Wir wollen Euch jeden Tag ein Adventstürchen öffnen, mit der Hoffnung, Euch die eine oder andere Eingebung zu geben, was ihr verschenken oder was ihr Euch selbst zum Geschenk machen könnt. Unter unseren Empfehlungen sind brandneue Veröffentlichungen, aber auch einige, die etwas zurückliegen, aber es wert sind, nochmal ins Gedächtnis geholt zu werden. Wir geben Tipps für Konzerte, Bücher, Platten – alles rund um Musik. Hinter unserem zwölften Adventstürchen steckt:
Israel Nash
Lifted
Label: Loose Music
Amazon
Von Dylan Cem Akalin
Als ich Israel Nash nach dessen Konzert in London traf, war er so glücklich erschöpft wie ein Marathonläufer hinter der Zielgeraden. Der Mann gibt alles. Und er ist irgendwie nicht so ganz von unserer Zeit. Und genau das macht ihn zu etwas ganz Besonderem.
Sein aktuelles Album „Lifted„, das fünfte Studioalbum des Sängers und Gitarristen, ist ein Dauerbrenner auf meinem Plattenspieler. Und ich entdecke jedes Mal etwas Neues. Tatsächlich hat die Musik ja oft etwas von einem Déja vu, weil einem ein Intro, ein Gitarrenriff oder einfach nur die Grundstimmung eines Songs bekannt vorkommen. Der Mann aus Texas ist auf sicherlich einer, dessen Helden aus der Zeit des Folkrock der späten 1960er und frühen 1970er kommen. Und wenn er in den höheren Lagen singt, dann erinnert er auch ein wenig an Neil Young.
“I like to see the beauty that surrounds us”
Der Mittdreißiger, der in Missouri aufgewachsen ist und schon lange in Texas lebt, hat seine Wurzeln tief im Americana. Und in der Hippiekultur. Nicht umsonst hat er auf seinen Alben Botschaften wie “I like to see the beauty that surrounds us”, “I like seeing the treasure”. “We should love one another.”
„Die Idee hinter dieser Platte war, die Seelen der Menschen mit Klängen aufzurichten – weil die Welt so verdammt verrückt ist“, sagte er mal in einem Interview. Oder „Alles hat eine Geschichte“. Tatsächlich gehört dieser bärtige, langhaarige Riese zu jenen Singer/Songwritern, die eine wunderschöne, ehrliche Seele und einen brillanten Geist haben und die gerne Geschichten erzählen, Stimmungen erschaffen mit ihrer Musik, in die man sich einfach fallen lassen möchte.
Nash hat sich zu einer überzeugenden Figur in der Landschaft der Americana-Musik entwickelt, wobei frühere Projekte wie „New York Town“, „Rain Plans“ und „Silver Season“ auch schon einen bestimmenden Sound kreierten. „Lifted“ verkörpert dieselbe irgendwie unirdische Persönlichkeit, die sich Nash geschaffen hat, während er die Welt um sich herum mit leidenschaftlichen Farben malt.
„Ich schaue nicht nach vorne und ich schaue nicht zurück“
Nash hat sein Album wieder seinem ruhigen Plum Creek Sound-Studio in seinem Haus in Dripping Springs, Texas, aufgenommen. Klanglich und lyrisch bezaubernd. Seine Musik ist fragil, und sie fühlt sich rein an, was aber nicht bedeutet, dass sie naiv ist. Im Gegenteil, sie haben oft eine tiefe Essenz, die zum Nachdenken anregt. Man spürt diese Zerbrechlichkeit an der Art und Weise, wie er die Bläser etwa bei „Looking Glass“ einsetzt. Oder Zeilen sing wie diese: „Ich höre das Donnern nach den Blitzeinschlägen und ich weiß nicht, warum.“
„Hippie-spiritual“ nennen die Amerikaner solch eine Musik, voller inspirierender Texte und lebhafter Melodien. „Northwest Stars (Out of Tacoma)“ beginnt zunächst wie ein beruhigendes Schlaflied, bevor Nash die starken Zeilen singt: „Ich schaue nicht nach vorne und ich schaue nicht zurück“. Er weiß, dass man seine Musik vielleicht rückwärtsgewand empfinden könnte, aber er ist einer, der sich der Gegenwart absolut bewusst ist, dass er aber auch eine Mentalität pflegt, die heute in der Gesellschaft ziemlich selten geworden ist. Die Brüderlichkeit. Die Höflichkeit.
Auf Lifted schafft Nash aber auch ein Gefühl von Frieden in einer Zeit, in der es so dringend benötigt wird. „Es geht darum, nach kleinen Funken der Inspiration zu suchen“, sagt Nash. „Es kann ein Klang sein, ein Groove, eine Farbe oder sogar ein Objekt. Alte Dinge sind inspirierend. Was auch immer es ist, wenn Sie es finden, breitet es sich aus wie ein Brand, der sich Ihrer Kontrolle entzieht. Es spielt keine Rolle, ob Sie ein Album aufnehmen oder Ihr Leben leben, finden Sie diese Inspirationen mit einem wachsamen Auge und beobachten Sie, wie sie sowohl Sie als auch Ihre Welt verändern.“ Wow!