Metallische Arpeggien, die Keyoards klingen wie Rockgitarren, das Thema von Modest Mussorgskis „Pictures at an Exhibition“ schält sich heraus, dann dominieren Piano und Bass, die Drums setzen wuchtig ein – ein Sound zwischen Emerson, Lake and Palmer und Ekseption. Der Start von Voyager IV mit Marcus Schinkel (Keyboards), Johannes Kuchta (Gesang und Percussion), Fritz Roppel (Bass) und Wim de Vries (Drums) am Donnerstagabend in der Harmonie Bonn lässt einiges hoffen.
Von Dylan Cem Akalin
Der ausgezeichnete Bonner Keyboarder Marcus Schinkel hat sich da mit weiteren erstklassigen Musikern zusammengetan, um Emerson, Lake and Palmers bahnbrechendes Progressive-Rock-Projekt von 1971 nicht nur wiederaufleben zulassen, sondern auch neu zu interpretieren. Es war ein Abend, der vor allem Fans der 70er-Jahre-Sounds viel Freude bereitet haben dürfte.
Das Quartett schwelgte in Verbeugungen der progressiven Rock-, Crossover- und Fusionmusik der 70er Jahre. Da klangen die breiten Strings vom Keyboard mal stark nach Tony Banks (Genesis) („Il Vecchio Castello“), da werden Erinnerungen an Alan Parson, Weather Report und Joe Zawinul, an die frühen King Crimson, an Chick Corea und Return To Forever wach. Fette Akkorde und mehrtaktige Breaks bestimmen „Gnomus“. Schinkels wilde Läufe, Wirbel und Triller auf dem Keyboard symbolisieren fuchtelnde Gebärden, unterbrochen von hölzerner Erstarrung, absurde Sprünge, bizarre Bewegungen und Stolpern. Zum Ende wird es düster, das Licht geht kurz aus, und die Wildheit wird fortgesetzt.
In der Vertonung des „Alten Schlosses“ erklingt das Keyboard zunächst wie in einer Tropfsteinhöhle, bevor der kraftvolle Bass das Stück in eine Ballade drängt. Kuchtas elefantösen Elektrosounds durchbrechen beim nächsten Stück das Hauptthema, das wieder nur angedeutet wird. Insgesamt erinnert der karibisch-afrikanische Charme der Sequenz an Passports „Iguacu“-Phase, sehr perkussiv, mehrschichtig und lebensbejahend, Roppel bewegt sich immer mehr in Richtung Jaco Pastorius.
Stampfende Beats und Sprechgesang bestimmen den Beginn des „Ochsenkarrens“, Keyboardsounds wie von der Drehleier, eine Melodie wie ein Kinderlied, dazu Roppels umwerfende Läufe auf dem sechssaitigen Bass, lassen das Publikum mit der Zunge schnalzen.
Schinkel gefällt mir immer besser. Ihm gefällt die Abwechslung, er tobt sich an den unterschiedlichen Tasteninstrumenten aus. Greift mal zur Midi-Melodica oder lässt das Theremin aufheulen, gurgelnde Elektrosounds wie bei einem alten Kurzwellenradio durchbrechen die Harmonie.
Vor allem seine Pianosoli voller vertrackter Harmonien und dahinfließender Läufe, stark an Chick Corea erinnernd, sind ein Genuss. Vor allem sein Solo auf „Take A Pebble“, bei dem er mit der Linken klassische Motive, mit der Rechten retardierende, immer wieder kippende Jazzharmonien spielte, sich dann in Bluesschemata begab oder auch mal eine Dramatik wie bei der Musik zu einem Stummfilm schuf und am Schluss fast in Satie-artige Romantik verfiel. Kuchtas Gesang klingt bei der Ballade „I Live In A Dream“ sehr stark an Greg Lake
Das eigentlich für Akustikgitarre geschriebene „The Sage“ spielt Roppel auf dem sechssaitigen Bass, lässt sein Instrument auch mal wie eine mittelalterliche Laute klingen, ein sehr starker Moment.
Überhaupt: Die Band ist hervorragend aufeinander eingespielt. Einzig „Lucky Man“ ist im Original doch so stark, so unübertrefflich, dass keine Bearbeitung da ran kommt. Wim de Vries spielt in der Champions League der Drummer, was er auch mit einem (zu) ausgiebigen Solo beweist, aber vor allem sein stets präsenter und ungemein ausgebreiteter Sound macht richtig Laune. Am Ende bleibt lediglich die Frage, ob die Musik mehr ist als ein nostalgischer Blick auf den grenzüberschreitenden Jazz und Rock der 70er Jahre. Eine Antwort kann es erst beim nächsten Projekt der Band geben, das hoffentlich noch kommt. Bis dahin genießen wir die „Bilder ihrer Ausstellung“