Wir wollen Euch jeden Tag ein Adventstürchen öffnen, mit der Hoffnung, Euch die eine oder andere Eingebung zu geben, was ihr verschenken oder was ihr Euch selbst zum Geschenk machen könnt. Unter unseren Empfehlungen sind brandneue Veröffentlichungen, aber auch einige, die etwas zurückliegen, aber es wert sind, nochmal ins Gedächtnis geholt zu werden. Wir geben Tipps für Konzerte, Bücher, Platten – alles rund um Musik. Hinter unserem siebten Adventstürchen steckt:
Florian Weber
Lucent Waters
VÖ: 02.11.2018
Label: ECM
Und sein Konzert (Trippelabend) mit WDR Big Band feat. Knower und Tower of Power
am 25. Mai 2019 im Telekom-Forum
Von Dylan Cem Akalin
Florian Weber gehört zu meinen Lieblingspianisten. Wenn ich sein neues Album „Lucent Waters“ höre, dann sehe ich ihn mit seinem seligen Lächeln direkt vor mir. Weber gehört zu den überaus sympathischen Künstlern, die völlig ohne Selbstverliebtheit auskommen, die sich und ihr Spiel gerne anderen Musikerkollegen anbieten, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Das aktuelle Album von Florian Weber ist ein Traum, und ich empfehle nicht nur dringend, es sich anzuschaffen, sondern auch gleich ein Ticket für sein Konzert beim Jazzfest Bonn am 25. Mai 2019 im Telekom-Forum zu besorgen. Der Mann, seine Band, sind eine Sensation!
Florian Weber ist ein abstrakter Impressionist, der die Figürlichkeit hinter seinen klugen, schwerelosen Farbtupfern geschickt verbirgt und dem Zuhörer genügend Freiraum überlässt, um die Magie des Ganzen zu erfassen. Die Produktion von ECM ist ein Glück für diese Musik. Der Bass von Linda May Han Oh, die Trompete von Ralph Alessi und das Schlagzeug von Nasheet Waits klingen so glänzend, so voller Raum, dass der Gesamteindruck ein ganz natürlich-organischer ist, und Webers Klavier schwebt wie in einem mehrdimensionalen, intellektuell kaum fassbaren Zustand.
Landschaften mit Transparenz
Weber kennt man ja auch als experimentierfreudigen Musiker, der gerne die Grenzen des Möglichen verschiebt. „Lucent Waters“ offenbart eine tiefe Neigung zur eindringlichen, gelegentlich auch mitreißenden, häufig aber haushaltenden Ausdrucksweise. Weber sorgt dafür, dass seine acht Kompositionen rein geschichtet sind, da ist absolut kein Raum für Künstlichkeit, und meistens ruhige Landschaften mit Transparenz und scharfem Fokus beschreiben, wenn es Ausbrüche gibt, so hält die insgesamt besonnene Friedlichkeit die Grundspannung aufrecht.
Beim kurzen Auftakt „Brilliant Waters“ segelt das Quartett in großer Geste davon und fährt mit „Melody of a Waterfall“ fort, dessen perkussive Einführung uns auf einen klassisch beeinflussten Strom vorbereitet, der an Rachmaninoffs flinke Geschicklichkeit erinnert. Han Oh bewegt ihre Finger agil auf dem Hals des fretless Basses und artikuliert mit komplizierter Ausführung, bevor Weber übernimmt.
Kristalline Schönheit
Ralph Alessi zeigt seinen einzigartigen, leisen, blühenden Ton (der mich manchmal an Wadada Leo Smith erinnert) auf „From Cousteaus Standpunkt“, der sich mit einer kristallinen Schönheit entfaltet, wie ein knapp über der Wasseroberfläche dahinsegelnde Vogel, der jeden Moment droht, das Wasser zu berühren.
Etwas Exaltation kommt mit „Time Horizon“ an, wo das zarte virtuose Flimmern des Klaviers über das herzhafte rhythmische Netz wirkt, das von Ohs klopfendem Basspedal und den revolutionären Wirbel von Waits gewebt wird. Weber beendet es mit starken, ansprechenden Akkorden.
Wenn „Schimmelreiter“ etwas von Saties klassischer Melancholie bringt, dann ist „Butterfly Effect“ eine faszinierende Reise in eine weite Landschaft, wo man die klare Luft durch tiefes Einatmen in seinen Lungen konservieren möchte. Diese angespannte Ruhe dominiert auch zu Beginn von „Fragile Cocoon“, die Intensität wird jedoch während eines weiteren kreativen Solos von Alessi erhöht, der in Webers angespannten Bewegungen einen harmonischen Hintergrund findet.