Weihnachtstipps 2018 – Nummer 19: William Fitzsimmons „Mission Bell“

Bilder von William_Fitzsimmons von Shervin Lainez, Groenland Records

Wir wollen Euch jeden Tag ein Adventstürchen öffnen, mit der Hoffnung, Euch die eine oder andere Eingebung zu geben, was ihr verschenken oder was ihr Euch selbst zum Geschenk machen könnt. Unter unseren Empfehlungen sind brandneue Veröffentlichungen, aber auch einige, die etwas zurückliegen, aber es wert sind, nochmal ins Gedächtnis geholt zu werden. Wir geben Tipps für Konzerte, Bücher, Platten – alles rund um Musik. Hinter unserem 19. Adventstürchen steckt:

William Fitzsimmons
Mission Bell
Erscheinungstermin: 20. September 2018
Label: Grönland Records
Copyright: 2018 Groenland Records

Von Dylan Cem Akalin

Traurige Musik kann auch glücklich machen. Trennungsalben hat es eine ganze Reihe gegeben, Phil Collins war ein Meister darin, Bon Iver schuf „For Emma, Forever Ago“. Es ist vielleicht der ehrlichste Ausdruck eines Künstlers, wenn er so Schmerz und Verwundbarkeit ausdrückt. William Fitzsimmons‘ „Mission Bell“ ist solch ein Werk, mit dem der Künstler die Trennung von seiner zweiten Frau aufarbeitet.

Helle, direkte, weiche Stimme

Fitzsimmons‘ helle, direkte Gesangsstimme erinnert bisweilen an den klaren, weichen Gesang von Harry Nilsson. Einflüsse von Crosby, Stills, Nash  Young oder Don Henley sind aber auch erkennbar. Fitzsimmons ist ein Singer/Songwriter, der seine Wurzeln kennt, der Traditionen nicht als Fluch, sondern als Segen für seinen Ausdruck betrachtet.

Beim Eröffnungs-Track „Second Hand Smoke“ geht es um die ungeahnten Auswirkungen früher Lebenserfahrungen auf die Gegenwart. „All die Schmerzen, die Sie ertragen haben, von denen Sie dachten, sie seien vorbei wie sie zurückgekommen sind, aber immer noch die Kontrolle über dich haben. Es ist die Idee, dass die Vergangenheit nie ganz zu Ende ist“, erklärt der Musiker selbst. Bei all dem Schmerz, bei all der Furcht, seinen Schutz verlieren zu können, drückt der Song dennoch eine gewisse optimistische Einstellung aus. Dieser Ton hält im gesamten Album an.

Nachdenkliches Nachleuchten

So gesehen könnte „MissionBell“ sogar sowas wie Trost für jene bieten, die unter ähnlichen Umständen leiden. Aber Feierlaune liegt den Songs soweit fern, wie der Mond vom Ozean – aber seine Gravitation ist spürbar.

Die Songs sind eher einnachdenkliches Nachleuchten. Und das tut der Künstler in aller Ruhe, er ist keiner, der Schmerz herausschreit, Seine Stimme erhebt sich selten über ein Flüstern, er zeigt uns eher ein gedämpftes Spiegelbild von Fehltritten, die so ohne jede Vorwarnung unglaublichen Kummer verursachen können.

Kummer ist trostlos

Darüber hinaus erweitert Fitzsimmons seine Themen um Selbstmordgeschichten („17 + Forever“),Missbrauch („In the Light“) und einen Gruß an eine junge heroische Nonne, die starb, als sie versuchte, ihre Schüler vor dem Bösen zu schützen („Lovely“).Der Herzschmerz mag noch von gewissem Reiz sein, der Kummer ist es nicht, er ist trostlos.

„Never ReallyMine“ beschäftigt sich mit dem Verrat seiner Frau und den harten Entscheidungen, die er selbst treffen musste. „Ich komme nicht für dich zurück“, murmelt er leise, wenn auch mit einer Mischung aus Angst und Entschlossenheit.

Seine Frau betrügt ihn mit seinem Freund

Tatsächlich erfährt Fitzsimmons im Sommer vor einem Jahr, dass seine Frau ihn mit seinem langjährigen Freund und Bandkollegen betrog, mit dem er gerade intensiv an seinem siebten Album gearbeitet hatte. „Ich glaubte fest an die Songs, und ich glaubte an meinen Freund und daran, dass er dieses Projekt bis zum Schluss mit mir durchziehen würde. Wir lebten und arbeiteten nahezu den ganzen Sommer zusammen. Wir begannen schon tagsüber, experimentierten bis weit in den Abend hinein und  versuchten, den Worten und den Melodien, die ich zuvor Tag für Tag entwickelt hatte, Leben einzuhauchen“,erzählt er. Gerade, als sie das Projekt abgeschlossen hatten, eröffnete ihm seine Frau, mit der er seit fast zehn Jahren verheiratet war und gemeinsame Kinder hat, dass sie ihn nicht mehr liebe und dass sie zu der Überzeugung gelangt sei, nicht weiter mit ihm verheiratet sein zu wollen.

William Fitzsimmons FOTO: Shervin Lainez, Groenland Records

Das Leben hörte auf zu existieren

„Dann erzählte sie mir, dass sie mit meinem Freund und Bandkollegen während der Zeit, in der wir das Album aufgenommen hatten, eine Affäre gehabt habe. Während wir tagsüber zusammen an der Musik arbeiteten, verbrachte sie nachts die Zeit mit ihm. Im Laufe einer einzigen Unterhaltung hatte das Leben, das ich zu haben glaubte, aufgehört zu existieren. Das galt auch für das Album, das ich gerade vollendet hatte“, so Fitzsimmons.

Das Album konnte Fitzsimmons danach nicht mehr veröffentlichen. Er reiste nach Nashville, TN, und arbeitete mit dem Produzenten Adam Landry (Deer Tick, Los Lobos, Lang., Vanessa Carlton) an diesem nun vorliegenden Album. Es entstanden elf Songs, die die Geschichte einer jahrzehntelangen Ehe erzählen, die zerstört und schließlich von Grund auf neu aufgebaut wurde.

Das Unvermeidliche zulassen

Der Prozess und die Ergebnisse sei sowohl schmerzhaft als auch heilend gewesen, erzählt William. „Mission Bell“ enthält Lieder über Verrat, aber auch Versöhnung und Vergebung – und es geht auch um Menschen, die ihr Bestes geben, sich dabei aber immer noch gegenseitig zerstören.

In „Leave Her“ erkennt er zwar das Unvermeidliche, will das Ende aber einfach nicht zulassen. „Es tut zu sehr weh, zu sagen, es ist jetzt vorbei“, singt er. Doch später kann er schon die Zeilen singen: „Dies ist das letzte Mal, dass ich mich nicht an ihren Namen erinnere, in einer Woche werde ich dein Gesicht vergessen haben“.