Von virtuosen Wundern und irren Wendungen: The Aristocrats

Guthrie Govan, Bryan Beller und Marco Minnemann sind die Aritocrats. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Köln. Was tun meisterhafte Musiker eigentlich in ihrer Freizeit? Was tun Virtuosen, die ihre Fertigkeiten anderen meisterhaften Tonkünstlern andienen und eigentlich ständig mit diesen unterwegs oder im Studio sind, um ihre erlesenen Gewandtheiten diesen zur Verfügung zu stellen, wenn sie eben mal nicht angeheuert sind? Sie gründen eine Band. Guthrie Govan, Bryan Beller und Marco Minnemann jedenfalls haben vor vier Jahren The Aristocrats gegründet. Am Montag haben sie ihre Europatour in der Kölner Kantine gestartet.

Klingt sie noch? Gitarrist Guthrie Govan. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Klingt sie noch? Gitarrist Guthrie Govan. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Vor zwei Wochen erst konnte man Drummer Marco Minnemann und Bryan Beller (Bass) noch in der Band von Joe Satriani erleben. Gitarrist Guthrie Govan wiederum war noch bis Ende September mit Minnemann mit Steven Wilson unterwegs. Jetzt also mit ihrem eigenen Projekt in Köln.

Mit „Stupid 7“ startet das Trio gleich mit einem wahnwitzigen Ritt durch die Harmonien und komplexen Songstrukturen. Und auch „Jack’s Back“, dass zunächst scheppernd, fast zögerlich wie eine defekte Mechanik startet ist geeignet, um Fingerfertigkeiten zu demonstrieren. Govan lässt seine Gitarre mal wie eine Mandoline schnulzen, jagt jazzige Gitarrenlinien hinterher und baut die Filmmelodie von „Doktor Schiwago“ ein.

Marco Minnemann in Aktion. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Marco Minnemann in Aktion. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Eins ist jedenfalls klar. Die drei Superhelden des progressiven Rock nehmen ihre kopflastigen, verwirrend verflochtenen Stücke, die voller geradezu bestürzender Songaufbauten sind, nicht ganz ernst. Dazu gehört, dass es für das – übrigen zu 98 Prozent männliche – Publikum jeden Menge bizarrer Geschichten gibt. Etwa die über ein befremdendes Treffen Bellers mit drei texanischen Frauen an einer Tankstelle, woraus der irre Song „Texas Crazypants“ entstand. Was erst wie ein Texasblues auf Acid begann entwickelt sich zu wilden instrumentalen Eskapaden inklusive einem amüsanten Drumduett zwischen Minnemann und Beller.

Bassist Bryan Beller. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Bassist Bryan Beller. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Etwas versöhnlicher klang da „Pressure Relief“. Vom Gitarrensound her lag Govan diesmal irgendwo zwischen Joe Satriani und Steven Wilson, und so balladenhaft er sich auch verhielt, Govans Gitarrensolo hätte da auch von einem konzilianten Frank Zappa sein können.

Dieser hätte sicherlich auch seine helle Freude an den grunzenden Gummischweinchen gehabt, denen der schöne Song „Pig’s Day Off“ gewidmet war. Indes: Diese wunderschönen Passagen wurden durch die immerzu von Breaks unterbrochenen Frickeleien doch arg gestört.

Mein Freund, das Schwein: Gitarrist Guthrie Govan. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski
Mein Freund, das Schwein: Gitarrist Guthrie Govan. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Das Trio ist ein virtuoses Wunder. Keine Frage. Mit unverschämter Leichtigkeit spielen sie mit Musikstilen von Bach über Zappa („Presure Relief“), Al Di Meola und Return To Forever („Culture Clash“), mit Folk, Country und Rock ‚n‘ Roll („Louisville Stomp“) oder lassen weite Landschaften wie ein Ry Cooder („Desert Tornado“) aus den Lautsprechern wachsen. Das alles ist einfach nur eindrucksvoll. Manches ist allerdings auch etwas ermüdend. Ein wenig mehr Flow in den Kompositionen würde dem Gesamteindruck sicher nicht schaden. Dennoch ein bemerkenswerter Abend! (Cem Akalin)

 

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