„Underworld“ ist ein wunderbares Jazzalbum von Andreas Hourdakis

Andreas Hourdakis FOTO: Promo

Dieser Mann ist Gitarrist einer Hardcore-Neo-Trash-Band? Wer sich dieses wunderschöne Jazz-Instrumentalalbum „Underworld“ von Andreas Hourdakis anhört, wird kaum darauf kommen, dass dieser Musiker, der die Saiten seiner Jazzgitarre auf so subtile und elegante Art anschlägt, nebenbei auch noch für die Brachialband Bitchhawk tätig ist. Der schwedische Gitarrist Andreas Hourdakis ist jedoch nicht nur ein vielseitiger Künstler, sondern beweist mit seinem dritten Album, das er weitgehend mit seinem Trio mit Ola Winkler am Schlagzeug und Martin Höper am akustischen Bass aufgenommen hat, dass er vor allem einen erfinderischen Sinn für Harmonien hat.

Das Album ist genau das richtige für ruhige Abende am flackernden Kamin, voller entspannter Kompositionen, die bisweilen gar fast schmerzhaft schön erklingen – mittendrin immer diese wie aus dem verborgenen Horizont herüberwehende Gitarre. Es ist das Geheimnis der Magie, die das Album ausmacht, dass die Stücke klingen, als hätte die Band auf einer seidendünnen Bühne gespielt und wollte große Erschütterungen meiden. Das Trio ist sagenhaft aufeinander eingespielt und lässt die Kompositionen auf spitzfindige Art pulsieren. Wunderbar reiht sich Cornetspieler Tobias Wiklund auf „Talos Run“ in diesen Tanz um den schönen Ton von Hourdakis‘ Gitarre ein, der jede Note vom Griffbrett wie mit dem Pinsel streicht. Genau dadurch entsteht eine schillernde Spannung, die den Zuhörer fesselt.

Nicht überraschend ist, dass sich einige der Titel auf dem Album mit der griechischen Mythologie befassen, blickt doch Hourdakis auf griechische Wurzeln zurück. Andreas Hourdakis wurde 1981 in Malmö, Schweden, geboren und begann im Alter von elf Jahren Gitarre zu spielen. Während seiner Teenagerjahre spielte und nahm er zwei Alben mit einer Hardcore-Band namens Neverending auf. Nach einem ästhetischen Programm in der Sekundarstufe II studierte er zwei Jahre an einer Musikhochschule in Svalöv, dann drei Jahre am Royal College of Music in Stockholm. Er ist an mehreren Bands und Projekten in Schweden und den USA beteiligt, zum Beispiel an Desert Soul oder Nyfors und arbeitet als Sideman auch mit Jeanette Lindström, Asha Ali, Winkler und Sebastian Studnitzky.

„Unto a Star“

Schon der Opener „Unto a Star“ beginnt mit zurückhaltender Attitüde mit einer Reihe von eckigen Läufen und recht wenigen Akkordfolgen. „Craftsman“ startet mit einem flotten Bassriff, über das Hourdakis seine farbenfrohen Läufe legt. Talos umkreiste nach der griechischen Mythologie als Riese aus Erz die Insel Kreta dreimal täglich und warf Steine auf alle Schiffe, die sich näherten. Landete dennoch jemand, erhitzte sich der Riese bis zur Rotglut. Ließ sich der Angreifer auch davon nicht abschrecken, verbrannte ihn Talos, indem er ihn umarmte. „Talos Run“ erklingt nun gar nicht bedrohlich, ganz im Gegenteil, er beginnt eher wie das sanfte Plätschern von Wellen an einem lauen Sandstrand. Erst allmählich entwickelt sich daraus allmählich ein Kreuzfeuer zwischen dem Gitarristen und dem Gast-Keyboarder Daniel Karlsson (übrigens ein Bandkollege in Magnus Öströms Band).

Bedrohlich klingt auch „Aiwass“, der nächste Titel, nicht. Aiwass soll der Name eines ägyptischen Gottes sein, der dem Okkultisten Aleister Crowley den Text seines Buches Liber AL vel Legis diktiert haben soll. Diese beklemmende Vorstellung erreicht seinen Höhepunkt durch instrumentale Dialoge zwischen Hourdakis und Tobias Winklund. Einfall klasse. Hourdakis dreht sich hier alles um die Arpeggios und Läufe, so dass sich der Bassist zwischendurch heimlich fortbewegen kann. Das feurige Spiel von Winklund setzt auf den Part des Unbequemen.

„Midnight“ entführt in süße, entrückte Gefilde, „On Matter“ ist ein Stück transzendenter Lehrstunde des Jazz. „Ganymede“, soll von Zeus besonders geliebt worden sein, nicht nur platonisch. Am bekanntesten ist wahrscheinlich Goethes Ganymed, in dem die Verbundenheit mit der Natur und das Streben zu Gott im Mittelpunkt steht. Wir wissen nicht, ob der Musiker dieses Gedicht als Inspiration herangezogen hat, aber die Gitarre strebt ähnlich sehnsüchtig vorwärts. Und wenn das Tempo anzieht, liefern Bass und Schlagzeug noch mehr Dringlichkeit in das Werk. Wunderbar. Und da fällt uns nur noch Goethes Zeilen dazu ein: „Ach, an deinem Busen/Lieg ich, schmachte,/Und deine Blumen, dein Gras/Drängen sich an mein Herz.“