Es bürgert sich so langsam ein, dass Bands ihre Classic-Alben live zelebrieren. Was bei manchen wie eine Nostalgiereise anmutet, ist bei Patti Smith eher eine Huldigung alter Weggefährten. Eine Geburtstagsfeier vielleicht im Kreise von Leuten, die ihr, ihrer Musik und ihrem Lebensentwurf nahestehen. 1975 hatte sie ihr Debütalbum „Horses“ aufgenommen, das sie an diesem Abend in voller Länge spielt. Und nicht wenige im Kölner Tanzbrunnen waren da vielleicht gerade mal geboren. (siehe auch Patti Smith in Bonn)
Schon ein glänzender Start, wenn man mit Van Morrisons Hymne „Gloria“ startet. Eigentlich ein Song, den sie sich auf Konzerten für später aufhob. Jetzt also ein Start mit einem ordentlichen Tritt ins Stimmungsbarometer. Ein Start mit den damals schon so durchrüttelnden Zeilen „Jesus died for somebody’s sins/ But not mine.“
Auf solch ein Debütalbum kann die 68-Jährige stolz sein, von der viele als der „Grandmother of Punk“ reden. Ich finde die Bezeichnung ja irgendwie ziemlich abgedroschen. Aber es trifft vielleicht ganz gut den Kern: Patti Smith gilt halt als Vorreiterin des New Wave und des Punkrock. Sie ist schon so was wie das Urgen eines poetischen Rotzrocks, eindrucksstark in Worten, kraftvoll in der Musik. Bob Dylan, heißt es, ließ sich von ihr zu seinem Album „Desire“ inspirieren. Man kann sich das gut vorstellen, dass diese etwas herb wirkende, zierliche Frau mit dem herausfordernden Blick, dem überragend belesenen Intellekt und dem eigenartigen Gesang, in den sich kehlige Laute, mischten, einen großen Eindruck auf Dylan hinterlassen hat. Auf wen nicht?
„Horses“, ein Cover für die Musikgeschichte, geschossen von Robert Mapplethorpe, ihrem Freund und zeitweise wohl auch ihr Liebhaber. Er starb bereits 1989. Und Fred „Sonic“ Smith, ihre wahre und große Liebe, Vater ihres Sohnes, starb 1994. Es brach ihr das Herz. Tatsächlich stand sie eine ganze Weile vor dem Nichts. Und wenn sie dann sagt „Tot o be back“, dann rührt das ungemein.
Patti Smith mag Mutter eines erwachsenen Sohnes sein, mag „Grandmother“ sein, aber diese spöttisch-sexuellen Anzüglichkeit kommt immer noch rüber, und sie kostet jede Zeile aus. Und die Band um die Urmitglieder Lenny Kaye (Gitarre) und Jay Dee Daugherty (Drums) hat sich längst auf das Rhythmusgefühl, die rasende Melancholie eingestellt, um die Spannungen noch intensiver zu machen, die Akkorden noch dramatischer klingen zu lassen. Angeschlagen wird Patti Smith, aber nur stimmlich. Gegen die Erkältung nippt sie immer wieder an der Teetasse.
„Elegy“ ist ein Song über Jimi Hendrix, in dessen Electric Ladyland-Studio „Horses“ ja aufgenommen worden ist, Und heute ist es ein Stück, das an die Einspielungen bei den Jahresrückblicken erinnert. Die Toten des Jahres. Hier sind es die Toten ihres Lebens: Robert Mapplethorpe, die Ramones, Fred Sonic Smith, Lou Reed, der Mathematiker John Nash, Ornette Coleman.
Im zweiten Teil des Konzertes spielt sie Stücke wie „Privilege (Set Me Free)“, „Beneath the Southern Cross“, das Velvet Underground-Medley Rock & Roll / I’m Waiting for the Man / White Light/White Heat und die Liebeserklärung an ihren Man “Because the Night“. Mit dem politischen Statement „People Have the Power“ beendet Patti Smith ihr Konzert mit der hochgestreckten Faust, um dann in der Zugabe noch eine beeindruckende Version des Who-Klassikers „My Generation“ zu singen. Die Rebellion geht weiter. (Cem Akalin)