Ziegenhorn und Zauberhände – Jazzfest Bonn 2025 endet mit spektakulärem Konzert von Sarah Chaksad Large Ensemble und Hiromi’s Sonicwonder

Hiromi's Sonicwonder am 24.05.2025 im Telekom Forum FOTO: JFB/Heike Fischer

Von Anfang bis Ekstase: Das Finale des Jazzfest Bonn mit dem Sarah Chaksad Large Ensemble und Hiromi’s Sonicwonder im Telekomforum ist kein leiser Ausklang, sondern ein Feuerwerk der Klangfarben.

Von Dylan C. Akalin

Es beginnt mit Kreisen. „Circle“, das erste Stück des Sarah Chaksad Large Ensemble, baut sich wie eine Landschaft auf, die sich langsam dreht, die Perspektiven verschiebt. Die Komponistin und Saxophonistin Sarah Chaksad steht nicht im Zentrum, sondern lässt Raum entstehen, in dem sich ihr 14-köpfiges Ensemble mit organischer Selbstverständlichkeit entfalten kann. Der Sound ist warm, durchlässig, nie überladen, fast ein wenig konventionell – obwohl hier eine Big Band agiert, die keine Angst vor Intimität kennt. Das beweist schon Tenorsaxophonist Fabian Willmann mit seinem lyrischen Solo.

Und dann: Hildegunn Øiseth

Und dann: Hildegunn Øiseth. Zunächst mit einem Trompetenton, so klar und gleichzeitig geerdet, dass er sich sofort vom Gesamtklang abhebt – nicht dominierend, sondern segnend – und das schon in der zweiten Nummer „Imagine Peace“. Im Stück „Together“ aber wird es magisch. Øiseth hebt ein Ziegenhorn an die Lippen, und was zunächst archaisch wirkt, entfaltet sich als klangliches Chamäleon.

Einfach sagenhaft: Hildegunn Øiseth beim Sarah Chaksad Large Ensemble FOTO: JFB/Heike Fischer

Mal klingt es wie ein fernes Rufsignal aus einer anderen Zeit, dann wieder fast elektronisch – ein glatter, schwebender Sound wie aus einem Pat-Metheny-Traum. Stellenweise scheint es, als würde im Horn eine Saite mitschwingen, so obertonreich vibriert der Ton im Raum. Die Anstrengung steht Øiseth ins Gesicht geschrieben, das Spiel auf diesem Instrument verlangt mehr als Virtuosität: Es ist ein Ringen mit Atem, Muskel und Magie. Der Applaus danach ist mehr als Beifall – es ist ein kollektives, staunendes Einverständnis. Diese in der Schweiz lebende norwegische Musikerin möchte ich gerne mal mit ihrem eigenen Ensemble erleben.

Sarah Chaksad FOTO: JFB/Heike Fischer

In „Song Of A Lark“ erhebt sich Yumi Ito mit glasklarem Gesang über die dichten Harmonien, Julia Hülsmanns Klavierspiel gibt Struktur, Fabio Gouvea an der Gitarre sorgt für Erdung. Chaksad beweist mit ihrer Setlist („Green I“, „Green II“, „Tears“, „Lost“) ein feines Gespür für Dramaturgie: ein Spannungsbogen, der nicht in Dramatik, sondern in Tiefe mündet.

Aus einer anderen Welt: Hiromi und ihre Band

Doch was danach folgt, ist ein ganz anderer Planet.

Hiromi betritt die Bühne nicht, sie „entert“ sie – in bunt, in schrill, mit einem Funkeln in den Augen, das sagt: Jetzt geht’s los. „Utopia“, der erste Song, ist ein wilder Ritt ohne Aufwärmphase. Hiromi springt hinein wie in kaltes Wasser und heizt es augenblicklich zum Kochen. Ihre Finger rasen über Tasten, die Synthesizer glitzern und kreischen, der Flügel kracht und jubiliert – und es ist sie, die die Band antreibt, nicht andersherum.

Hiromi’s Sonicwonder am 24.05.2025 im Telekom Forum FOTO: JFB/Heike Fischer

Ihre Mitspieler? Erstklassig. Vor allem Adam O’Farrill an der Trompete: souverän, klar, absolut unerschütterlich. Während Hiromi fordernd auf die rhythmische Tube drückt, bleibt er cool, setzt Akzente mit einer Präzision, als würde er das Chaos zähmen. Neben seiner fantastischen solistischen Virtuosität hat der Mann auch noch ein Gespür für Sounds und verfremdet den Klang seiner Trompete mit Hilfe elektronischer Geräte. Hadrien Feraud am Bass und Gene Coye am Schlagzeug geben sich keine Blöße, sie tanzen mit Hiromi durch die vertrackten Strukturen von „Out There“ – in seinen fünf Teilen ein kleines Universum zwischen Funk, Fusion, Wahnsinn und Witz.

Am Ende: „Balloon Pop“. Der Titel ist Programm. Es knallt, es quietscht, es glänzt, und Hiromi lacht – ein echtes, ausgelassenes Lachen, das den ganzen Saal ansteckt.

Hiromi’s Sonicwonder am 24.05.2025 im Telekom Forum FOTO: JFB/Heike Fischer

Dieses Finale des Jazzfest Bonn ist kein ruhiger Schlussstrich. Es ist ein farbiger Bogen, ein rauschendes Doppelbild zweier Klangwelten: Chaksads poetische Weite und Hiromis explosive Ekstase. Wer beides erleben durfte, geht beseelt – und vielleicht sogar ein bisschen überdreht – in die verregnete Bonner Nacht.

Sarah Chaksad Large Ensemble:

Sarah Chaksad (Alt- und Sopransaxophon, Komposition), Yumi Ito (Vocals), Fernando Brox (Flöten), Fabian Willmann (Tenorsaxophon), Charlotte Lang (Baritonsaxophon, Bassklarinette), Hildegunn Oiseth (Trompete und Ziegenhorn), Paco Andreo (Ventilposaune, Euphonium), Lukas Wyss (Posaune), Sophia Nidecker (Tuba), Julia Hülsmann (Klavier), Fabio Gouvea (Gitarre), Dominique Girod (Bass), Eva Klesse (Schlagzeug)

Setlist Sarah Chaksad:

Circle
Imagine Peace
Green I
Green Ii
Song Of A Lark
Tears
Together
Lost
Love Letters

Hiromi’s Sonicwonder:

Hiromi (Klavier, Synthesizer), Adam O’Farrill (Trompete), Hadrien Feraud (Bass), Gene Coye (Schlagzeug)

Setlist Hiromi:

Utopia
Out there : takin‘ off
Out there : Strollin‘
Out there : Orion
Out there : The quest

Pendulum
Balloon Pop

Das Sarah Chaksad Large Ensemble FOTO: JFB/Heike Fischer
Julia Hülsmann und das Sarah Chaksad Large Ensemble FOTO: JFB/Heike Fischer
Das Sarah Chaksad Large Ensemble FOTO: JFB/Heike Fischer
Hiromi’s Sonicwonder am 24.05.2025 im Telekom Forum FOTO: JFB/Heike Fischer