Im vergangenen Jahr erschien mit „Quadio“ eine Box mit den besten Alben der Doobie Brothers: „Toulouse Street“, „The Captain And Me“, „What Were Once Vices Are Now Habits“ und „Stampede“ waren echte Schätzchen. Wer danach das neue Album „Liberté“ anhört, wird leicht enttäuscht sein.
Von Dylan Cem Akalin
Die alten Doobies hört man auf „Liberté“ noch in Stücken wie „Don’t Ya Mess With Me“, „Easy“ oder „Just Can’t Do This Alone“ mit Tom Johnston (73) in der Leadstimme. „Shine Your Light“ und „The American Dream“ muss man auch nicht in der Luft zerreißen, aber das war es dann auch schon. Der Opener „Oh Mexico“, „Cannonball“, „Better Days“ und „Wherever You Go“ sind für Doobie-Verhältnisse einfach viel zu belanglose Popsongs. Wer den sonnigen Gitarren-Pop-Sound der Vergangenheit liebt, findet in „Liberté“ dennoch ein warmes Bad der Siebziger-Nostalgie.
Doch bei aller Kritik: Die zwölf Songs strahlen eine Handwerkskunst des Musikgeschäfts aus, die mittlerweile rar geworden ist. Da sind die treibenden Rhythmen, die feierlichen Shout-Outs und die optimistische Stimmung, die man von den Doobies kennt.
Wild und frei
Das Gefühl der Nostalgie zeigt sich besonders in der optimistischen Hymne „The American Dream“, deren Refrain den jugendlichen Überschwang ankündigt und daran erinnert, wie es war, wenn man das Verdeck herunterließ, das Radio einschaltete und am Strand tanzte: „Wir waren wild und wir waren frei.“
Liberté ist auch ein Versuch, die Uhren zurückzudrehen und an eine Zeit zu erinnern, in der Optimismus und Leichtigkeit herrschte. Ich bin mir nicht sicher, ob das im Jahr 2021 ausreicht.
Außerdem würde ich den gesamten Leadgesang Johnstons charakteristischer Stimme überlassen, denn Pat Simmons (72) hinterlässt als Sänger keinen großen Eindruck – auch wenn er 1972 den Hit „Listen to the Music“ gesungen hat. Schade, dass Michael McDonald, die Stimme des Welthits „What a Fool Believes“ von 1978 nicht auf dem Album mitgewirkt hat, immerhin ist der 69-Jährige nach 25 Jahren tatsächlich wieder Mitglied der Doobie Brothers und auf der Jubiläumstour dabei.
„Liberté“ ist das erste Album nach 11 Jahren
In den 70er Jahren verging praktisch kein Jahr, ohne dass The Doobie Brothers eine neue LP herausbrachten. Die seit über 50 Jahren bestehende Band hat mit „Liberté“ das erste Album nach elf Jahren (nach „World Gone Crazy“) herausgebracht und dadurch hohe Erwartungen geweckt. Auf dem aktuellen Album sind die Gründungsmitglieder Tom Johnston und Pat Simmons sowie John McFee, der schon seit 1979 dabei ist, zu hören. John Shanks hat das Trio bei den Songs und der Produktion unterstützt. Der Grammy-prämierte Produzent hat schon für Kelly Clarkson, Bon Jovi, Sheryl Crow und Miley Cyrus gearbeitet.
Die Doobie Brothers hatten zweifellos ihre Blütezeit in den 70er Jahren. Wer auf der Suche nach diesem sanftem Wohlfühl-Rock mit ordentlichem Gesang und schönen Gitarren ist, könnte sich diesen Herbst damit gemütlich vor dem Ofen machen.