Imke von Helden hat die Konstruktion von kultureller Identität in der norwegischen Metal-Musik untersucht.
Wilde Wikinger, weite Fjorde, reißende Flüsse und jede Menge laute Musik – das sind nur einige Assoziationen, die viele Menschen sofort an Norwegen denken lassen. Die Skandinavistin Dr. Imke von Helden hat sich in ihrer an der Universität Freiburg vorgelegten Dissertation insbesondere der Metal-Musik gewidmet. Thema der Arbeit „Norwegian Native Art – Cultural Identity in Norwegian Metal Music“ ist die Bedeutung von nordischer Geschichte und Mythologie für die Konstruktion von kultureller Identität in Norwegen.
„Metal gehört in Norwegen zum Mainstream. Zudem ist die Metal-Kultur ein Phänomen der Globalisierung, das einen gegenwärtigen Trend in der Identitätskonstruktion darstellt“, sagt von Helden. Ihre Analyse der Konstruktion und Erfahrung kultureller Identität konzentriert sich auf drei Punkte: Sie zieht die Ästhetik von nordischem Metal heran, um mit Hilfe der visuellen und textlichen Ebenen thematische Schwerpunkte zu identifizieren. Der besondere Zusammenhang zwischen Sprechen und Handeln erfährt in der Analyse von Musikvideos und einem kurzen Einblick in die Klangwelten Berücksichtigung. Um gegenwärtige Perspektiven auf „das Nordische“ und seine Rolle in der Konstruktion kultureller Identität zu identifizieren, zieht die Autorin in Interviews Perspektiven einiger norwegischer Musiker hinzu und eröffnet damit den Blick auf Beweggründe, Ideologien und Quellen.
Themen wie die Wikingerzeit, Mythologie und die Darstellung nordischer Natur dienten im gesamten skandinavischen Raum mehrere Jahrhunderte als Quelle nationaler wie gesamtskandinavischer Identitätsbildung. „In westlich geprägten Kulturen des 21. Jahrhunderts haben diese ‚nordischen‘ Elemente eine Wandlung vom kulturpolitischen Marker hin zu einem nahezu allgegenwärtigen populärkulturellen Phänomen erfahren. Sie begegnen uns in Filmen, Comics und Videospielen, aber auch in der Namensgebung von Kettensägen, Gummistiefeln und Hockeyclubs. Mit dem Etikett ‚Wikinger‘ assoziiert man Kraft, Ausdauer und Freiheit“, erläutert von Helden.
Auch in der Heavy-Metal-Kultur wurde dieser Themenkomplex Wikinger – Mythologie – Natur zentral adaptiert und dient dort als Mittel kultureller Verortung. „Die Verwendung nordischer Themenfelder im Metal begann bereits 1988, als die schwedische Band Bathory solche Referenzen in ihrem Album Blood Fire Death aufgriff.“ Viking Metal, wie dieses Phänomen oft genannt wird, wurde in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren in Europa, Nord- und Südamerika zum Verkaufsschlager. In Norwegen entstanden im Umfeld des in den 1990er Jahren aufstrebenden Black Metal mit seiner Ablehnung des Christentums eine Reihe von Bands, die sich von der anti-christlichen Ausrichtung abwandten. Diese Gruppen setzten sich mit der wikingerzeitlichen Geschichte der skandinavischen Länder und Aufzeichnungen nordischer Sagas auseinander. „Die Geschichten rund um die nordischen Götter, die Helden der Sagas und die Darstellung von Schlachten passten perfekt zur ohnehin martialischen Metal-Ästhetik.“
Aufgrund dieser Ästhetik würden Musiker und Fans häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, rechtsextrem und rassistisch zu sein, da sich viele neonazistische Gruppierungen auf vermeintliche Lebenswelten der Wikingerzeit beriefen und sich an als nordisch wahrgenommenen Elementen wie Runen bedienten. In Ihrer Dissertation fragt von Helden nach den Motiven und Beweggründen von Bands, die sich von solchen Szenen und Gruppierungen abgrenzen wollen. „Die Konstellation Wikingerzeit, nordische Mythologie und Natur dient meines Erachtens der kulturellen Positionierung und trägt damit zur Konstruktion und Erfahrung einer kulturellen Identität bei.“ Die Motive und Absichten in diesem Kontext, so die Autorin, sind genau wie potenzielle ideologische Implikationen äußerst verschieden.