Die gute Nachricht vorweg: Yes lebt! Gitarrist Steve Howe, Drummer Alan White, Keyboarder Geoff Downes, Sänger Jon Davison und Bassist Billy Sherwood liefern uns am Montag im Bonner Brückenforum ein fantastisches Konzert.
Von Cem Akalin
Schon werkwürdig. Normalerweise kräht kein Hahn danach, wenn ein Bassist die Band verlässt. Mal von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Als aber Chris Squire im Juni vergangenen Jahres an Leukämie starb, beschäftigte die Fans die Frage: Kann es Yes ohne diesen präsenten Bassisten überhaupt noch geben? Dass Yes, diese Urmutter des Progressive-Rock, auch mal ohne ihren Sänger Jon Anderson auskommen konnten, bewiesen sie in ihrer fast 50-jährigen Geschichte so manches Mal, nicht immer erfolgreich, aber durchaus vertretbar. Immerhin gilt die hohe Falsettstimme Andersons als Markenzeichen der britischen Rockformation. Und mit dem jungen Jon Davison hat Yes wirklich einen außerordentlich guten Griff getan. Welche stimmlichen Qualitäten der einstige Glashammer-Frontmann hat, bewies er schon auf der Yes-Tour 2014.
Also galt die bange Frage vor ihrem Auftritt im Brückenforum dem Bassisten. Kann Billy Sherwood Squire ersetzen? Durchaus angemessen war die Erinnerung an Squire zu Beginn des Konzertes. Über die LED-Leinwand liefen Bilder von Squire, der die Band 1968 mit Jon Anderson gegründet hatte, aus dem Off lief „Onward“, eine Komposition des Bassisten vom Album „Tormato“.
Und dann startete das Quintett um Gitarrist Steve Howe, Drummer Alan White, Keyboarder Geoff Downes, Sänger Jon Davison und eben Billy Sherwood, um im ersten Teil des Abends das Album „Drama“ von 1980 komplett zu spielen. Das Album gehört sicherlich zu den Platten, die unter Yes-Fans am umstrittensten diskutiert werden. Und das lag nicht nur am Gesang von Trevor Horn damals, sondern weil die Band unter dessen Einfluss den Sprung in die süßlich-poppige Soundwelt der 1980er Jahre wagte. Irgendwie klang alles so synthetisch, was für eine Band, die stets großen technischen Aufwand leistet, um künstliche Sounds zu kreieren, vielleicht etwas widersprüchlich klingt. Doch im Brückenforum beweisen die Artrocker, was in dem Album tatsächlich steckt: wunderbare Melodieführungen, unübertreffliches Gruppenspiel und durchaus viel Yes. „Machine Messiah“ klingt in der Liveversion eine Spur härter, die Stimme Davison ist wesentlich präsenter. Das Publikum ist zufrieden.
Auch bei der musikalischen Verneigung vor dem ersten Yes-Gitarristen Peter Banks mit „Time And A Word“ bleibt es bei freundlichem Applaus. Mit der Zurückhaltung ist es allerdings schon bei den ersten Takten von „Siberian Khatru“ vorbei. Das Stück vom Album „Close to the Edge“ gehört zu den Hymnen der „Yessongs“ mit einigen Herausforderungen an die Stimme. Ein Paukenschlag vor der Pause.
An die Erfolge der Achtziger erinnerte die Band im zweiten Set. „ „Owner Of The Lonely Heart“ und Going For The One”
“Fragile” (1971) gilt zu Recht als Meilenstein des Progressive Rock, und er steht auch für eines der besten Besetzungen der Band, als Rick Wakeman als Keyboarder zur Band stieß. Yes verknüpften die jugendliche Popkreativität der Beatles mit der poetischen Stimmung eines Brahms, der suchenden Klangform eines Sibelius und dem revolutionären Streben eines Igor Strawinsky – alles Komponisten, die immer wieder zitiert werden. Die Vielschichtigkeit, zu der gerade auch Bassist Squire mit seinen scharfen, oft gegenläufigen Melodienführungen beigetragen hat, ist Prinzip. Es entsteht Musik, die nicht linear verläuft, sondern viele Dimensionen entstehen lässt. Und „Fragile“ ist überhaupt ein Album mit so vielen Gesichtern, in dem es rockig, jazzig, auch mal chaotisch zugeht und sogar Anklänge zum Flamenco Platz finden.
Und tatsächlich gelingt es der aktuellen Besetzung, diese Stimmungen rüberzubringen. Die Lichtschau, die Bilder auf der Leinwand, die glänzend aufgelegte Band, ein wie immer konzentriert arbeitender Steve Howe, der immer wieder neue Gitarren umlegt, manchmal im Song dreimal die Instrumente wechselt, ein verblüffend guter Sound – das alles trug zu einem fabelhaften Konzerterlebnis bei – mit vielen Gänsehautmomenten.
Ganz großartig: die Zugabe mit „Starship Trooper“. Und Sherwood? Der Bassist wurde geradezu euphorisch gefeiert. Wer solche lodernden Basssoli wie auf „The Fish“ hinkriegt, muss sich um seinen Platz bei Yes nicht sorgen. Nach diesem Abend wurde klar, warum er als Wunschnachfolger der brillanten Chris Squire galt.