Berauschend: Robert Plant bringt mit „Carry Fire“ die Essenz seiner Musik heraus

Was für eine brodelnde Mischung aus tiefem Blues, der Musik von den Appalachen, nordafrikanischen Rhythmen, Americana, Trip-Hop und richtig schwerem Led Zeppelin! Robert Plant bringt mit „Carry Fire“ die Essenz seiner Musikentwicklung heraus.

Von Dylan Cem Akalin

Da ist etwas, das sich durch alle Stücke hindurchzieht: dieser durchdringende Beat, der ein Gefühl von Furcht, ja, Ehrfurcht und Vorahnung vermittelt. Darüber der jugendliche Gesang des früheren Led Zeppelin-Frontmanns, der mit einer unerschütterlichen Klarheit, einer unbeugsamen Gewissheit eine Musik vermittelt, die so und nur so für ihn steht. Ein Statement, das keine Dokumentation für seine Daseinsberechtigung einfordert, sondern für sich steht wie ein festverwurzelter starker Baum am Abgrund in eine ungewisse Schlucht. Und das von einem Mann, der die Vergangenheit hinter sich gelassen hat, der nicht einmal gerne darüber schreibt. Immer wieder wurde er gefragt, ob und wann er denn mal seine Memoiren schreiben wollte. Was sicherlich einen reißenden Absatz finden würde. „Niemals“, sagt Plant, der im August seinen 70. Feiert. Seine Vergangenheit gehöre ihm und keinem sonst.

Der Mann ist die Coolness selbst. Geld hat er offensichtlich auch nicht nötig. Angeblich eine Milliarde Dollar sind ihm und den zwei anderen verbliebenen Led-Zeppelin-Mitgliedern angeboten worden, wenn sie nochmal zusammen kämen. Aber Plan hat kein Interesse. Er verfolgt, wie schon seit Jahren sein eigenes Ding.

Robert Plant FOTO: Warner

Und vieles, was sich auf dem exzellenten Album wiederfindet, das klingt tatsächlich wie ein Extrakt aus seinen vielen Ausflügen in die vielen Destinationen der Musikwelt. Country, Bluegrass, Worldmusik. Plant ist längst kein Suchender, er scheint aus den Vollen zu schöpfen. Und doch ist das Album so sehr Led Zeppelin, wie schon lange keines zuvor. Vielleicht hat es den Abstand gebraucht, um irgendwie einen Kreis zu schließen, der sich so einleuchtend anhört.

Und die Sensationell Space Shifters schmücken die Rock- und Folkelemente kunstvoll mit kleinen Sträußen aus Bendir, Oud und Djembe aus. „Carry Fire“ ist eine Vereinigung seiner Werke mit den Sensational Space Shifters, die auch dazu beigetragen haben, dass „Lullaby“ aus dem Jahr 2014 zu einem üppigen, psychedelischen Vergnügen wurden. Die Tribal-Rhythmen und die organische Instrumentierung, die liebevoll eingesetzten Synthesizer und Samples sind zurück, so dass „Carry Fire“ auch als Fortsetzung des vorherigen Albums gesehen werden kann. Der Grundsound vermittelt ein fast folkiges Lagerfeuer-Feeling, und getreu den musikalischen Wurzeln hat Plant die meisten Songs in den Blues eingebettet. Der Eröffnungstitel „The May Queen“ rollt in einem schweren perkussiven Groove mit Akustikgitarren und Geigen – ein berauschender Hörgenuss.

Lyrisch packt Plant auch politische und soziale Themen an, seien es die Übel des Kolonialismus in der Neuen Welt oder des gesteigerten Nationalismus („Carving Up the World Again“), in seiner britischen Ausprägung als Jingoismus bekannt. Viele der Songs, einschließlich des Titelsongs, sind tatsächlich hinreißende Liebesballaden, die mit für Plant typischen Fabeln versehen sind. Im Gegensatz dazu ist „Carving Up the World Again“ ein durchaus politikkritischer Song, der mit einem glockenartigen, nahöstlichen Gitarrensolo versehen ist und sich mit dem „Brexit“ und dem Diskurs von Präsident Trump beschäftigt. Einen Teil seines Titels aus einem Zitat von Trump ziehend, zielt  Plant eben auf den Jingoismus und die Flüchtlingskrise ab.

Ein weiteres Highlight ist das mitreißend coole Duett mit Chrissie Hynde auf „Bluebirds Over the Mountain“. Den alten Rockabilly  hat Plant mit einem gebrochenen Elektonik-Best aufgefrischt.