Ein Abend der Tränen, der Glücksmomente und der sensationellen Überraschungen. Die Foo Fighters verabschiedeten sich am Samstagabend mit einer gut sechsstündigen Hommage von ihrem Schlagzeuger Taylor Hawkins. Es war das erste Konzert der Rockband ohne Hawkins – im ausverkauften Wembley in London. Der Schlagzeuger starb im vergangenen März im Alter von 50 Jahren während der Tour in Südamerika.
Von Dylan Akalin
Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl musste so manche Träne wegdrücken als er von seinem „lieben Freund, Bandkollegen und Bruder“ sprach. Während des Songs „Times Like These“ wurde Grohl sichtlich emotional. „Niemand außer Hawkins konnte dich so zum Lachen, Tanzen oder Singen bringen wie er“, sagte Grohl über Hawkins. „Also singe ich und tanze und lache und weine und schreie und mache Lärm, damit er uns hören kann.“
Einer der berührendsten Momente war sicherlich der Auftritt von Oliver Shane Hawkins. Der 16-jährige Sohn des verstorbenen Foo-Fighters-Schlagzeugers spielte beim Song „My Hero“ die Drums – ebenso kraftvoll, energisch und voller Hingabe wie sein Vater. Bilder der Performance zeigen, wie Oliver Shane dabei seine Tränen kaum zurückhalten zu können scheint. Das Publikum tobte und jubelte ihm zu, besonders als Bilder von Vater und Sohn gemeinsam auf einer Leinwand hinter ihnen zu sehen waren. Die Bilder gingen am Sonntag auch in den sozialen Medien viral und sorgten für viele liebevolle Reaktionen.
„Familie“ war das zentrale Thema des Tribute-Konzerts der Foo Fighters vor 75.000 eingefleischten Fans. Als am Ende alle Gastkünstler auf der Bühne erschienen, mochte man immer noch nicht glauben, was für ein unglaubliches Ereignis da gerade über die Bühne lief. Paul McCartney performte mit rauer Stimme ein paar Beatles-Songs, wahrscheinlich so heavy wie noch nie in seinem Leben. Trotz des irren Aufgebots an Stars verlor das Konzert in den sechs Stunden und den 50 Songs nie die Intimität, die den Foo Fighters wohl bei der Konzeption vorschwebte. Sechs Stunden lang konnten die Foo Fighters und ihre Fans gemeinsam als kollektive Familie trauern und Taylor Hawkins auf die einzig angemessene Weise ehren: indem sie noch mal abrockten als sei es das letzte Mal. Dave Grohl stand am Ende mit durchgeschwitzten Haaren, sichtlich erschöpft, aber glücklich auf der Bühne. Pat Smear nahm Dave am Ende in den Arm, lehnte ihm tröstend den Kopf auf die Schulter. Er weiß, wie sehr Taylor Grohl bedeutet hat.
Die sechs Stunden waren ziemlich genau durchgeplant, jeder Interpret und jede Songauswahl hatten eine besondere Verbindung zu Hawkins. Aber für den letzten Song des Abends entschied sich Grohl dafür, alleine aufzutreten und vor einem Publikum zu singen: seinem Bruder und Bandkollegen seit 25 Jahren. „If everything could ever feel this real forever / If anything could ever be this good again.” Ein magischer Moment.
Warum dieser unglaubliche Aufwand, diese Tributefeier der Superlative? Das fragt sich sicherlich so mancher, der kein großer Fan der Foo Fighters ist. Taylor Hawkins war sicherlich ein fantastischer Drummer, ein toller Musiker, aber kein Superstar. Keiner, der das Schlagzeugspiel revolutioniert hätte. Aber er war eine Persönlichkeit. Wer ihn jemals live erlebt hat, musste ihn einfach gern haben. Er war ein Musiker, der immer alles gegeben hat. Einer, der brannte für das, was er tat. Bei all seiner Professionalität hat er auch stets das neugierige und spielfreudige Kind in sich bewahrt, auch seine sehr verletzliche Seele. vielleicht hat auch das ihn kaputtgemacht. Taylor Hawkins gehörte zu den Menschen, die ihre Offenheit und Emotionalität im Gesicht trugen. Man wollte ihn gleich in den Arm nehmen. Diese Menschlichkeit des Musikers ist es, was die Fans und die vielen Gastmusiker gefeiert haben.
Hawkins wurde im März tot in seinem Hotelzimmer in Kolumbien aufgefunden. Sein Tod kam völlig unerwartet. Zur Todesursache wurden zwar keine Angaben gemacht, aber der Schlagzeuger soll etliche Substanzen in seinem Blut gehabt haben, darunter Opioide, Marihuana und Antidepressiva, hieß es in Medienberichten. Ob Drogen auch zu seinem Tod geführt haben, ist nicht sicher.
Das Konzert am Samstagabend im Wembley-Stadion war das erste von zwei Konzerten zu Ehren von Hawkins. Seine Frau und Bandmitglieder organisierten die Konzerte, deren Erlöse wohltätigen Zwecken zugutekommen sollen. „Dave Grohl, Nate Mendel, Chris Shiflett, Pat Smear und Rami Jaffee werden mit der Familie Hawkins zusammenkommen, um das Leben, die Musik und die Liebe ihres Mannes, Vaters, Bruders und Bandkollegen mit The Taylor Hawkins Tribute Concerts zu feiern“, ließ die Band im Vorfeld verlauten. „Die All-Star-Rock’n’Roll-Shows finden am 3. September im Londoner Wembley-Stadion und am 27. September im Kia Forum in Los Angeles statt.“
Das Konzert begann mit einer berührenden Foto-Hommage, die von einer Aufnahme von „Aurora“ von Foo Fighters untermalt wurde. Danach eröffneten die Foo Fighters das Konzert mit Liam Gallagher und performen „Rock ’n‘ Roll Star“ und „Live Forever“ von Oasis. Nile Rodgers, Chris Chaney und Schlagzeugerlegende Omar Hakim führen Stücke von David Bowie auf.
Dann kommen die Nebenprojekte von Taylor Hawkins, Chevy Metal und The Coattail Riders, auf die Bühne, um „Psycho Killer“ von Talking Heads zu covern. Kesha singt T-Rex’ „Children of the Revolution“ und „It’s Over“, The Coattail Riders werden unterstützt von Justin Hawkins von The Darkness.
Was da auf der Bühne zusammenkommt, ist sagenhaft: Wolfgang Van Halen, selbst Spross einer Legende, beeindruckt mit virtuosem Gitarrenspiel bei „On Fire“ und „Hot for Teacher“. Them Crooked Vultures, die alternative Rock-Supergroup um Josh Homme (von Queens of the Stone Age und Kyuss), John Paul Jones (Led Zeppelin) und Dave Grohl, kam zum ersten Mal seit zwölf Jahren zusammen, um live aufzutreten. Brian Johnson (AC/DC) und Lars Ulrich (Metallica) performen mit den Foo Fighters die AC/DC-Klassiker „Back in Black“ und „Let There Be Rock“. Grohls Tochter Violet Maye, die Hawkins ihr ganzes Leben lang gekannt hatte, trat ebenfalls auf. Sie sang mit ihrem Vater, Alain Johannes, Chris Chaney, Greg Kurstin und Jason Falkner die zwei Jeff Buckley Songs „Last Goodbye“ und „Grace“. Ein unvergesslicher Abend. Kaum vorstellbar, dass das in LA noch getoppt werden kann.