Frank Turner & The Sleeping Souls und Douglas Firs als Vorband bildeten den bisherigen Höhepunkt der Kunst!Rasen-Saison – und das, obwohl das Konzert kurzfristig ins Beueler Brückenforum verlegt wurde. War vielleicht sogar ganz gut – denn die Band konnte die Lautstärke ordentlich aufdrehen. Ein wunderbarer Abend!
Von Cem Akalin
Was für eine Vorband! Sorry, wenn ich zugeben muss, dass ich noch nie etwas von Douglas Firs gehört habe. Danke, „Ernest“ Hartz! Ich habe ein Video von Noel Gallagher entdeckt, wo er ganz beeindruckt sagt: “I like this instantly.” Der belgische Sänger Gertjan Van Hellemont klingt mit seiner Band wie eine Indie-Folk-Rock-Band von der amerikanischen Westküste, ein wenig verwandt mit Angus & Julia Stone vielleicht. Eine flüsternde Melancholie in den edlen Launen dieser tief ins Herz gehenden Musik bestimmt den Stil, der keinen mehr loslassen kann. Ich habe mir jedenfalls zwei Alben geholt. Punkt.
Dass Frank Turner & The Sleeping Souls in eine andere Richtung gehen, wird vielen bekannt sein. Dennoch hat auch Turner, dieser springende, gitarrenspielende und singende Flummiball, eine schwärmerische Seite, die immer wieder durchschwingt. Der Brite bewegt sich musikalisch im Polygon zwischen The Pogues, Stone Temple Pilots, Bruce Springsteen, Chuck Ragan und Dashboard Confessional. Alles klar?
Leidenschaft ist sein Leitmotiv, euphorische Melodien die Grundsubstanz, und weil das so ist, singt das fantastische Publikum schon beim Opener „I Still Believe“, eine Art Bekenntnis zum Rock ’n‘ Roll, lautstark mit. Überschäumend geht es mit „The Next Storm“ weiter. Die angepunkten Folksongs bleiben immer im Umkreis des Hymnischen.
Turner ist Herzblutmusiker, und das spürt man bei jeder Note. „Rau“ sollten seine Songs klingen, sagte er einmal. Damit meinte er wohl auch „authentisch“. „England Keep My Bones“ ist ein solch starkes Album, aus dem er etliche Songs spielt, darunter neben dem Opener auch „Redemption“ als Solo-Performance und vor allem „I Am Disappeared“ als Gänsehauteinlage, ein Song wie gemacht für einen Soundtrack. Turner beweist bei all seiner immer wieder aufblitzenden Pop-Affinität, dass seine Texte durchaus von Tiefgang sind.
Und doch kommt auch die „Pub“-Seite nicht zu kurz. Lieder zum Mitgrölen, zum Tanzen und Springen. Und auch das ein oder andere Spielchen darf das Publikum mitmachen. Etwa einen Contest, bei dem sich einer über den Köpfen des Publikums quer durch die Halle tragen lassen und einzelne Stationen abklatschen muss. Gaudi pur!
„Recover“, ruft Turner, ist was für einen „Hampelmann“, und die Masse bewegt sich wie eine Woge hoch und runter. „The Road“ ist eine Art biografisches Erklärung seiner Rastlosigkeit. „Losing Days“ ein gut gelauntes Stück Popmusik mit einem eher nachdenklichen Text über die Tiefpunkte des Lebens. Und bevor er „Polaroid Pictures“ anstimmt mit der Eingangszeile „Man, we used to be brothers“, da muss er natürlich eine kleine politische Aussage machen. Zumindest eine Bemerkung zum Brexit: „Oh Mann, Politik ist zum Kotzen und ich bin‘s einfach leid“, sagt er. „Ich liebe es, durch Europa zu reisen.“
Zwei Stunden Musik mit Leidenschaft. Mehr kann man nicht verlangen!