Der Auftritt von Muse war wieder einmal spektakulär – zudem erlebten die Fans bei Rock am Ring vier Premieren aus dem neuen Album, die die Band erstmals live präsentierte.
Von Dylan Cem Akalin
Das Titelstück „Will of the People“ aus dem neuen Muse-Album, das am 26. August erscheinen soll, bildete den eindrucksvollen Opener. Frontmann und Gitarrist Matthew Bellamy, Chris Wolstenholme (E-Bass, Gesang, Synthesizer) und Dominic Howard (Schlagzeug) betraten pünktlich um 22.30 Uhr ganz in schwarz gekleidet und mit metallisch glänzenden, futuristischen Masken die Hauptbühne, während schon an der rechten Bühnenseite Flammen zügelten.
Der Song ist von ungewöhnlicher Aggressivität, von einer Intensität, die einem gleich den Atem raubt – auch aufgrund der aufsehenerregenden Show. Kein Wunder. Das Album, erzählte Bellamy kürzlich über die Plattenfirma, sei unter dem Eindruck „der zunehmenden Unsicherheit und Instabilität in der Welt“ entstanden. „Eine Pandemie, neue Kriege in Europa, massive Proteste und Unruhen, ein versuchter Aufstand, das Wanken der westlichen Demokratie, zunehmender Autoritarismus, Waldbrände und Naturkatastrophen und die Destabilisierung der globalen Ordnung – all das beeinflusste ‚Will Of The People‘“, fuhr er fort.
Es ist gut, dass sich Bands mit den aktuellen Themen auseinandersetzen, die die Menschen beschäftigen. Muse haben dazu eine fiktionale Geschichte genutzt, um sich mit den Mechanismen eines autoritären Systems auseinanderzusetzen. Na ja, man will es sich eben mit keinem potenziellen Gastland verscherzen. Hier geht es um ein fiktives Metaversum und einen Staat auf einem fiktiven Planeten, auf dem der Staat und die Menschen von einem Algorithmus gesteuert werden – bis einer aufsteht und dagegen rebelliert.
Massive Bässe und schräge archaisch wirkende Sounds von Bellamys Gitarre bestimmen „Interlude“, bei „Hysteria“ singt die Menge beim Chorus mit, während Bellamy am Ende des Bühnenstegs steht, umrahmt von stahlgleißenden Scheinwerferkegeln wie in einem Käfig aus Licht. Die Musikalität der drei Muse-Helden ist über alle Zweifel erhaben. Wer über den Steg läuft und dann noch im Outro Against the Machines Riff aus „Know Your Enemy“ anspielt, muss schon eine besondere Gabe haben. Übrigens bei „Map of the Problematique“ arbeitet er in sein er noch das Thema von „Who Knows Who“ und das Riff von Slipknots “Duality” ein. Traumhaft!
Mit orientalischen Moods beginnt „Won’t Stand Down“, auch aus dem noch erscheinenden Album, zunächst ganz unspektakulär, mit einem dröhnenden Bass und einer flotten Singzeile, die an einen Kinderreim erinnert, obwohl es um Angst und Panik, Trostlosigkeit und Verzweiflung geht. Doch dann nimmt das Stück eine dramatische Wende. Der Vorhang im Hintergrund fällt und ein riesiges Untier zum Vorschein kommt, während vor der Bühne eine Flammenwand hochschießt und der Frontmann die Zeilen schreit: „Life will flash before my eyes“. Vom neuen Album sind auch „Compliance“, das Stück über die Abgabe von Verantwortung und Selbstkontrolle, auch ein Appell, sein Recht auf Wahlfreiheit zu nutzen. „Kill or Be Killed“ gibt es als vierten Song vom neuen Album zur Zugabe.
Immer wieder ein geiles Kollektiverlebnis: „Madness“, ein stadiontauglicher Dauerbrenner. „Citizen Erased“ kommt ziemlich heavy rüber.
Muse sind ein reiner Rock ’n‘ Roll-Spektakel, gefüllt mit erstaunlichen Spezialeffekten, dynamischen Darbietungen, 22 soliden Songs und viel Luftschlangen. Die Briten überzeugen mit ihren synthetischen Melodien, die immer eine Spur Glamour, Sci-Fi-Hymnen und Pop-Metal in sich tragen. Mitunter schwindelerregend.