keep breathing“, heißt es da zum Beispiel. Und: „Diving, and as we fall, the water makes us whole.“
„This is the coolest and weirdest thing that ever happened“
Danach: Partystimmung bei „Relax“, hin- und herwinkende Arme, eine einzige tanzende Menge. Danach hatte der Star eine „wichtige Frage“. Jetzt hätte er gerne ein Kölsch. Und tatsächlich lief von hinten eine junge Frau mit einem Glas Kölsch bis zur Bühne und brachte dem sichtlich überraschten Sänger ein Glas Kölsch: „This is the coolest and weirdest thing that ever happened“, rief er und genoss das kalte Kölsch, um danach einen Song über seine Helden der Jugendzeit anzukündigen: „Good Guys“ ist ein hymnischer Pop-Song, wie gemacht für einen lauen Sommerabend. Bei „Billy Brown“ sitzt er vor einer 3-D-Waldkulisse am Piano, während sich langsam die Landschaft hinter ihm verändert und Planeten ineinanderfließen.
Ganz in Weiß mit einer riesigen Blume am Revers taucht er dann bei „Elle Me Dit“ von der Bühnenseite auf, bunte Regenbögen wachsen über ihm bei „Grace Kelly“, einem wunderbaren und kraftvollen Statement über Selbstakzeptanz und Individualität. Die wunderschöne Ballade „Happy Ending“ ist mein Favorit des Abends, dieser positiv-melancholische Song über das Ende einer Beziehung lebt von der großartigen Stimmbeherrschung und den tiefen Gefühlen des Sängers. Am Ende kniet er am Bühnenrand und bedeckt sich mit unzähligen bunten Blüten. Mit „Love Today“, einem optimistischen, fröhlichen Song, der das Leben und die Liebe feiert, entlässt er uns, am Ende mit nacktem Oberkörper und sichtlich ausgelaugt, in die Nacht. Aus dem Off läuft „Yo Yo“, der R3hab Remix.