Die großartige Toshiko Akiyoshi harmoniert mit der WDR Big Band auf geradezu unfassbare Weise

Von Cem Akalin

Die Premiere der WDR Big Band auf der Bühne der Bonner Oper gerät am Samstag zu einer großartigen Darbietung unter der Leitung der japanischstämmigen Komponistin, Pianistin und Big Band-Leiterin Toshiko Akiyoshi. Fast schien es so, als hätte die seit Mitte der 1950er Jahre in den USA lebende fast 84-jährige Jazzmusikerin ein Programm zusammengestellt, das auf die Akustik dieses Raumes abgestimmt war. Aber Akiyoshi ist ja bekannt für ihre Obsession für kompakte, räumliche Klangeffekte. „Ich schreibe in Soundschichten“, hat sie mal erzählt. Und das ist noch untertrieben. Mit welcher Raffinesse sie die harmonischen Klangfarben der Big Band und die Stärken der einzelnen Musiker fast traumwandlerisch einsetzt, ist ein faszinierendes Erlebnis.

Zudem scheint zwischen Orchester und Akiyoshi ein ganz besonderer Zauber zu herrschen, der auch auf das Publikum überspringt. Es ist schon richtig, was WDR Big Band-Producer Lucas Schmid in seiner Begrüßung sagte: Akiyoshi hat den orchestralen Jazz revolutioniert. Das beweist sie schon mit dem Opener „Long Yellow Road“, das sie seit 1961 schon in mehrfachen Versionen aufgenommen hat und beispielhaft für ihre programmatische Erzählkunst steht. Auch wenn ihr Fundament in der Tradition eines Gil Evans oder des Bandleader-Duos Thad Jones/Mel Lewis steht, so sehr arbeitet Akiyoshi doch immer an ihrem für sie typischen Collagestil einer expressiven Künstlerin. Sie liebt die überraschenden Momente, das Spontane eines Charles Mingus, mit dem sie auch mal gearbeitet hat, die Kontraste, die ideenreichen Wendungen. Und so müssen die Musiker der ersten Reihe während einer Komposition häufiger mal zwischen Saxofonen, Querflöten und Klarinetten wechseln. Eines der Highlights: „Hiroko’s Delight“, das temporeich startet mit einer tonangebenden Trompete im Hintergrund und einem fulminanten Solo von Baritonsaxofonist Jens Neufang. Danach geht es wie im Endspurt eines Staffellaufs zu den Trompetern, die bei Akiyoshi immer wieder jubelnde Ausrufe auslösen. Oder Karolina Strassmayers einfühlsames, japanisch anmutendes Querflötenspiel bei „Four Seansons“. Bewegend: der Epilog „Hope“ aus dem „Hiroshima Rising“-Zyklus. Zum Träumen: „Transcience“, ein Stück wie aus einem alten Hollywoodfilm. Brillant: Akiyoshis Pianosolo von Bud Powells Hardbop-Nummer „Un Poco Loco“.