Eric Schaefer und sein Projekt „Kyoto mon Amour“ in der Bundeskunsthalle Bonn

Eric Schaefer und Kyoto Mon Amour FOTO: Dylan Cem Akalin

Ost trifft West. Mit seinem Programm „Kyoto mon Amour“ begeisterte Eric Schaefer mit seinem Ensemble am Samstagabend das Publikum in der Bundeskunsthalle Bonn.

Von Dylan Cem Akalin

Man kennt Eric Schaefer ja von seiner empathischen Arbeit mit Ulrike Haage und Michael Wollny. Der Schlagwerker gehört zu jenen seines Fachs, die zwar auch mal ein Gewitter aufziehen lassen können, aber sich auch soweit zurücknehmen können, dass ihnen ein richtig platziertes Klingeln, ein sanfter Gong oder ein ganz sachtes Spiel mit dem Besen reichen, um effektvoll zu sein. Aber dass Eric Schaefer ein solch guter Erzähler ist, das war mir bislang nicht bekannt.

Was aber einfach nur schön war, war das Zusammenspiel von Schaefer, Kazutoki Umezu, eigens aus Tokio angereister Klarinettist und einer der herausragenden japanischen Vertreter des Creative Jazz, Naoko Kikuchi (Koto) und Bassist John Eckhardt. Die Koto ist eine mit 13 Naylonsaiten bespannte Wölbbrettzither, die weniger voll klingt als eine Harfe, eher wie angeschlagene stumpfe Klaviersaiten.

Alain Resnais‘ „Hiroshima Mon Amour“

Der Titel des Programms ist unverkennbar inspiriert und leitet sich aus Alain Resnais‘ bekannten Streifen „Hiroshima Mon Amour“. Wir hören auch eine Bearbeitung des Soundtracks des Films, das mit einem Vorspiel von Klarinette und Koto beginnt. Naoko Kikuchi spielt hier eine eher abstrakte Folge, begleitet von Klingeln und Glocken bis die Klarinette das Ruder an sich und das Tempo anzieht. Umezu ist ein Musiker mit einem breiten Erfahrungsschatz. In den 70ern spielte der Kalrinettist/Saxofonist mit progressiven Musikern wie Lester Bowie, Arthur Blythe und John Zorn. Er gab sich dem Free Jazz hin, gründete zwischendurch eine japanische Klezmerband, spielte in einer Band, die Arabeske und Jazz vereinte, ist Mitglied des niederländischen Saxophon-Sextett De Zes Winden und arbeitete mit so unterschiedlichen Künstlern wie Mal Waldron, Marc Ribot, Wayne Horvitz, David Sanborn und B. B. King zusammen. Mit anderen Worten: Der Mann ist unberechenbar, und das im positiven Sinne. Zudem besitzt er eine gesunde Portion Humor, was auch immer wieder in sein expressives Spiel durchscheint.

Eric Schaefer FOTO: Nathan Dreessen/JFB

Mit diesem Projekt dokumentiert Schaefer eindeutig seine Faszination für die Gegensätze Japans, für Musik, Philosophie und Religion des fernasiatischen Landes. Das beweisen auch seine hinreißenden und bildhaften Erzählungen, sei es über die einzigartige Landschaft oder die dunklen Ecken der Hafenstadt Osaka oder die Menschen und ihre Mythen. „Tengu“ ist ein Geist auf dem Berg Kurama, ein imposanter Halbmensch, dessen herausragendes Merkmal eine lange Nase und große Flügel sind, ein „Geist, der meistens schlecht gelaunt ist“, erzählt Schaefer. Entsprechend kraftvoll und Trommelbetont geht es in dieser Komposition zu.

Hinreißend sensibler Bass

Die verschiedenen Besuche in Japan hinterließen bei Schaefer einen sehr tiefen Eindruck, der sich eben in verschiedenen Titeln niederschlägt. Bei „Santoka’s Walk“ spielt Eckhardt einen hinreißend sensiblen Bass, die Koto klingt wie sanft rieselnde Reiskörner, und die Bassklarinette abstrahiert das Wiegen von Grashalmen. Japan ist ein Kontrast für sich: Es gibt ein tiefes Mitgefühl und Respekt für die Tradition, andererseits spielen Innovation und Fortschritt eine äußerst wichtige Rolle im täglichen Leben der Japaner. Genau diese Gegensätze würden ihn auch interessieren, sagt Schaefer.

Diese verarbeitet er in der Auftragskomposition „Moving Along/Kyoto Station“: Bass und Klarinette schmiegen sich in der Melodie an, begleitet von Windspielen, doch die Harmonie ist nicht von langer Dauer. Die Klarinette bläst zum Sturm eines Wespenschwarms. Interessant ist Kazutoki Umezus Spiel auf „Ticket To Osaka“ mit türkisch-orientalischen Moods, Hinweisen auf Klezmer und völlig verrückten Wendungen, als würde er einen rasanten Comicfilm begleiten. Auf diesem Stück beweist auch Naoko Kikuchi, dass die Koto auch durchaus aggressive Seiten haben kann. Sie spielt faszinierende Arpeggien, schlägt blitzschnelle Folgen und saust mit ihren Fingern über die Saiten wie der Schnellzug Maglev.

Dabei lebte der Opener „Shoshu-san“ noch von der fast folkloristischen Melodieführung am schönen Holzinstrument. Das Stück befasst sich mit Ensō – dem Symbol aus der japanischen Kalligraphie, das auch das aktuelle Album ziert. Es symbolisiert Erleuchtung, Eleganz, das Universum, aber auch die Leere.

Kontrolle und Reinheit

Eric Schaefer FOTO: Nathan Dreessen/JFB

Von Leere kann aber bei dieser Musik gar nicht die Frage sein. „Kussa Karu Otome“ („Gras scheidendes Mädchen“) ist eine Adaption eines Stückes von Hirumo Handa aus seinem Album „Disques Espérance“ (1979). Schaefer spielt voluminöse Drums, die umso räumlicher klingen, weil die Rhythmen vom perkussiven Spiel der Koto unterstützt werden.

Bei „Kyoto Mon Amour“ herrschen Kontrolle und Reinheit vor. Schön, wie Schaefer und seine Mitstreiter eine einzigartige Klangwelt aufbauen, in der traditionelle Instrumente wie Koto eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite bleibt es mit Kazutoki Umezu auf der (Bass-) Klarinette jazzig. Ein ganz besonderes Konzerterlebnis!