Der Mann sieht zwar mittlerweile aus wie ein weiß gewordenes Pumuckl mit Bart, aber Elwood Francis setzt direkt beim Eröffnungsstück „Got Me Under Pressure“ Maßstäbe – zumindest mit seinem aufsehenerregenden gelben 17-saitigen Fender-Bass. Das ist schon ein Hingucker. Der Bass. Aber auch Elwood Francis mit seinen in alle Richtungen abstehenden, strubbeligen Haaren und dem Bart, den sich der Bassist hat wachsen lassen. Wahrscheinlich arbeitsrechtliche Voraussetzung, um Teil des texanischen Rocktrios ZZ Top zu werden.
Um es gleich vorwegzunehmen: Dusty Hills berühmter Bolin „Fell-Bass“ wird später bei „Legs“ auch zum Einsatz kommen.
Rund 85 Minuten Auftritt
ZZ Top, die legendäre Rockband aus Houston, Texas, spielt am Freitagabend vor 6500 Fans auf dem KunstRasen Bonn. Nicht mal 80 Minuten begeistern Billy Gibbons (Gitarre, Gesang), Francis und Frank Beard (Schlagzeug) mit einer Tour d’horizon ihres Oevres, das immerhin seit 1969 besteht. Und Gibbons weiß auch mit 74 Jahren seiner Gitarre die schönsten Läufe zu entlocken. Ihre Mischung aus Blues-Rock, Boogie und Hard Rock, geprägt von Gibbons’ virtuosem Gitarrenspiel, den markanten Basslinien und Beards kraftvollem Schlagzeugspiel sind auch 2024 noch relevant.
Zu Beginn ist der Sound indes noch etwas zurückhaltend, er klingt bisweilen wie aus der Retorte. Merkwürdig entrückt, statt kraftvoll. Doch die eingängigen Riffs, die bluesigen Melodien und der rauchig-coole Gesang packen die Fans vom ersten Takt an. Doch der Sound wird schnell nachreguliert und ist bald glasklar und kraftvoll. Übrigens auch im hinteren Teil des Platzes ist der Klang auf dem KunstRasen richtig gut. Gegen Ende des Konzertes wird es glücklicherweise ein klein wenig lauter. Super.
Viele Klassiker auf der Setlist
Nachdem Dusty Hill am 28. Juli 2021 unerwartet im Alter von 72 Jahren verstarb, fragten sich viele Fans, ob das Trio überhaupt noch Bestand haben könnte. Hill war nicht nur ein Gründungsmitglied, sondern auch ein wesentlicher Teil des charakteristischen ZZ Top-Sounds. Seine tiefe, kraftvolle Stimme und sein unverwechselbares Bassspiel trugen maßgeblich zur Musik der Band bei. Dusty habe gewollt, dass die Band weitermacht, sagte Gibbons und habe selbst seinen Nachfolger bestimmt: Elwood Francis, langjähriger Gitarrentechniker der Band. Und Francis bringt tatsächlich frischen Wind in die Band, bleibt aber gleichzeitig dem traditionellen Sound treu, den die Fans lieben.
Die Setlist an diesem Abend ist bestückt sowohl mit Klassikern als auch einigen weniger bekannten Stücken. Nach dem kraftvollen Opener „Got Me Under Pressure“, folgt mit „I Thank You“ ein Cover von Sam & Dave und damit eine Hommage an ihre Wurzeln im Rhythm and Blues. Nahtlos geht es in „Waitin‘ for the Bus“. Bei „Jesus Just Left Chicago“ geht es etwas lässiger zu, dass „Gimme All Your Lovin’“ immer noch ein absoluter Publikumsliebling mit einem eingängigen Riff ist, zeigt sich auch an diesem Abend wieder, als die Fans ordentlich mitsingen. „Pearl Necklace“ ist ein humorvoller Song mit typischem ZZ Top-Flair und doppeldeutigen Zeilen, und mit schönen Momenten, damit Frank Beard ordentlich auf die mit Whiskeyfässern angebrachten Bassdrums treten kann. Am Schluss gibt es ein schönes lautes Gitarren-Bass-Scharmützel.
Billy Gibbons schaut Fußball
Die roten Schuhe von Francis glitzern im Licht der Scheinwerfer, als Gibbons „Bluestime“ ausruft. „I’m Bad, I’m Nationwide“ ist Song, der die coole, lässige Seite der Band unterstreicht. Da hat Spanien gerade das Siegtor gegen Deutschland erzielt, als Gibbons noch ein schönes Solo ohne Bandbegleitung einfügt. Das hätte ihn sicher interessiert, denn Billy Gibbons schaute vor dem Konzert und danach interessiert die Fußballspiele der EM, erzählt Konzertveranstalter Ernst-Ludwig Hartz am Rande. Er sei völlig begeistert vom Bonner Publikum gewesen.
Wir hören noch „I Gotsta Get Paid“, einen eher modernerer Track, „My Head’s in Mississippi“, der Band tief in ihre musikalischen Wurzeln eintauchen lässt. Merle Travis‘ „Sixteen Tons“ klingt bei ZZ Top viel lässiger. „Just Got Paid“ ist ein klassischer Rocksong mit einem unvergesslichen Riff. Und nicht fehlen darf der größte Hit der Band: „Sharp Dressed Man“, und „Legs“, mit dem die Band das reguläre Set nach nur einer Stunde beendet.
Das gab es zur Zugabe
Zur Zugabe gibt es „Brown Sugar“, ein bluesiger Kracher, das tanzbare „Tube Snake Boogie“ und der Höhepunkt: „La Grange“.
Nichtsdestotrotz hätte ich mir noch etwas mehr von Billy Gibbons tollem Gitarrenspiel gewünscht. Der Mann ist tief in den Blueswurzeln verankert, nutzte aber nicht unbedingt alle Register, die ihm zur Verfügung stehen. Dennoch: Gibbons’ oft minimalistische Spiel ist effektiv, er gehört ja eh nicht zu jenen, die zu viel unnötige Noten spielen. Etwas mehr Slide-Gitarre hätte mir jedenfalls gefallen.
Auf „La Grange“ mit dem ikonischen Boogie-Riff im Intro zeigt Gibbons, dass er immer noch energische Soli spielen kann, mit einer Mischung aus schnellen Läufen und langsamen, ausdrucksstarken Bendings. Gibbons nutzt hier den vollen Tonumfang seiner Gitarre und wechselt zwischen hohen und tiefen Registern, um Spannung und Dynamik aufzubauen. Stark.
Setlist ZZ Top in Bonn:
Got Me Under Pressure
I Thank You (Sam & Dave cover)
Waitin‘ for the Bus
Jesus Just Left Chicago
Gimme All Your Lovin‘
Pearl Necklace
I’m Bad, I’m Nationwide
I Gotsta Get Paid
My Head’s in Mississippi
Sixteen Tons (Merle Travis cover)
Just Got Paid
Sharp Dressed Man
Legs
Encore:
Brown Sugar
Tube Snake Boogie
La Grange