Es ist dunkel und neblig. So stellt man sich den Herbst in Island vor. Die weite, märchenhafte Landschaft liegt im Dunst verborgen. Und dann ist da dieser Junge, der auf der Gitarre klimpert und Lieder in einer Sprache singt, die kein Mensch versteht, was aber egal ist. Weil er so verträumt ausschaut. Und die Lieder klingen wie aus der Ferne, wie aus einer Höhle. Das Konzert von Ásgeir Trausti Einarsson im Kölner Gloria ist seit Wochen ausverkauft. Und seine Lieder klingen live elektronischer und dadurch noch ein wenig unwirklicher.
Von Dylan Cem Akalin
Der Opener ist noch auf Isländisch. Als er dann „New Day“ anstimmt und wir die Zeilen hören: „When the flowers grow/They lift their heads up to the glow/And find a way to make things okay…“ dann sind die Mädchen hin und weg, und die Jungs wollen da gerade so sein wie er da vorne. Überraschend singt Ásgeir später seinen Hit „Torrent“ nicht in Englisch. Also hören wir „Nýfallið regn“ auf Isländisch, wobei er sich am Klavier begleitet.
Der größte Exportschlager Islands
Der Singer-Songwriter ist seit Björk und Sigur Rós wohl der größte Exportschlager Islands. Der Mann brach mit seinem Debütalbum „Dýrð í dauðaþögn“ („Ruhm in der Stille des Todes) alle nationalen Verkaufsrekorde. Statistisch gesehen hat jeder zehnte Haushalt auf der kalten Insel sein Album im Regal stehen, gefühlt jeder dritte. Zwei Jahre später, 2014, kam der internationale Durchbruch.
Es ist wohl diese hohe, reine Stimme zu den melancholischen Songs zwischen Folk, Elektronic, Pop und Rock, die so gut ankommt. Und diese skandinavische Schwermut, Songs, die von Sagen erzählen. Von Feuer und Eis. In einem Interview erklärte er einmal, dass die isländische Landschaft einen großen Einfluss auf sein Songwriting habe: „Es ist definitiv sehr einflussreich. Mit der Landschaft und der umgebenden Atmosphäre ist alles hier in Island inspirierend für Künstler, die hier aufwachsen. Es ist ein großer Teil von mir, und es wird immer mein Zuhause sein. Wir Islländer sind eine sehr kleine Gruppe von Menschen. Wir haben keine Mainstream-Musikszene, also machen wir es aus Spaß.“
Das Album Afterglow verbindet zudem noch Einflüsse von Soul und R & B in seiner Musik. Die Texte sind von seinem Vater Einar Georg Einarsson, ein berühmter isländischer Dichter, sein Bruder und Gitarrist Steini schrieb den Text zu „Unbound“.
Zwischen Bon Iver und Jeff Buckley
Ásgeir hat was von Bon Iver, auch äußerlich, auch etwas von einem vielleicht etwas eigenwilligeren Ben Howard und einem etwas weniger esoterischen Antony Hegarty oder Jeff Buckley. So ungefähr klingt Ásgeir.
Schön, dass das Konzert bestuhlt ist. Denn man kann sich einfach fallenlassen in diese Musik, die geprägt ist von einem gewissen Minimalismus, aber auch einem untrüglichen Flow — sowohl die elektronischen als auch die eher traditionellen Songs. Ásgeirs Stimme schafft sowas wie eine zusätzliche Ebene innerhalb der Musik, wodurch die lyrische Arbeit und die natürliche Schönheit seiner Stimme besonders betont werden. Das kommt vielleicht auch dadurch, dass er oft solo performt, höchstens mal begleitet von seinem Kumpel Julius Robertsson an der Gitarre, der eigentlich als Bauingenieur mal Brücken in Island gebaut hat, aber schon seit neun Jahren mit Ásgeir tourt. Aber sehen kann man ihn in dem Nebel eh kaum.
Manchen mögen vielleicht die Drums gefehlt haben, und viele Sounds und Drums kamen vom Mischpult. Aber so klang die Musik so persönlich, so, als würde er sein eigenes Tagebuch öffnen und uns erlauben, darin zu lesen. Und wir werden Zeugen von seiner Fantasie, seinen Ängsten, Hoffnungen und Träumen. Richtig schön.