Von Dylan C. Akalin
Gov’t Mule und ihr Frontmann Warren Haynes gehören zu den abwechslungsreichsten Bands mit der größten Überraschungsrate in der aktuellen Rockmusikszene. Haynes ist Sänger, Gitarrist, Songwriter und Richtungsgeber der 1994 als Nebenprojekt einiger Allman Brothers Band-Mitglieder entstandenen Truppe aus Atlanta, Georgia, die ihrem Southern Rock, nicht nur Elemente des Blues und Rockjam, sondern auch Jazz, Americana, Country und Psychedelic Rock verpassen. Am Montagabend hat Gov’t Mule im London Palladium ihre Europa-Tour gestartet – mit einem ebenso fulminanten wie ungewöhnlichen und wieder mal starken Auftritt.
In der 144 Minuten reinen Spielzeit erleben wir Meditatives, Berauschendes und jede Menge Gitarrensoli, die das Publikum immer wieder aus den Sesseln hob.
Kevin Scott am Bass
Geradezu kontemplativ beginnt das Konzert mit „Bad Little Doggie“ (Life Before Insanity), um dann aber mit „Blind Man in the Dark“ (Dose) den Angriffsmodus zu starten. Leicht verzerrter Gesang, über den Haynes scharfe Gitarrenlinien spielt. „About To Rage“ (Déjà Voodoo) leitet eine leise Orgel ein, in den ein straighter, fetter Bass und die harten Drums einsteigen. Haynes Gitarre zerschneidet wie eine scharfe Axt den Fluss des Intros. Bei diesem Stück erleben wir das erste ungewöhnliche Instrumentalduell zwischen Haynes und Keyboarder/Multiinstrumentalist Danny Louis.
Kurz zur Band, die einfach fantastisch ist: Nachdem Jorgen Carlsson im Sommer Gov’t Mule verlassen hat, bedient nun Kevin Scott den Viersaiter. Die Wahl hätte gar nicht besser sein können. Der Mann aus Alabama hat einen ausgeprägten, selbstbewussten Sound, der irgendwie immer präsent, aber nie aufdringlich ist. Die Linien, die er spielt, sind unterstützend, wo es angebracht ist, und passagenweise so frei, dass sie für sich alleine stehen könnten. Als junger Bursche spielte er in der Bluegrass-Band seines Vaters, bevor er nach Atlanta zog und sich in der reichen Musikszene der Stadt engagierte. So eignete er sich eine Mischung aus Blues, Rock, Jazz und Funk für seinen eigenen Sound an. Er spielte mit Colonel Bruce Hampton, Wayne Krantz, Jimmy Herring und John McLaughlin. Wenn das nicht eine Empfehlung für Gov’t Mule war!
Matt Abts und Danny Louis
Über Drummer Matt Abts muss man nichts mehr sagen. Der einstige Drummer der Allman Brothers Band ist auch mit 70 Jahren eine knallharte Maschine. Total begeistert bin ich auch von Danny Louis. Gibt es eigentlich irgendetwas, was der nicht kann? Bei „Mule“ spielt er ein Keyboardsolo, bei dem ich kurz dachte, da spielt Zappa im Hintergrund. Dann holt er auch mal die Posaune raus und gibt einem Stück einen Swing-Kick, wie im Mittelteil von „Revolution Come, Revolution Go“, oder spielt die zweite Gitarre („Trane“). Dieser Künstler ist nicht ohne Grund ein gefragter Mann im Rock’n’Roll-Business und stand deshalb schon mit The Kinks, Gregg Allman, Joe Cocker, Levon Helm, Phil Lesh und Eric Clapton auf der Bühne.
Als Warren Haynes dann für „Wake Up Dead“ von der Gibson Firebird für den Rest des Abends auf verschiedene Les Paul-Gitarren wechselt, wird sein Sound geradezu versöhnlicher. Klänge von Americana und leichter Country-Einschlag kommt bei „Banks of the Deep End“, ein wunderschöner Song aus dem Album „The Deep End, Volume 1“, bei dem Haynes seine Qualitäten als Singer/Songwriter ausspielt.
„Thelonious Beck“
Trommelwirbel kündigt ein recht seltenes Stück an: „Thelonius Beck“ (Dose) mit schrägen, jazzigen Riffs und psychedelic-jazzigen Soli an Gitarre und Keyboards, mit Tempiwechseln und schwindelerregenden Harmonien. Die Ballade „Same as It Ever Was“, einer meiner Lieblingssongs der Band, ist interessant arrangiert, indem die Band uns mit emotionalen Wechselbädern konfrontiert, da werden Stimmungen wie in einer erhabenen Kirche aufgebaut, die dann Riffs zerreißen wie Peitschenhiebe in einer Zirkusvorstellung. In Waynes Gitarrensolo kommt eine Passage, in der Abts praktisch die Läufe des Gitarristen unisono begleitet. Grandios! „Time to Confess“ kommt als funky Reggae mit psychedelischen Rockparts.
Schräg wird es nach der Pause erneut: Nach „Mule“ präsentiert uns Gov’t Mule nach einem avantgardistischen Intro „The River Only Flows One Way“: ein elfminütiger Dauerrausch voller Soundeffekte, Spielfreude und unglaublichen solistischen Meisterleistungen der Bandmitglieder. Auf „Rumble“, einem Song von Wray & His Raymen, klingt Waynes wie der junge Carlos Santana, „Sex Machine“ von Sly & the Family Stone hat ein Swing-Intro, „Eternity’s Breath“ vom Mahavishnu Orchestra lebt von Tepiwechseln und dem schnellen Instrumental-Thema, „Thorazine Shuffle“ hat diese durchgehende Bass-Führung, die das offizielle Set fulminant beendet. Zur Zugabe gibt es „Ain’t No Love in the Heart of the City“, im original von Bobby “Blue” Bland, aber ich kenne die tolle Version von Whitesnake. Von den Allman Brothers gibt es an diesem Abend nichts zu hören, so sehr die britischen Fans auch zwischen den Stücken immer wieder nach alten Titeln riefen. „Sorry“, sagt Warren Haynes irgendwann, „mein Englisch ist leider nicht so gut“.
Setlist Gov’t Mule in London
Set 1:
Bad Little Doggie
Blind Man in the Dark
About to Rage
Wake Up Dead
Banks of the Deep End
Thelonius Beck
Same as It Ever Was
Revolution Come, Revolution Go
Time to Confess
Set 2:
Mule
The River Only Flows One Way
After the Storm
Trane
Rumble (Link Wray & His Raymen cover)
Sex Machine (Sly & the Family Stone cover)
Eternity’s Breath (Mahavishnu Orchestra cover)
St Stephen Jam
Beautifully Broken
Thorazine Shuffle
Encore:
Ain’t No Love in the Heart of the City (Bobby “Blue” Bland cover)