Am Ende stehen acht Mann auf der kleinen Bühnen des Yardclubs in Köln und spielen sich die Seele aus dem Leib. „Purple Rain“ von Prince mit vier Gitarristen! Das Devon Allman Project und Duane Betts geben ein Konzert, das nicht nur den alten Allman Brothers huldigt. Fast zweidreiviertelstunden leidenschaftlich gespielter Rock. Sensationell! Zum Heulen schön!
Von Dylan Cem Akalin
Ich liebe den Yardclub. Diese Schuhschachtel von Konzertstätte ist genau das Richtige für intensive Konzerte, wenn die Luft sich ebenso mit Hitze füllt wie die Musik, die aus den Lautsprechern herausströmt. Devon Allman braucht einen Moment bis er voll da ist. Als er um 21.37 Uhr auf die Bühne tritt, sich die Fender Strat umschnallt und „Mahalo“ anspielt, ist es zunächst so, als würde er sich die Energie aufsparen. Den Lederhut behält er auch auf, fast so, als sei er nich unentschieden, ob er bleiben oder gleich gehen sollte. Der Instrumentalsong mit dem melodischen Thema liegt in einer diffusen Zone zwischen jazzbeflügeltem und Südstaaten-Rock. Man hat den Sohn von Gregg Allman diesen Song schon ausgefallener spielen sehen. Nach dem ersten Break übernimmt Nicholas David mit einem Pianosolo, das an den fallenden Regen draußen erinnert. Das folgende Solo von Jackson Stokes auf seiner weißen SG ist deutlich härter und rockiger.
Großes Kino
„Alive“ liegt stimmlich in ziemlich tiefer Lage. Der Song ist ein Kopfnicker. Ein Stimmungsmacher. Allman spielt die Akkorde auf der akustischen Gitarre. Noch springt kein Feuer über. Das sollte sich dann ab dem dritten Stück maßgeblich ändern. Wie Allman den Spinners-Klassiker „I’ll Be Around“ singt, ist großes Kino. Der Mann hat eine so soulige Stimme, vor allem, wenn er mit solcher Hingabe singt. Er scheint diesen wie auf der Messerspitze tänzelnden Song zu lieben. Die Band wagt sogar ein paar gemeinsame Tanzschritte auf der Bühne. Die Gitarre fliegt nur so dahin, die Orgel wabert, und Justin Corgan liefert ein Funksolo auf dem funfsaitigen Bass, dass die Funken fliegen. Nach einem Break wird es deutlich sanfter, Allman streichelt die Töne geradezu aus seiner Gitarre, die Band wird immer leiser, so leise, dass man das Atmen seines Nebenmanns und seiner Nebenfrau hört. Nach einem ordentlichen Wumms der gesamten Band folgt das Thema und ein dramatischer Schluss. Genial.
Hippieversion von Hagrid
Das Devon Allman Project ist eine sechsköpfige Band mit zwei Percussionisten, John Lum und R. Scott Bryan, Bassist Justin Corgan, Gitarrist Jackson Stokes und Nicholas David, der normalerweise die Hammond B3 spielt, sich diesmal auf ein Keyboard mit breiter Soundmöglichkeit beschränkt und aussieht wie eine Hippieversion von Hagrid. David ist ein vielseitiger Mann, der immer die richtige Antwort auf die Vorgaben der Band hat. Scheinbar lässig spielt er mal klare Pianoläufe, mal schmatzende Orgelteppiche. Und singen kann der Kerl auch noch. Nach einem jazzigen Pianointro intoniert er Bill Withers‘ „Lean on Me“. Die Band (ohne Devon) zeigt bei diesem Cover ihre ganze Klasse. Irre, wie der Song zwischen Blues-, Reggae- und Country-Feeling wechselt, als würden sie sich beim Whiskey-Tasting die Gläser hin und herschieben. Das ist einfach nur unverschämt gut!
Zum Konzept gehört das Zusammenspiel mit Duane Betts, der seinem Gitarristen Johnny Stachela und Devon’s Rhythmusgruppe zuvor eine knappe Stunde gespielt hat. Das Set besteht aus Stücken von Honeytribe und der Royal Southern Brotherhood, bei denen Devon ja mitspielte, seiner eigenen Devon Allman Band und ein paar Coverversionen, natürlich auch von den Allman Brothers. Da hält sich Devon aber weitgehend zurück. Zum Beispiel bei der 14-Minuten-Version von „Elisabeth Reed“ überlässt er Betts die Bühne. Lediglich als letztes Stück des regulären Sets spielt er „Midnight Rider“ in einer bombastischen Version – eben mit der vollen Acht-Mann-Stärke und einem wirklich leidenschaftlichen Gesang.
Countrylastiger Southernrock
Betts leitet „Reed“ mit einer ziemlich schrägen Akkord-Folge ein, bis er dann das bekannte Thema unisono mit Johnny Stachela spielt. Überhaupt Stachela: Der Mann mit den feinen Gesichtszügen und dem breitkrempigen Hut auf dem Kopf ist ein Slidespezialist, klingt manchmal wie Derek Trucks, indes ohne dessen harmonischen Ausflüge in die Welt Indiens, des Orients oder des Bebop. Wenn Stachela der Leidenschaftliche unter den vier Gitarristen ist, Jackson Stokes der Virtuose mit dem jugendlichen Feuer, dann ist Betts eher der Skeptiker. Wenn der die Unterlippe hochschiebt und ernst auf die Gitarrenbünde blickt, dann heckt er wieder was aus. Betts ist risikofreudig, wagt es, auch mal völlig andere Wege zu gehen, auch wenn er dem countrylastigen Southernrock treu bleibt. Das zahlt sich aus.
Betts bewies schon zu Beginn des Abends mit seinen Eigenkompositionen wie dem Ohrwurm „Taking Time“ und „Ride It Out“, dass er ein exzellenter Songwriter ist. Wie gesagt, der Mann ist eher im Americana-betonten Rock unterwegs, und das ist gut so. Manchmal klingt er wie eine Kreuzung aus Buddy Guy und Mark Knopfler, die bei den Allman Brothers spielt… Sein Set war fantastisch, insbesondere die instrumentalen Sequenzen, wo sich die Band äußerst sensibel im Ansatz zeigte, die Band hat es einfach drauf, auch leise, sachte Akzente zu setzen. Das kannst du nur, wenn du ein Meister deines Faches bist.
Devon Allman ist keiner, der im Vordergrund stehen muss. Er räumt den anderen an diesem Abend großzügig viel Raum für ihre Eskapaden ein, spielt häufig genug die Akustikgitarre zur Begleitung. Vielleicht ist es ja der auf Lotusblüten sitzende Buddha, der seinen Unterarm ziert, dass er so tiefenentspannt ist. Aber wenn er zu seiner Axe greift, dann explodiert er vor Spielfreude. Ein spitzenmäßiger Konzertabend, der nachhaltig im Kopf und im Herzen bleibt!