Weihnachtstipps 2018 – Nummer 9: Charles Bradley „Black Velvet“

Charles Bradley Photo by Horst Müller

Wir wollen Euch jeden Tag ein Adventstürchen öffnen, mit der Hoffnung, Euch die eine oder andere Eingebung zu geben, was ihr verschenken oder was ihr Euch selbst zum Geschenk machen könnt. Unter unseren Empfehlungen sind brandneue Veröffentlichungen, aber auch einige, die etwas zurückliegen, aber es wert sind, nochmal ins Gedächtnis geholt zu werden. Wir geben Tipps für Konzerte, Bücher, Platten – alles rund um Musik. Hinter unserem neunten Adventstürchen steckt:

Charles Bradley
Black Velvet
(Lp+Mp3) [Vinyl LP]
Vinyl (9. November 2018)
Label: Daptone Records (Groove Attack)
Amazon

Von Dylan Cem Akalin

Ich habe Charles Bradley vor fünf Jahren getroffen. Er war 64 Jahre alt und hatte gerade erst seine Karriere im Musikbusiness gestartet. Ich wollte den Mann treffen, der mit solcher Inbrunst sang und uns mit seiner Musik in die schöne Soul Ära der 60er und 70er zurückkatapultierte. Wir trafen uns im Foyer zum Interview. Aber es sollte kein herkömmlicher Pressetermin werden. Ich traf einen Mann, der völlig ohne Allüren war, offen, voller ehrlicher Herzenswärme und Dankbarkeit. Wir sprachen über sein wirklich hartes Leben, die Zeit, als er als Teenager auf der Straße lebte, in einer der berüchtigsten Psychiatrien der USA als Koch arbeitete, über sein Treffen mit seinem Idol James Brown. Seine Stimme war leise. Am Ende hatte er Tränen in den Augen und wir umarmten uns.

Am 5. November 2018 wäre Charles Bradley 70 geworden

Charles Bradley starb vor einem Jahr. Am 5. November 2018 wäre Charles Bradley 70 geworden. Seine letzten Jahre waren wohl seine schönsten. Er genoss es, auf der Bühne zu stehen. Beim Crossroads Festival in Bonn war er auch mal und stellte die Kameraleute des WDR Rockpalasts vor große Herausforderungen, als er von der Bühne sprang und durchs Publikum lief, während er sang. Er schüttelte manchen die Hände, drückte und küsste seine Fans. Er war voller Freude. Die Art, wie Charles Bradley sang, wie er sich mit seiner funkelnden, glitzernden Garderobe auf der Bühne präsentierte, hatte auch etwas von kindlicher Freude, von einem dankbaren Schrei der Dankbarkeit, dass er in seinen letzten Jahren noch seinen Traum leben durfte.

Das alles drückt sich in seiner Musik aus. Jetzt ist ein letztes Album erschienen mit zum Teil noch nie veröffentlichtem Material oder Singles, die in limitierter Auflage erschienen. Das Album ist fantastisch. Schon allein seine Version von Neil Youngs „Heart of Gold“ ist ein Hammer. Neil Young als Soulnummer mit scheppernden Bläsern!

Bandversion von „Victim of Love“

„Black Velvet“ enthält neue Songs, die während der Sessions zu jedem seiner drei Alben aufgenommen wurden und hier zum ersten Mal in ihrer ganzen Pracht zu hören sind: „Can’t Fight the Feeling“, „Fly Little Girl“ und das herzbewegende „I Feel a Change“, ein Funk-Duett mit LaRose Jackson („Luv Jones“) und eine schöne Bandversion von „Victim of Love“.

Zu den überraschenden Coversongs gehören auch Nirvanas „Stay Away“ und Rodriguez‘ „Slip Away“ sowie der Titeltrack „Black Velvet“, ein mitreißendes Instrumental der Menahan Street Band, zu dem Charles leider nicht mehr singen konnte. Der Krebs hatte ihm schon jede Kraft geraubt. Als er am 23. September 2017 starb, war er umgeben von seiner Familie, Freunden und Bandkollegen. Der Mann von der Straße starb nicht allein, das allein wird ihn schon glücklich gemacht haben.

Voller Freude und positiver Energie

Bradley kreiert die Atmosphäre der Musik aus seinen Teenagerjahren, und er tut dies mit unglaublicher Authentizität, die nichts von Retro oder Kopieren hat. „I Feel A Change“ erinnert an die Seele von Nina Simone, die für die Bürgerrechtsbewegung so wichtig war, und der Song fühlt sich 2018 immer noch relevant an. Wenn Bradley das Wort „Veränderung“ schreit, fordert er die Menschen auf, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. „Black Velvet“ ist eine Feier, eine Würdigung einer authentische Stimme aus einer vergangenen Zeit. Sie ist ein Statement eines Mannes, der voller Freude und positiver Energie war. Das wird der „Screaming Eagle of Soul“  genau so gewollt haben.