Voll ist es in der Harmonie, und das war zu erwarten, schließlich beehrt die Band um Wishbone Ash-Gründungsmitglied Andy Powell die Bonner Traditionsbühne bereits seit Jahren regelmäßig und weiß stets zu begeistern.
Von Freda Ressel
Eine Vorband ist diesmal nicht dabei, das ist aber auch nicht weiter schlimm, schließlich ist das Publikum offensichtlich ohnehin von Kopf bis Fuß auf die vier Herren aus England eingestellt. Als netter Gag beginnt das Konzert mit einem Intro vom Band, in das die Musiker dann nahtlos auf der Bühne übergehen, um im Anschluss das instrumentale „Real Guitars have wings“ zu spielen.
Eine echte Ansage, denn die Band, die im Laufe der letzten 49 Jahre verschiedenste Inkarnationen und Stilwechsel durchlebte, wird vor allem für die singenden, zweistimmigen Gitarrenläufe verehrt. Und die bringt Powell hier mit „Neugitarrist“ Mark Abrahams (dabei seit 2017) durchgehend auf den Punkt. Bassist Bob Skeat gibt sich als sympathischer Underdog und sucht stetig den Augenkontakt mit dem Publikum, während er wie selbstverständlich absolut tight die wildesten Läufe spielt, ohne auf das Griffbrett zu schauen. Dabei bilden er und Drummer Joe Crabtree (immerhin auch schon 12 Jahre auf dieser Position) eine perfekt aufeinander eingespielte Einheit. Crabtree, technisch hervorragend, findet dabei sogar noch Zeit, allerlei Sticktricks zu machen.
Wie beiläufig beeindruckende Soli
Dass die Zeit an der Band nicht spurlos vorbeigegangen ist, merkt man vor allem an Powells Stimme, die natürlich nicht mehr den Biss und die Tonsicherheit der Anfangstage. Aber das kann man ihm nachsehen, schließlich spielt er wie beiläufig beeindruckende Soli, meist im Einklang mit Abrahams, und hat dabei nichts von der technischen Finesse und der Spielfreude der Gründungsjahre verloren.
Das Set besteht größtenteils aus älterem Material, vor allem Klassiker wie „The King will come“, „Warrior“ oder „Throw Down the Sword“, die die Rockgeschichte nicht unerheblich mitgeprägt haben, dürfen nicht fehlen – hier sieht man auch viele Luft-Gitarren und Bässe im Publikum. Das wuchtige Jam-Stück „F.U.B.B.“ mit seinem Uptempo-Ende ist ein weiteres Highlight – man merkt der Band den Spaß und die Leidenschaft hier besonders deutlich an.
Imposantes Gitarrenarsenal
Ein paar Akustikstücke in der Mitte des Sets zeigen eine andere, sanfte und Textorientiertere Facette der Band, doch man merkt, dass das Publikum sich bald wieder die Flying Vs, Telecasters und Les Pauls (unter anderem – die Band hat tatsächlich ein ziemlich imposantes Gitarrenarsenal im Gepäck) zurückwünscht. Dem kommen Powell und Co. aber recht schnell nach und liefern neben „neuerem“ Material wie dem rockigen „Standing in the Rain“ aus dem Jahr 1991 auch eine ausgedehnte Version des Klassikers „Phoenix“ ab, die in frenetischen Rufen nach einer Zugabe endet. Die Band antwortet mit dem Crowdpleaser „Blowing Free“, den sie ebenfalls wunderbar in die Länge zieht und nach weit über zehn Minuten immer noch zu früh beendet.
Dass die Band klanglich weiterhin Maßstäbe setzt, zeigt die große Zahl an Menschen, die nach dem Konzert noch an der Bühne verweilen, um einen verstohlenen Blick auf die imposante Sammlung an Verstärkern, Effektpedalen und Gitarren der Band zu werfen. Denn auch wenn die Songs teilweise 49 Jahre auf dem Buckel haben, klingen sie an diesem Abend nie verstaubt, sondern einfach zeitlos genial.