Von null auf Platz 5 der deutschen Albumcharts: „Turning To Crime“ von Deep Purple – verdientermaßen?

Deep Purple Turning To Crime press pictures band copyright earMUSIC

Von null auf Platz 5 der deutschen Albumcharts: Das ist verdammt gut für ein Album, das ausschließlich aus Covers besteht. Was bietet „Turning To Crime“ von Deep Purple? Ist es wirklich so gut? Hören wir mal rein.

Von Dylan Cem Akalin

Das erste, was auffällt, ist die merkwürdige Stimme von Ian Gillan… Gott sei Dank war’s nur die Geschwindigkeit auf dem Plattenteller: Die LPs von Deep Purple laufen mal wieder nicht mit den üblichen 33 1⁄ 3 Umdrehungen pro Minute, sondern mit 45. Gut, nachdem das geklärt ist, hauen uns die Classicrocker gleich mit „7 And 7 Is“ einen der frühen richtig harten Rocksongs um die Ohren. Schade, dass Arthur Lee die Deep Purple-Version seines Hits nicht miterleben kann. Er starb bereits 2006. Mit seiner Band Love, 1965 in Los Angeles als eine der ersten diversen Rockbands in den USA gegründet, gelang der Band 1966 mit dem für damalige Ohren wohl ziemlich punkigen „7 and 7 Is“ ein Hit. Deep Purple übernehmen das energiegeladene, vorwärtstreibende Grundkonzept des Songs, der tatsächlich wahnsinnig zeitlos erklingt.

Es ist in der 53-jährigen Geschichte der Hardrocker das erste Album, das ausschließlich aus Neuinterpretationen besteht. Es ist nichts Neues, wenn Rockbands Stücke anderer Künstler covern. Manchmal kann solch ein Cover einen Song ins Rampenlicht rücken, der der jüngeren Generation vielleicht weniger bekannt ist, wie es Alter Bridge getan hat, um Robert Johnson Anerkennung zu zollen, AC/DC es mit „Baby please don’t go“ von Big Joe Williams getan haben. Blink-182 hat “Boys Don’t Cry” von The Cure aufgenommen, und Metallica hat mit „Garage Inc.“ Auch ein ganzes Album mit Coversongs gemacht.

„Turning To Crime“ entstand in der Pandemie

„Turning To Crime“ macht tatsächlich viel Spaß, und man merkt es der Band an, dass sie offenbar auch eine mehr Freude dabei hatte, dieses Album während der Lockdown-Phase aufzunehmen. Es gibt eine Menge toller Momente auf dem Album, und ich finde, Ian Gillan klingt fantastisch. Obwohl er nicht die Songauswahl getroffen hat, wie er in einem Interview zugibt, haben die Instrumentalisten, denen er die Freiheiten gewährte, eine tolle Auswahl getroffen. Die Songs bieten ihnen nicht nur tolle Gelegenheiten für Solos, sondern sie bieten Gillans Stimme so viel Raum zur Entfaltung. Er hat auf den letzten Originalalben nicht besser geklungen.

Steve Morse und Don Airey krönen die Stücke mit ein paar sensationellen Einsätzen auf Gitarre und Orgel. „Oh Well“ hebt ab wie ein fliegender Teppich. Keyboarder Don Airey stiehlt Morse mit seinem prickelnden Keyboard- und Klavierspiel machnmal sogar die Show, vor allem auf „Dixie Chicken“ von Little Feat (1973) und „Rockin Pneumonia And The Boogie Woogie Flu“ vonHuey Smith (1972).

Glanzpunkte auf dem Album

Gleich der erste Song „7 und 7 Is“ ist auch einer der Highlights, und die Dynamik des Stücks macht Lust auf mehr. „Oh Well“, im Original von Fleetwood Mac, „Shapes of Things“ von den Yardbirds, das garagenrockartige „Jenny Take a Ride!“ von Mitch Ryder & the Detroit Wheels, „Lucifer“ von Bob Seger (klingt als wär’s ein Stück von „Fireball“) und „White Room“ von Cream sind noch weitere Glanzpunkte auf diesem Werk.

Die vierte LP-Seite ist ein einziger Track, ein Medley, das die Band „Caught In the Act“ nennt, auf dem sie Stücke von Don Nix, Booker T, Allman Brothers, Led Zeppelin und Spencer Davis miteinanderverweben. Oh Mann, das möchte man live hören!

Nicht alles, was an Songmaterial hier zusammengetragen wurde, ist nachvollziehbar. Und nicht alle Tracks überzeugen vollends, so zum Beispiel die Covers der beiden ältesten Songs auf diesem Album, „Let The Good Times Roll“ von Louis Jordan (1946) und „The Battle Of New Orleans“ von (Johnny Horton (1954). Sie wirken etwas altbacken und passen nicht so ganz in die Gesamterscheinung der Platte. Aber insgesamt eine echte kleine Perle.